Lieferprobleme beim Kanzler: Was Scholz und die Regierung jetzt tun müssen
Olaf Scholz muss zwei seiner Ziele in der Pandemie schon einkassieren. Das ist aber nicht sein einziges Problem. Ein Kommentar.
In der SPD haben sie sich immer wieder an Angela Merkel abgearbeitet: sie tauche ab, scheue die klare Ansage, führe zu wenig, hieß es. Das Gegenmodell soll Kanzler Olaf Scholz sein, der zwar bei Vielem auf Kontinuität setzt, aber gerne über sich selbst sagt: Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie auch.
Nun hat eine neue Regierung traditionell eine Schonfrist, doch nach dem Honeymoon wird Scholz gerade Opfer eigener Versprechen und die Bürger wollen wissen, wie es mit der im Zuge der vierten Welle dann doch hektisch angekündigten Impfpflicht weitergeht. Scholz predigt er gerne, angesichts der zunehmenden Spannungen in der Gesellschaft dürfe es keine falschen Zusicherungen geben.
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In der Corona-Pandemie hat er zwei seiner Ziele bereits verfehlt. Weder konnte bis zum 7. Januar die Marke von 80 Prozent Erstimpfungen erreicht werden, noch lässt sich seine Ansage umsetzen, dass spätestens ab Anfang März eine allgemeine Corona-Impflicht gelten soll. Wahrscheinlicher ist, dass sie erst im Mai oder Juni kommt. Wenn überhaupt.
Sicher, das Vorhaben ist schon aus Datenschutzgründen komplex. Und es gibt auch gewichtige Argumente, die gegen einen solchen Grundrechtseingriff sprechen. Deshalb zeichnet sich ab, dass die Ampel keine eigene Mehrheit für das Projekt haben könnte. Wenn die Union ihm nicht bei einer Impfpflicht-Abstimmung im Bundestag hilft, könnte Scholz da ziemlich auf die Nase fallen.
Merkel war vorsichtiger mit Ankündigungen
Der Kanzler kann nicht, wie er es nun macht, allein auf den Bundestag und dessen Zeitpläne verweisen. Wer einen Termin verspricht, muss eventuelle Schwierigkeiten von vornherein einplanen, mithin das Ganze vom Ende her denken, Führung zeigen, dass es auch klappt. Und er könnte letztlich auch einen eigenen Entwurf der Regierung vorlegen, statt auf Gruppenanträge im Parlament zu setzen, in der Hoffnung, es wird schon für eine Variante - im Zuge der zur Gewissensentscheidung deklarierten Entscheidung - eine Mehrheit geben.
Merkel war vorsichtiger mit solchen Ankündigungen, ein Scheitern einkalkulierend, Enttäuschungen vorbeugend. Alle gemeinsam lagen sie falsch bei der Ankündigung, es werde überhaupt eine Impfpflicht geben.
Dinge in einer Pandemie sind bekanntlich sehr im Fluss. Ehrliche Vorsicht ist da der beste Ratgeber. Das hat Scholz schon lernen müssen, nämlich als Schritt für Schritt fast alle Maßnahmen der epidemischen Notlage wieder eingeführt werden mussten; die Lage darf jetzt nur nicht mehr so heißen.
Hinzukommen bei Scholz ein Lavieren, das Hoffen auf den Faktor Zeit und darauf, dass Omikron nicht so dramatisch wird. Die Probleme versucht Scholz mit dem ständigen Ausweichen bei kritischen Fragen und einem defensiven Kommunikationsstil zu vernebeln. Ein Ausweis von Führungsstärke ist das nicht.
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Er führt bisher mehr nach innen, sieht sich als Moderator in einem schwierigen Dreierbündnis, aber seine öffentliche Rolle sucht er noch.
Es setzt sich gerade fort, was schon die Anfänge der Ampel-Phase geprägt hat. Die FDP, der kleinste Partner, ist heimlicher Taktgeber - im Fall der Impfpflicht Bremser. Die Grünen wirken weiter ziemlich unsortiert. Mit dem Wechsel ihrer Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck in Regierungsämter fehlt ein klares strategisches Machtzentrum. Und die SPD hält einfach die Füße still.
Mangelnder Respekt für die Pfleger?
Das Bündnis wirkt instabiler, als man anfangs denken konnte. Die Findungsphase nutzten zum Beispiel eine Reihe von EU-Staaten, um in Sachen Öko-Siegel für Atomkraft und Erdgas Fakten zu schaffen; so können hierhin künftig auch gezielt Investorengelder fließen, nicht nur in neue Windräder und Solaranlagen.
Die Ampel-Koalition wird das nicht stoppen können, die Stimmung bei den Grünen ist im Keller. Gleich zum Start ein „Atomkraft, ja bitte“-Label in der EU schlucken zu müssen, auf so einen Ampel-Aufbruch hatten sie nicht gewettet.
Und dann hat Scholz Lieferprobleme bei seinem Wahlkampfschlager, dem Respekt-Thema. Der zugesagte Pflegebonus könnte nach den Plänen von Karl Lauterbach vor allem für Pflegekräfte gelten, die in der Corona-Pandemie besonders belastet waren.
Bessere Personalausstattung, mehr Geld für alle aber besonders auch in der Altenpflege, hatte Scholz versprochen. Dass viele beim Bonus leer ausgehen könnten, wird für Verdruss sorgen. Es ist bezeichnend, dass die SPD-Spitze sich dazu nicht äußern will. Die Ausgestaltung sei Sache der Bundestagsfraktion, heißt es. Von dort gibt es auch keine Antwort. Die Ampel ist in der ernüchternden Regierungsrealität angekommen.
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