Verfassungsschutz beobachtet ganze AfD: Meuthen ist mit seinem Kurs gegen die Radikalen gescheitert
Der Parteichef versuchte die Beobachtung zu verhindern, doch viele in der AfD wollen keine Mäßigung. Die Einstufung als Verdachtsfall ist richtig. Ein Kommentar.
Es ist ein Paukenschlag: Die AfD gilt jetzt als rechtsextremer Verdachtsfall. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird eine Partei, die in allen Landesparlamenten und im Bundestag sitzt, in Gänze vom Verfassungsschutz beobachtet. Am Mittwoch teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Entscheidung den Landesbehörden mit.
Für den Verfassungsschutz ist der Schritt nicht ohne Risiko. Es ist Superwahljahr: sechs Landtagswahlen und die Bundestagswahl stehen an. Die AfD wird alles tun, um den Schritt als politisch motiviert hinzustellen und als Versuch, einer Oppositionspartei zu schaden. Auch vor Gericht wird sie sich gegen die Entscheidung wehren. Wäre sie damit erfolgreich, wär das für den Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium ein Desaster.
Doch der Schritt, die AfD in Gänze als Verdachtsfall zu behandeln, ist richtig – auch wenn Wahljahr ist. Parteichef Jörg Meuthen ist mit seinem vor zwei Jahren eingeschlagenen Kurs der Mäßigung gescheitert. Im März 2020 wurde der „Flügel“ um Björn Höcke vom Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt eingestuft. Meuthen wirkte zwar darauf hin, dass sich der „Flügel“ selbst auflöst und drängte unter anderem den „Flügel“-Strippenzieher Andreas Kalbitz aus der Partei.
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Doch die Aufräumaktion hatte nicht zur Folge, dass die extremistische Strömung verschwunden ist. Sie hat sich nur vermischt mit dem Rest der Partei, ist weniger gut zu erkennen. In Abstimmungen bekommt Meuthen immer wieder zu spüren, wie groß der Unmut gegen seinen Kurs ist.
Viele in der AfD haben kein Interesse an Mäßigung
Viele in der AfD haben kein Interesse an Mäßigung. Sie glauben, dass die AfD genau so richtig ist, wie sie ist. Und das ist das Problem. Denn die AfD ist eine Partei, die ihre Anwesenheit in den Parlamenten nutzt für den Versuch, die Demokratie von innen heraus zu untergraben. So probiert sie immer wieder, das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse zu zerstören und parlamentarische Institutionen verächtlich zu machen. Nun will sie sogar die Briefwahl mit Wahlbetrug in Verbindung bringen.
Die AfD ist eine Partei, die zahlreiche Kontakte pflegt mit der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene. Besonders gut ist das in Brandenburg zu beobachten. Dort sitzt der Vorsitzende des rechtsextremen Vereins „Zukunft Heimat“ für die AfD im Landtag und ist sogar Fraktionsvorsitzender.
Die AfD ist eine Partei, die Hass auf Minderheiten schürt und dazu beiträgt, dass sich Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland nicht mehr zugehörig fühlen. Ihre Islamfeindschaft ist offenkundig. Einprägsam ist ein Zitat, des AfD-Landesvizechefs in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider. Er sagte über den Islam: „In Westeuropa, in unseren kranken Gesellschaften, kann er sich einnisten, kann seine Parallelgesellschaften bilden, die wie ein Baumpilz am Stamm der deutschen Eiche wuchern“.
Opportunisten banden Extremisten ein
Natürlich gehört zur Wahrheit, dass die Rechtsextremisten nur einen Teil der Funktionäre in der AfD ausmachen. Diese wurden aber jahrelang geduldet, konnten sich ausbreiten, wurden eingebunden – von opportunistischen Machtpolitikern in der AfD, die sich davon einen Vorteil versprachen. Zum Teil wurden auch bewusst Rechtsextremisten in die Partei aufgenommen, weil sich etwa vom „Flügel“ dominierte Kreisverbände davon einen Vorteil erhofften. Diese Entwicklung lässt sich nicht mehr umkehren.
Jetzt beobachtet der Verfassungsschutz die AfD. Er kann Telefone abhören, auf V-Männer zurückgreifen, observieren. Nur so lässt sich feststellen, wie weit die verfassungsfeindlichen Bestrebungen in der Partei wirklich um sich gegriffen haben. Wie viel die Extremisten in der Partei wirklich zu sagen haben. Am Ende wird die AfD womöglich nochmal hochgestuft – zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung.