Ampel will epidemische Notlage beenden: Diese Maßnahmen sind mit dem neuen Corona-Gesetz möglich – und diese nicht
Der bundesweite Ausnahmezustand steht vor dem Ende. Bald sollen die Länder den Corona-Kurs steuern. Ein Blick auf die Eckpunkte des Ampel-Gesetzentwurfs.
Deutschland im Corona-Herbst: Die Infektionszahlen klettern stetig auf neue Höchstwerte, die Zahl der Covid-19-Toten steuert beschleunigt auf die 100.000er-Marke zu und die Impfquoten bleiben hinter den wissenschaftlich und politisch geforderten Zielmarken zurück.
Trotz dieser dynamischen Entwicklung soll die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November enden – so wollen es die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP, die voraussichtlich schon bald die künftige Bundesregierung stellen werden.
„Wir müssen gewissermaßen unser Land winterfest machen“, sagte der amtierende Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Donnerstag bei der Einbringung des Gesetzentwurfs im Bundestag.
Sein womöglich baldiger Koalitionär Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, verwies auf „robuste Maßnahmen für die Bekämpfung von Corona“.
Doch was bedeutet der 44 Seiten umfassende Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes für Bund, Länder und Bevölkerung? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was bedeutet das Aus der epidemischen Lage?
Der Bund wird sich nicht vollends zurückziehen, überträgt die pandemiepolitischen Zuständigkeiten jedoch größtenteils an die Länder zurück. Mehr noch: Statt der Bundesregierung darf und muss wieder das Parlament über Corona-Beschränkungen entscheiden – und die Länder können per Verordnung regional agieren.
Welche Instrumente sind zur weiteren Pandemiebekämpfung geplant?
Läuft die epidemische Notlage wie von den Ampel-Parteien geplant aus, ist die Covid-19-Pandemie selbstredend nicht vorbei. Deshalb soll das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geändert werden, um eben die Bevölkerung weiterhin zu schützen. Eine weiterlaufende Notlage sei aufgrund der zahlreichen Geimpften im Land rechtlich heikel, heißt es von den Ampel-Parteien.
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Mit dem IfSG legt der Bund rechtliche Mindeststandards fest, er gibt den Ländern also einen einheitlichen Rahmen für ihr pandemiepolitisches Handeln vor – ohne jedoch konkrete Weisungsbefugnis zu haben. Zudem soll es durch den Maßnahmenkatalog möglich sein, je nach Entwicklung der Lage erforderliche Schutzvorkehrungen zu ergreifen. Demnach sind unter anderem folgende Instrumente vorgesehen:
- Maskenpflicht
- Rückkehr kostenloser „Bürgertests“
- Hygienekonzepte in Betrieben, Schulen und Freizeitangeboten (inklusive Kultur und Gastronomie)
- 3G oder 2G (Pflicht zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweis) in bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens
- 3G am Arbeitsplatz
- Anspruch auf zwei kostenfreie Tests durch Arbeitgeber
- Tägliche Testpflicht für ungeimpfte und nicht genesene Arbeitnehmende
- Lohnausfall-Entschädigung für geimpfte Beschäftigte in Quarantäne
- Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen
- Abstandsgebote
- Finanzielle Hilfen für Kliniken
- Strafverschärfung für Fälschung von Impfnachweisen und deren Verwendung
Was steht noch nicht drin?
Einige mitunter wichtige Details bleiben in dem Entwurf zur IfSG-Änderung noch offen. Dazu zählen die Ausgestaltung der viel diskutierten 3G-Regel am Arbeitsplatz und der Umgang mit Beschäftigten, die sich dem widersetzen.
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Dem Vernehmen wollen sich die Ampel-Parteien bei den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen auf Vorgaben einigen. Zudem ist die Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen noch nicht vollends definiert. Dies reicht von der Frage der Häufigkeit bis hin zur Bestimmung der Testart. Favorisiert sind PCR-Tests.
Was ist nicht vorgesehen?
Einige bislang bekannte Instrumente zur Eindämmung der Pandemie sollen dem Entwurf zufolge der Vergangenheit angehören. Dazu zählen flächendeckende Lockdowns sowie Schließungen von Schulen, Geschäften und Gastronomie. Allerdings können die Bundesländer durchaus eigene, scharfe Maßnahmen mit der Erklärung einer Notlage verhängen, wie zum Beispiel Bayern im Katastrophenfall.
Pauschale, bundesweite Verbote von Veranstaltungen sind aber ebenso wenig vorgesehen wie Lockdowns für Ungeimpfte. Auch eine Impfpflicht für Pflegekräfte soll es nicht geben. Allerdings gibt es Stimmen in der SPD und bei den Grünen, die eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen gerne noch in das Gesetz aufnehmen würden.
Wann greifen die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes?
Nach der Beratung des Gesetzentwurfes an diesem Donnerstag im Bundestag steht für kommenden Montag eine Anhörung im Hauptausschuss des Bundestages an. Am 18. November soll der Bundestag das Gesetz beschließen, einen Tag später stimmt der Bundesrat darüber ab.
Welche Außenwirkung hat der Gesetzentwurf?
Grundsätzlich bleiben die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bestehen, lediglich die unmittelbaren Zuständigkeiten haben sich verlagert. Allein, die Strategie erscheint in der derzeitigen Situation paradox: Während etwa in Bayern seit diesem Donnerstag aufgrund der „aktuellen besorgniserregenden Situation in der Corona-Pandemie“ der Katastrophenfall gilt, soll die epidemische Lage auslaufen.
Dies stößt vielerorts auf Kritik. So monierte etwa der Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), den Schritt als „das völlig falsche Signal“. Dieses vermittle den Eindruck, die Corona-Lage sei nicht mehr so schlimm.
Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisierte die Ampel-Pläne. Wenn die epidemische Lage ausläuft, werde es „den Ländern nicht mehr möglich sein, von diesen Instrumenten Gebrauch zu machen“, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer.
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Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Parteien hingegen wiesen derlei Behauptungen zurück. So schrieb FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter: „Die ‚epidemische Notlage‘, die wir beenden, ist Rechtsbegriff und keine Beschreibung der Gesundheitsgefahr. Wir schaffen einen effektiveren, rechtssicheren Maßnahmenkatalog. Potenziell verfassungswidrige Maßnahmen aus dem alten Katalog wie Ausgangssperren entfallen.“
Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, bezeichnete die geplanten Maßnahme-Optionen der Länder als „wirksam und rechtssicher“. Demnach könne der ausgearbeitete Katalog erweitert werden.
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Zudem verwies Göring-Eckardt darauf, dass der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bis vor kurzem selbst noch für das Ende der epidemischen Notlage geworben hatte.
Dennoch: Die Stimmung in Politik und Bevölkerung ist aufgeregt. Zumindest kommunikativ erscheint die mitten in den turbulenten Zeitraum der Machttransformation fallende Kompetenzverschiebung als unglücklich.
Aller Voraussicht nach geht das Heft des Handelns in die Obhut der Länder über - schon kommende Woche können sie bei der Bund-Länder-Konferenz den weiteren Kurs in der Corona-Politik bestimmen. (mit Agenturen)
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