Debatte um Bargeld-Limit von 5.000 Euro: Ohne Bargeld werden wir gläserne Bürger
Das Finanzministerium will Bargeldzahlungen begrenzen. Doch nur wer bar zahlt, hinterlässt keine Datenspuren. Dies muss es auch in Zukunft geben. Ein Kommentar.
Bargeld ist eine Zahlungsform, der sich Terroristen bedienen, um ihre Waffen zu bezahlen. Würde es verschwinden, würde die Welt ein bisschen sicherer. Auch so wird seit der Zunahme islamistischer Bedrohung für die Abschaffung des Bargelds geworben. Eine Argumentation, mit der man auch den Schienenverkehr einstellen könnte, schließlich reisen auch Terroristen mit der Bahn.
Und dennoch: Die Abschaffung des Bargelds scheint ein neues Traumziel von Regierungen, Volkswirtschaften und Konzernen. John Cryan von der Deutschen Bank sagte gerade erst das Ende der Barzahlung in zehn Jahren voraus. In Dänemark wird der Annahmezwang für Bargeld aufgehoben, in Italien sind seit 2012 Bargeldtranfers von mehr als 1000 Euro verboten. Nun soll auch die bargeldverliebte Bevölkerung Deutschlands weichgekocht werden, wenn aus dem Bundesfinanzministerium ein Barzahlungslimit von 5000 Euro angestrebt wird. Vermutlich wird es dabei nicht bleiben.
Das bargeldlose Leben wäre eins ohne Geldwäsche und Schwarzarbeit, wird argumentiert – allein letztere verursachte 2014 einen Schaden von 800 Millionen Euro. Das muss aufhören, völlig richtig. Aber das bargeldlose Leben ist auch eins, in dem alle Bürger – nicht nur Kriminelle – ununterbrochen Daten hinterlassen, weil fast jede Alltagstätigkeit irgendwie mit Bezahlen zu tun hat. Man rekapituliere seine bisherige Woche. Was wurde wo bezahlt – und frage sich: Soll das nachverfolgbar sein?
Die Sicherheit der Daten ist nicht gewährleistet
Bisher steht dem exponentiell steigenden Datenwust kein überzeugendes Konzept für Datensicherheit gegenüber. Niemand kann garantieren, dass die heute bezahlte Sachertorte nicht morgen von der Krankenkasse nachrecherchiert wird. Die bargeldlose Welt macht aus Menschen im Handumdrehen, was die Vorratsdatenspeicherung mit guten Gründen nicht durfte: den gläsernen Bürger. Das ist ein sehr hoher Preis für weniger Schwarzarbeit oder einen auch nur spekulativen Zugewinn an Sicherheit vor Terrorismus.
Ein weiteres Plus des Bargelds ist auch seine niedrigschwellige Verfügbarkeit. Der Zeitungsbote ist seit Wochen trotz Glätte und Eiseskälte pünktlich und bekommt einen Dank zugesteckt. Der Schüler gibt seinem Banknachbarn Nachhilfe in Geometrie, verdient sich seine ersten fünf Euro – und lernt nicht zuletzt so auch den Wert und den Umgang mit Geld kennen. Wie soll das auch sonst gehen, wenn es nur noch bargeldlos vonstatten geht? Im Kreditkartenland USA lässt sich bereits besichtigen, wie aus unbarem Zahlungsverkehr eine überschuldete Gesellschaft wird.
Menschen ohne Konto würden vollends ausgegrenzt
Ein weiteres Argument ist die Sicherheit. Bargeld lacht, sagt der Volksmund und meint: Was man hat, das hat man. Eine Branche, die das besonders betrifft, ist der Gebrauchtwagenhandel. Geld gegen Ware. Bargeldlos geht das nicht, das Geschäftsmodell wäre dahin.
Besucher Skandinaviens erzählen von Obdachlosenzeitungsverkäufern, die mit Geräten fürs unbare Zahlen ausgestattet sind. Eine absurde Vorstellung – aber ein richtiges Stichwort. Obdachlose, die nur selten ein Konto haben, würden vollends ausgegrenzt.
Die bargeldlose Gesellschaft hat sicher Vorteile, aber im Verhältnis zum Schaden zu wenige.
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