Klatsche für den Kanzler: Scholz kann Impfpflicht-Versprechen nicht halten
Der Kanzler wollte, dass ab spätestes März eine allgemeine Impfpflicht gilt. Nun könnte sie erst im Mai oder Juni in Kraft treten. Und nur für Über-50-Jährige?
Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgegebene Ziel, eine Impfflicht bis spätestens März einzuführen, ist nicht mehr zu halten. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Koalitionskreisen. Ein Grund ist der Zeitplan des Bundestags und des Bundesrats, der andere sind komplizierte juristische Fragen und erhöhter Beratungsbedarf bei den Ampelparteien.
Scholz hatte Ende November im ZDF gesagt, eine allgemeine Impfpflicht solle „ab Anfang Februar, Anfang März“ für alle in Deutschland gelten. - um endgültig die Pandemie zu überwinden. Zuvor hatte er, wie auch seine Vorgängerin, Kanzlerin Angela Merkel, immer eine Impfpflicht ausgeschlossen hatte. Wahrscheinlich am 26. oder 27. Januar soll es zunächst eine umfassende Orientierungsdebatte im Bundestag geben.
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Wegen Karneval ist für Februar nur eine Sitzungswoche angesetzt, sodass frühestens in der Woche ab dem 14. März eine Entscheidung fallen kann. Da der Bundesrat, der zustimmen muss, erst wieder am 8. April tagt, kann das Projekt nach jetzigem Zeitplan erst dann final gebilligt werden.
Das bedeutet, vor Anfang Mai könnte sie ohne Sondersitzungen kaum in Kraft treten. Wenn zudem für die Durchsetzung der Pflicht ein zentrales Impfregister mit Daten zu allen Geimpften aufgebaut werden soll, könnte die Impfpflicht auch erst im Juni in Kraft treten.
Derzeit wird mit diversen Sonderaktionen versucht, die Zahl auch der Erstimpfungen zu erhöhen. Scholz hatte schon das Ziel, dass bis zum 7. Januar 80 Prozent in Deutschland mindestens eine Impfung bekommen haben, klar verfehlt, die Quote liegt bei knapp 75 Prozent.
SPD: Impfpflicht eher Projekt für nächsten Herbst
Der für das Impfpflicht-Projekt in der SPD-Fraktion zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Die Beratungen im Bundestag sollten wir im 1. Quartal zum Abschluss bringen“ – das erste Quartal endet Ende März. Das sei ein anspruchsvoller Zeitplan, „da wir insbesondere im Februar nur eine Sitzungswoche haben“.
Mit Blick auf mögliche Verzögerungen betonte Wiese, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfristig, sondern sei „perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter“. Scholz war am Freitag nach der Bund-Länder-Runde zu neuen Corona-Maßnahmen allen Fragen, ob er sein Versprechen kassieren muss, ausgewichen und verwies in Sachen Zeitplan auf den Deutschen Bundestag.
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Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte nach dem Corona-Gipfel mit Blick auf Scholz und die Ungewissheit über den Zeitplan für eine Impfpflicht-Einführung: „Wir brauchen Tempo und auch Führung bei dieser Frage.“ Allerdings ging er nicht darauf ein, dass auch die Terminierungen im Bundesrat das Projekt verzögern könnten.
FDP bremst - Impfpflicht nur für Über-50-Jährige?
In der Union wird gemutmaßt, dass gerade die FDP, die das Projekt zunehmend kritisch sieht, versuchen könnte, eine Impfpflicht zu verschleppen. Wenn sich die Lage bessern und in Endemie übergehen könnte, dürfte der Druck wachsen, auf eine Impfpflicht zu verzichten.
Wahrscheinlich wird die Ampel-Koalition für eine Einführung keine eigene Mehrheit haben - daher ist die Entscheidung zur Gewissensentscheidung erklärt worden; unter anderem mit Hilfe der Stimmen aus der Union gilt eine Mehrheit aber als sehr wahrscheinlich.
Eine Variante ist auch, dass es lediglich eine altersabhängige Impflicht und keine allgemeine ab 18 Jahren geben könnte. Das schlägt etwa der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann vor und verweist auf das Beispiel Italien.
Dort trat am Samstag eine Impfpflicht für Über-50-Jährige in Kraft. Ihm sei wichtig, „dass sobald sich die Lage ändert und das Virus endemisch wird, sich auch die Debatte zur Impfpflicht erübrigt“, sagte er der dpa. Der Maßstab für das Handeln müssten nicht die Infektions-, sondern die Krankheitszahlen sein.
Beratungen über Datenschutz bei Impfregister
SPD-Fraktionsvize Wiese betonte, nach der wichtigen Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht „werden wir den Januar dafür nutzen, um in intensiven Gesprächen mit Expertinnen und Experten, in der Fraktion, in den Wahlkreisen und in einer Orientierungsdebatte im Parlament eine breite Debatte zu ermöglichen“.
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In der kommenden Woche werde die SPD-Bundestagsfraktion zunächst mit Mitgliedern des Ethikrates, mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und mit Juristen das Gespräch suchen. „Für wichtige Detailfragen, wie zum Beispiel die Erforderlichkeit beziehungsweise Notwendigkeit eines Impfregisters, wollen wir eine gründliche Debatte führen.“
Einig ist man sich zumindest bei Bund und Ländern, dass die Impfpflicht weiterhin kommen soll. „Ich finde es richtig, dass der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Länder sich einvernehmlich für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen haben“, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dem Tagesspiegel.
Der Bundestag hatte bereits im vergangenen Jahr eine Impfpflicht für das Personal von Einrichtungen beschlossen, in denen besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen versorgt, behandelt oder betreut werden. Diese im Wesentlichen auf das Gesundheitswesen und die Pflege begrenzte Pflicht gilt ab Mitte März.
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