Konflikt zwischen Ukraine und Russland: Die Präsidenten reden wieder
Seit fünf Jahren herrscht Krieg in der Ostukraine. In die verhärteten Fronten scheint jetzt wieder Bewegung zu kommen.
Wenigstens reden sie jetzt wieder über den Donbass. Gut die Hälfte der Zeit, in der in der Ost-Ukraine nun schon Krieg herrscht, haben sich die Präsidenten der Ukraine und Russlands angeschwiegen und nicht nach Lösungen gesucht. Faktisch nichts lief auch auf multilateraler Ebene, im „Normandie“-Format, das nach dem Minsker Abkommen 2015 eingerichtet worden war. Die Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs führten zwar immer wieder Einzelgespräche am Telefon, aber einem Ende des Krieges kamen sie keinen Schritt näher.
Am Donnerstag nun telefonierten die Präsidenten Wolodymyr Selenski und Wladimir Putin zum ersten Mal miteinander. Sie sprachen vor allem über Gefangenenaustausch und Erleichterungen für die Zivilbevölkerung, sind also noch sehr weit vom Kern des Konfliktes entfernt. Aber immerhin: Nicht einmal 100 Tage im Amt, hat Selenski bereits etwas in Bewegung gebracht. Denn das Gespräch mit Putin geht unbestreitbar auf seine Initiative zurück.
Anfang Juni hatte der ukrainische Präsident seinem Kollegen in Moskau ein Treffen in Minsk vorgeschlagen. Seine Pläne hatte er fast zeitgleich bei Besuchen in Paris, Brüssel und Berlin vorgestellt. Nicht nur die Teilnehmer des „Normandie“-Formates, sondern auch US-Präsident Donald Trump und die britische Premierministerin Theresa May sollten dabei sein. Seine Botschaft sandte Selenski auf Facebook nach Moskau, mit einer Anspielung, wie sie inzwischen typisch ist für den ehemaligen Comedy-Star. Man müsse doch darüber reden, sagte Selenski, „wem die Krim gehört und wer da nicht im Donbass ist“. Der merkwürdig formulierte Halbsatz über den Donbass ist eine ironische Anspielung, die in der Ukraine wie in Russland jeder sofort versteht. Immer wenn der Kreml beschuldigt wird, er steuere den Krieg der Separatisten gegen die Ukraine, kommt die stereotype Antwort: „Nas tam njet!“ – „Wir sind dort nicht!“ Moskau bestreitet vehement, Kriegspartei zu sein.
Aus dem Moskauer Außenministerium erhielt Selenski eine pikierte Antwort: Auf diese Art – auf Facebook – gehöre sich das einfach nicht. Es gebe doch diplomatische Kanäle, um Gespräche auf höchster Ebene seriös vorzubereiten. Putin selbst jedoch ließ über seinen Sprecher weniger abweisend erklären, man sperre sich nicht gegen neue Formate, welche auch immer. Aber einige Fragen habe man doch. Zum Beispiel, in welcher Funktion denn Frau May eingeladen würde. Premierministerin sei sie bei Gesprächsbeginn wohl kaum noch. Der Start ist aus Moskauer Sicht erst sinnvoll, wenn die Ukraine am 21. Juli das Parlament gewählt habe und die neue Regierung in Kiew voll arbeitsfähig sei. Vor der zweiten Augusthälfte oder Anfang September wird das kaum sein.
Auch an der Konfrontationslinie im Osten der Ukraine bewegt sich derzeit etwas. Dabei zeigt sich, dass Selenski einen Kurswechsel und Kompromisse mit Moskau im eigenen Land gegen erhebliche Widerstände wird durchsetzen müssen. Als die neue Führung in Kiew kürzlich mit den Separatisten eine Feuerpause und einen Rückzug der schweren Waffen an einer Stelle der Frontline vereinbarte, versammelte sich vor dem Präsidentenpalast in Kiew eine Menschenmenge zum Protest – Anhänger von Amtsvorgänger Petro Poroschenko und andere Unzufriedene, die jegliche Zugeständnisse an Moskau ablehnen. Die blicken mit Argwohn auch darauf, dass es bereits einen Gefangenenaustausch gab. Organisiert hatte ihn ein Oppositionspolitiker, der eindeutig die Interessen Moskaus in Kiew vertritt und nun als „Friedensstifter“ Wahlkampf macht.
Die Versicherungen des Kremls, man sei zu Gesprächen bereit, ist das eine. Doch in der Sache ist der Ton aus Moskau noch immer fordernd, schrieb die „Ukrainska Prawda“ kürzlich. Putin will direkte Gespräche mit den Separatisten, was für die Ukraine unannehmbar sei und auch dem Minsker Abkommen widerspreche.