Designierter CDU-General Czaja zum Pflegebonus: „Wenn Boni, dann für die volle erste Front im Gesundheitswesen“
Gesundheitsminister Lauterbach gerät unter Druck, weil der geplante Pflegebonus nur an bestimmte Kräfte gezahlt werden soll. Die Linke fordert 4000 Euro Gehalt.
Der designierte CDU-Generalsekretär Mario Czaja wehrt sich gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), nur einigen Pflegekräften Bonuszahlungen zu gewähren. Stattdessen plädiert Czaja für umfassendere Boni-Regeln im Kampf gegen Corona.
Wer Sonderzahlungen für Pflegekräfte ins Spiel bringe, sollte vermeiden, sie nur einem eng begrenzten Kreis dieses Berufs zugestehen zu wollen, sagte Czaja dem Tagesspiegel: "In der Corona-Krise sind die allermeisten Pflegekräfte ins persönliche Risiko gegangen - und auch die Männer und Frauen der Hilfsorganisationen und Krankentransporte sowie Ärzte und Sanitäter haben einen Bonus verdient."
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Wenn die Politik sich entscheide, nach 22 Pandemiemonaten einen Bonus zahlen zu wollen, dann sollte den "die volle erste Front" des Gesundheitswesens erhalten. Czaja ist ehrenamtlich DRK-Präsident in Berlin und war dort bis 2016 Gesundheitssenator.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte angekündigt, Boni nur jenen Pflegekräften zahlen zu wollen, die "besonders belastet waren" und ins "persönliche Risiko" gegangen seien, damit der Bonus "in nennenswerter Höhe" erfolgen könne. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP einen Corona-Bonus für Pflegekräfte vereinbart. Dafür will die Ampel-Regierung eine Milliarde Euro bereitstellen. Die Steuerfreiheit des Pflegebonus soll 3.000 Euro betragen.
SPD-Spitze schweigt
Auch die Linkspartei im Bundestag macht Front gegen das Projekt. Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Linken im Bundestag, sagte dem Tagesspiegel: "Ein Pflegebonus müsste an alle Pflegekräfte gezahlt werden." Denn die Pandemie sei für Intensiv-Pflegekräfte bis hin zu ambulanten Pflegediensten eine unglaubliche Belastung. "Diese unsägliche Differenzierung hat schon bei der Auszahlung des letzten Bonus zu viel Frust und Verärgerung geführt." Auch Rettungsdienste müssten mit in das Bonussystem einbezogen werden.
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Entscheidender sei aber eine dauerhaft gute Bezahlung. "4.000 Euro pro Monat sind durchaus angebracht. Grundlage für die Bezahlung sollte ein flächendeckend geltender Tarifvertrag sein", sagte Ferschl. Gleichzeitig müssten endlich die Arbeitsbedingungen verbessert und die Arbeitsbelastung reduziert werden. Das erreiche man zum Beispiel durch eine gesetzlich festgelegte Personalbemessung.
Bei dem Streit um den Pflegebonus geht es auch um die Glaubwürdigkeit von Kanzler Olaf Scholz (SPD), der mit seinem Respekt-Wahlkampf gepunktet und für alle Pfleger Verbesserungen versprochen hatte. Die SPD-Spitze wollte sich auf Tagesspiegel-Anfrage nicht dazu äußern.
Auch der Präsident der Berliner Ärztekammer, Peter Bobbert, fordert eine andere Bonuspolitik. "Selbstverständlich sollten alle Pflegekräfte berücksichtigt werden, darüber hinaus Ärzte und andere Berufe. Dazu zählen ganz klar etwa die Reinigungskräfte in den Kliniken und medizinische Fachangestellte in den Praxen“, sagte Bobbert dem Tagesspiegel. "Denn auch in den Praxen unserer Stadt herrscht seit Monaten ein Ausnahmezustand, insbesondere seit der Impfkampagne."
Ärztekammer-Chef: Fachkräftemangel wird nicht durch Bonus abgewendet
Gut sei, wenn der Bund solche Prämien bald zahle, die Frage nach einer Reform des Gesundheitswesens aber lasse sich so nicht vermeiden, sagte Bobbert: "Der Fachkräftemangel wird nicht durch einen einmaligen Bonus abgewendet."
Die meisten Krankenhäuser suchen dringend Personal, auch in Gesundheitsämtern und Pflegeheimen fehlen Fachkräfte. Allein in Berlin müssen in den nächsten drei Jahren mindestens 1500 Pflegekräfte für die landeseigenen Kliniken von Charité und Vivantes gefunden werden. So sehen es gültige Tarifverträge vor. In den Gesundheitsämtern der Bezirke wiederum fehlen nach Senatsrichtlinien 500 Mediziner, Pädagogen, IT-Experten, Übersetzer und Verwaltungsfachleute.
Deutlich hatte der Deutsche Pflegerat die Ankündigung Lauterbachs kritisiert, den im Koalitionsvertrag vereinbarten Pflegebonus nur an einige Beschäftigte zu zahlen. Dies führe erneut zu Unfrieden in der Zunft, sagte Präsidentin Christine Vogler: Die Pflege wolle nicht "Brotkrumen in Form von Bonuszahlungen" bekommen, damit sei der gesamten Berufsgruppe nicht gedient. Vogler forderte stattdessen höhere Löhne. Erneut sprach sie sich für ein Einstiegsgehalt für examinierte Pflegekräfte von 4.000 Euro brutto pro Vollzeitstelle aus.
Schon in den vergangenen Corona-Jahren hatte es Pflege-Boni auf Landes- und Arbeitgeberebene gegeben. Darüber wurde in Berlin gestritten, weil beispielsweise Leasing-Pflegekräfte unberücksichtigt blieben.