zum Hauptinhalt
In Kiew gab es Proteste gegen die Einigung mit Russland.
© Genya Savilov/AFP

Kiew und Moskau billigen „Steinmeier-Formel“: Was die Einigung zwischen der Ukraine und Russland bedeutet

Die Ukraine und Russland verständigen sich auf weitere Schritte im Friedensprozess. Doch der Kompromiss lässt wichtige Fragen offen. Eine Analyse.

Nach Jahren des Stillstands gibt es nun Bewegung im Ukraine-Konflikt: Von „lang erhofften Fortschritten“ spricht der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD). Jetzt stehe die Tür zu einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs offen.

Zuvor hatten Vertreter der Regierungen in Kiew und Moskau der Abfolge weiterer Schritte im Friedensprozess zugestimmt.  Der Gipfel könnte bereits in den kommenden Wochen stattfinden, ein solches Treffen hat es seit 2016 nicht mehr gegeben. In der Ostukraine führen seit 2014 Separatisten und ihre russischen Unterstützer einen Krieg gegen die ukrainische Armee. Anfang September hatte bereits ein Austausch von Gefangenen zwischen der Ukraine und Russland neue Hoffnungen auf Frieden geweckt.

Die Kriegsparteien verständigten sich auf die so genannte „Steinmeier-Formel“. Der heutige Bundespräsident hatte 2016 als Außenminister diesen Vorschlag ins Gespräch gebracht. Dieser sollte dabei helfen, endlich die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen von 2014 und 2015 zu erreichen, die einen Friedensprozess für den Donbass ermöglichen sollen. Bis heute sind die Abkommen, die unter deutscher und französischer Vermittlung ausgehandelt wurden, nicht umgesetzt.

Bisher war Reihenfolge der Schritte im Friedensprozess unklar

Einer der Gründe dafür ist, dass nicht festgelegt wurde, in welcher Reihenfolge die einzelnen Vereinbarungen umgesetzt werden sollten. An dieser Stelle setzt die „Steinmeier-Formel“ an. Sie sieht vor, dass die Separatistengebiete an dem Tag, an dem dort Wahlen im Einklang mit der ukrainischen Verfassung abgehalten werden, einen provisorischen Sonderstatus erhalten sollen. Erst dann, wenn die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Wahlen als frei und fair anerkennt, erhalten die Separatistengebiete einen dauerhaften Sonderstatus.

Offiziell wurde die Einigung am Dienstag in der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk erzielt, der die Ukraine, Russland und die OSZE angehören. Für die Ukraine unterzeichnete der ehemalige Präsident Leonid Kutschma ein entsprechendes Schreiben, für Russland der frühere Innenminister und Ex-Dumapräsident Boris Gryslow. Auch Vertreter der beiden Separatistengebiete billigten die Vereinbarung.

Kritiker in der Ukraine warnen vor zu großen Zugeständnissen

Doch die Entscheidung war eigentlich von den außenpolitischen Beratern von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatschef Emmanuel Macron vorbereitet worden, die sich am 11. September mit ihren Kollegen aus Kiew und Moskau darauf verständigt hatten, der Kontraktgruppe die Annahme der Steinmeier-Formel zu empfehlen. Merkel und Macron planen seit Wochen einen neuen Ukraine-Gipfel, doch Moskau hatte ein Entgegenkommen der Ukraine offenbar zur Bedingung für ein solches Treffen gemacht.

Die Einigung weckt zwar Hoffnungen für den Friedensprozess, ist aber in ihren Details durchaus interpretationsfähig. So bleibt völlig offen, wann die russischen Kämpfer aus dem Donbass abgezogen und wann die Separatisten entwaffnet werden sollen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, die Abstimmung könne nicht „im Schatten von Gewehrläufen“ stattfinden.

Im eigenen Land wird Selenskyi dafür kritisiert, zu große Zugeständnisse an Russland gemacht zu haben. Sein Amtsvorgänger Petro Poroschenko sprach sogar von einer „Putin-Formel“.

Claudia von Salzen

Zur Startseite