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Bekämpfung von Fluchtursachen: Warum Merkels Migrationspolitik von Wahlen in Afrika abhängt

In Nigeria, Senegal und Algerien stehen in diesem Jahr wichtige Abstimmungen an. Daran entscheidet sich, ob die Afrika-Strategie der Bundeskanzlerin aufgeht.

In Afrika ist fast jedes Jahr ein Superwahljahr. 55 Staaten zählt der Kontinent. Da wird immer irgendwo gewählt. In diesem Jahr sind es mindestens 20 Länder, in denen neue Präsidenten, Gouverneure, Nationalparlamente oder Kommunalräte bestimmt werden.  

Aus deutscher Sicht sind besonders drei Urnengänge interessant: die Präsidentschaftswahlen in Nigeria, Senegal und Algerien. Die drei Staaten sind wichtige Verbündete Deutschlands. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Afrika-Politik der Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will, dass die drei Partnerstaaten ihr beim Kampf gegen die Migration helfen. Ob ihre Strategie aufgeht, ist allerdings fraglich.

Nigeria: zwischen Armut und Terror

Aus Nigeria, wo am 16. Februar Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden, fliehen besonders viele Menschen nach Europa. Zehntausende sind es jährlich. In einer Umfrage des amerikanischen PEW-Instituts aus dem Jahr 2017 gaben zwei Drittel an, sie würden Nigeria am liebsten verlassen. Inzwischen machen Nigerianer die größte Gruppe aller Flüchtlinge aus, die sich durch Libyen über die „zentrale Mittelmeerroute“ nach Europa aufmachen.

Fast 10.000 stellten 2018 in Deutschland einen Asylantrag, obwohl sie rechtlich kaum Aussicht auf Schutz haben. Sie fliehen vor allem vor der Armut in ihrer Heimat, aber auch vor Gewalt. Die könnte nun eskalieren, fürchten Experten.

Seit dem friedlichen Machtwechsel im Jahr 2015, als Muhammadu Buhari (76) zum Präsidenten gewählt wurde, habe die Spannung in Nigeria zugenommen, heißt es in einem Bericht des „United States Institute of Peace“.

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari.
Nigerias Präsident Muhammadu Buhari.
© REUTERS

Vor allem innerhalb der Regierungspartei APC rivalisieren verschiedene Gruppen. Dass sich seit Jahren an der Armut im Land nichts ändert – die Hälfte der rund 190 Millionen Nigerianer lebt von weniger als zwei Dollar am Tag –, schafft zusätzliche Konflikte. Vielerorts bekämpfen sich Viehzüchter und Ackerbauern. Die ethnischen Spannungen sind hoch. Dazu wüten im Norden des Landes die Islamisten von der Terror-Organisation „Boko Haram“. Keine guten Voraussetzungen für die Wahlen im Februar.

Die Bundesregierung wird die Situation sicherlich genau beobachten – denn von der Lage in Nigeria hängt ab, ob Merkels Plan für das Land aufgeht. Der rohstoffreiche Staat ist der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands südlich der Sahara. Merkel will die Zusammenarbeit künftig ausbauen. Ihr Ziel: die Bekämpfung von Fluchtursachen.

Merkel will vor Ort "Perspektiven schaffen"

Die Kanzlerin will dafür sorgen, dass weniger Menschen aus Nigeria fliehen. So soll einheimischen Bauern künftig mit Krediten geholfen werden. Deutsche Firmen sollen vor Ort investieren. Bei einem Besuch im August 2018 sagte Merkel: „Wir müssen hier für die Bevölkerung Perspektiven schaffen.“ Das dürfte aber schwierig werden, sollte die Gewalt vor den nigerianischen Wahlen im Februar eskalieren.

Bei ihrer Afrika-Reise im Sommer 2018 besuchte Merkel auch den Senegal. Dort will der 57 Jahre alte Präsident Macky Sall am 24. Februar wiedergewählt werden. Seine Chancen stehen gut, vor allem, weil sein aussichtsreichster Herausforderer – sein Namensvetter Khalifa Sall – im Gefängnis sitzt. Offiziell wegen Korruption, die Opposition hält das aber für politisch motiviert. Vorwürfe mangelnder Rechtstaatlichkeit weist der Präsident zurück. Dennoch sehen manche die senegalesische Vorzeige-Demokratie in Gefahr. Am 21. Januar will der Verfassungsrat über die endgültige Kandidatenliste entscheiden.

Senegals Staatschef Macky Sall.
Senegals Staatschef Macky Sall.
© Yoan Valat//REUTERS

Dass Präsident Sall im Februar wahrscheinlich wiedergewählt wird, liegt im Interesse der Bundesregierung. Bei Merkels Besuch vor einem halben Jahr bot er sich als Partner im Kampf gegen Schlepper und Schleuser an. „Wir wollen gegen illegale Migration kämpfen“, versprach Sall. Das sei eine „Frage der Würde Afrikas“.

Der Senegal ist in der Region stark engagiert, etwa mit 1100 Soldaten für die Friedensmission der Vereinten Nationen im umkämpften Nachbarland Mali, einem „Transitstaat“ für viele auf dem Weg nach Europa. Die Bundesregierung schätzt Salls Wille, in Westafrika für Stabilität zu sorgen – und so möglicherweise die Migration einzuschränken.

Doch gerade Salls Land selbst wollen viele Menschen so schnell wie möglich verlassen. Laut PEW-Institut plant jeder dritte Senegalese, innerhalb der nächsten fünf Jahre auszuwandern. Zwar liegt das Wirtschaftswachstum bei mehr als sechs Prozent. Doch Jobs für junge Menschen bleiben rar. Kritiker sehen die Schuld auch bei Sall, der seit 2012 regiert. Bleibt die Frage, ob Sall Merkels Kampf gegen die Migration aus Afrika wirklich unterstützen kann.

Berlin setzt auf den Transitstaat Algerien

Ein verlässlicher Partner der Kanzlerin ist Algeriens Präsident Abd al-Aziz Bouteflika. Der 81-Jährige ist seit 20 Jahren im Amt – und stellt sich im April ein sechstes Mal zur Wahl. Aus Sicht der Bundesregierung ist das gut so. Denn „Boutef“, wie der Präsident kurz genannt wird, ist ein enger Verbündeter Berlins. Er gilt als Garant für Stabilität und Ordnung, innen- wie außenpolitisch.

Unterstützer von Algeriens Präsident Abd al-Aziz Bouteflika bei einer Demonstration in Tunis vor der Wahl 2014.
Unterstützer von Algeriens Präsident Abd al-Aziz Bouteflika bei einer Demonstration in Tunis vor der Wahl 2014.
© Zoubeir Souissi/REUTERS

Algerien ist ein klassisches Transitland für Migranten aus dem Süden – und steht deswegen im Fokus der Bundesregierung. Es liegt zwischen Marokko und Libyen, von wo viele Flüchtlinge mit dem Boot nach Europa aufbrechen. In jüngster Zeit ging die algerische Regierung laut UNHCR rabiat gegen Migranten vor, ließ einige sogar in der Wüste aussetzen. Generell ist die Menschenrechtslage in dem Land schwierig.

Berlin setzt dennoch auf Algier, wenn es darum geht, Migranten an der Weiterreise nach Europa zu hindern.

Im Herbst 2017 besuchte Merkel Boutelflika, um das Thema zu besprechen. Sie traf auf einen gebrechlichen Mann. Der Präsident ist schwer krank, seit 2013 an einen Rollstuhl gefesselt. Öffentliche Auftritte meidet er.

Schon mehrfach gab es Gerüchte, der greise Präsident sei tot. Unklar ist, wie lange es ihm seine körperliche Verfassung noch erlaubt, im Amt zu bleiben – auch, wenn er wie erwartet die Wahl im April gewinnt. Sollte er sterben, könnte das innenpolitische Machtgefüge aus Regierung, Militär und Geheimdienst ins Wanken geraten. Im Kampf gegen die Migration hätte Merkel dann wohl einen verlässlichen Partner weniger. Für ihre Afrika-Strategie wäre das schlecht.

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