Rechts, radikal, in den Landtag gewählt: Was der Verfassungsschutz über die AfD-Abgeordneten weiß
Im aktuellen Gutachten des Verfassungsschutzes tauchen mehrere AfD-Politiker aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf – darunter auch gewählte Abgeordnete.
Da ist zum Beispiel Emil Sänze. Der AfD-Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg fällt schon seit Längerem durch radikale Äußerungen auf. Im Januar bekam seine Rhetorik militante Züge.
„Diese Merkel-Regierung führt uns in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ruin“, schrieb er bei Facebook zur Corona-Politik. „Die Parlamente werden ausgeschaltet, eine Vertretung der Bürgerrechte findet nicht mehr statt und ein selbsternanntes Gremium der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin errichtet das Regime der Bevormundung.“
Aus Sicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist das eine gefährliche Agitation. Sänze suggeriere „die Notwendigkeit gewaltsamen Widerstands“.
Wie weitere radikal rechte AfD-Politiker wurde Sänze bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg in den Landtag gewählt. Auch in Rheinland-Pfalz ist eine Reihe Personen in den Landtag eingezogen, die das BfV in seinem Gutachten zum „Verdachtsfall“ AfD aufführt – und deren Äußerungen der Nachrichtendienst als Indizien für rechtsextremistische Bestrebungen der AfD sieht.
Diese Personalien kontrastieren die Äußerungen von AfD-Spitzenvertretern am Montag. Parteichef Jörg Meuthen etwa erklärte, er werde an seinem „bürgerlich-freiheitlich-konservativen“ Kurs festhalten. Ähnlich drückten es die AfD-Spitzenkandidaten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg aus, die sich als moderat verstehen.
Merkel mit Hitler verglichen
Auf den ersten Blick scheint die neue AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag nicht ganz so extrem zu sein wie die alte, in der unter anderem der Antisemit Wolfgang Gedeon rumort hatte. Im Gutachten des BfV werden nur vier der 17 neuen Abgeordneten genannt. Bei einem besseren Wahlergebnis wären allerdings deutlich mehr AfD-Leute ins Parlament gelangt, die dem Verfassungsschutz aufgefallen sind.
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Der wiedereingezogene Sänze taucht im Papier des Verfassungsschutzes gleich mehrfach auf. Im Mai 2020 schrieb er bei Facebook zum Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom NS-Regime, „heute will man uns freilich erzählen, die Deutschen mussten von sich selber befreit werden und wussten das damals lediglich deshalb nicht zu schätzen. Wenn einem Volk aber ein derartiges Befreiungsnarrativ brutal in - damals wie heute! - abstoßend deutscher Propagandamanier in den Hals gedrückt werden soll, dann stimmt daran etwas fundamental nicht“.
Zitiert wird auch etwa der wiedergewählte Rainer Balzer auf. Dieser setzte Angela Merkel mit Adolf Hitler gleich. Das BfV zeigt eine Fotomontage, die Balzer im Februar 2020 bei Facebook postete. Oben ist Merkel beim Handschlag mit dem saudischen Politiker Ibrahim Abdulaziz Al-Assaf zu sehen. Direkt darunter zeigte Balzer das Bild vom Handschlag Hitlers mit Reichspräsident Paul von Hindenburg 1933 vor der Garnisonkirche in Potsdam.
Geflüchtete mit Corona verglichen
Auch Spitzenkandidat Bernd Gögel ist im BfV-Gutachten vertreten. Ende Februar 2020 hatte er bei Facebook gegen Geflüchtete gehetzt. Als die „Bild“-Zeitung schrieb, die Türkei wolle Flüchtlinge nicht mehr aufhalten, reagierte Gögel mit der Angstparole, „nach Corona nun die zweite, weit gefährlichere Welle, die sich Richtung Deutschland in Bewegung setzt! Es wird Zeit, diesen Wahnsinn zu stoppen!“
Das BfV sagt, Gögel „entmenschlicht Geflüchtete“ durch den Vergleich mit dem Coronavirus, dem im Februar 2020 schon 3000 Menschen zum Opfer gefallen waren.
Der vierte AfD-Abgeordnete, der im Gutachten des BfV auftaucht, ist Hans-Peter Hörner. Der Neuling im Landtag soll im AfD-Kreisverband Zollernalbkreis gemäßigte Parteimitglieder „an den Rand gedrängt“ haben. Das BfV zitiert aus einem Artikel der Regionalzeitung „Schwarzwälder Bote“, die mit einem AfD-Aussteiger gesprochen hatte. Demnach habe die rechte Strömung „klar die Oberhand im Kreisvorstand gewonnen, mit Hans-Peter Hörner an vorderster Front“.
Auf Anfrage des Tagesspiegels bestritt Hörner den Vorwurf des Aussteigers. Was der gesagt habe, stimme „natürlich nicht“. Der neu gewählte Abgeordnete verwies zudem auf Ungereimtheiten bei dem Aussteiger. Dieser hatte im Internet ein Bild mit einer Bomberjacke gepostet, auf der ein Abzeichen der amerikanischen Rassistenbewegung Ku-Klux-Klan zu sehen war.
Hörner deutet einen Machtkampf mit dem früheren AfD-Mitglied an. Welche Rolle ideologische Fragen spielten, bleibt jedoch offen. Hörner selbst verteidigt Gaulands Spruch, die Nazizeit sei nur ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen.
Zur parteiinternen, vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Vereinigung „Flügel“ zählt sich Hörner im Telefonat mit dem Tagesspiegel nicht, aber er nimmt den „Flügel“-Anführer Björn Höcke gegen Vorwürfe in Schutz. Seine eigene politische Einstellung bringt Hörner auf die Formel, „ich bin kein ,Flügel’, ich kein Gemäßigter, ich bin Mitglied der AfD“.
Verbindungen nach rechtsaußen
In den Landtag von Rheinland-Pfalz wiedergewählt wurde der Abgeordnete Matthias Joa. Dieser hat Artikel geteilt, die zustimmend den Begriff „Umvolkung“ verwendeten. In der rechtsextremen Szene bezeichnet die Vokabel den angeblich planvollen Austausch von einheimischer Bevölkerung gegen Migranten. „Wir werden ausgenommen wie die Weihnachtsgänse, und demographisch unterwandert. All dies geschieht mit Wissen und Wollen der Politik“, erklärte Joa.
Unter der Überschrift „Muslimfeindliche Aussagen und Positionen“ führt das BfV den wiedergewählten Abgeordneten Jan Bollinger auf. Dieser habe im Mai 2020 auf seiner Facebook-Seite einen Beitrag geteilt, in dem es hieß: „Es geht um den Sieg des Islam über Deutschland, um die Unterwerfung von uns Ungläubigen, darum, aus Deutschland ein islamisches Land zu machen.“ Wer in der Demokratie schlafe, wache „im Kalifat“ wieder auf.
Das BfV sieht auch Indizien für Verbindungen zu Organisationen im rechtsextremistischen Spektrum. So habe die wiedergewählte Abgeordnete Iris Nieland 2020 auf Facebook einen Beitrag des ebenfalls wieder in den Landtag gewählten AfD-Manns Damian Lohr geteilt, der wiederum auf einen Bericht der Website von „Ein Prozent“ verwiesen habe. „Ein Prozent“ ist ein Verein zur Vernetzung von Initiativen, den der Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft.
Nieland habe zudem ihre unterstützende Haltung für das ebenfalls beobachtete „Institut für Staatspolitik“ des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek zum Ausdruck gebracht. Das BfV listet außerdem Hinweise auf, dass ein weiterer Abgeordneter unter Pseudonym für eine NPD-Publikation geschrieben haben soll.