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Partystimmung in Kano. Auf den Straßen feierten Tausende den Erfolg ihres Favoriten Muhammadu Buhari. Auch diese drei jungen Männer auf einem Motorrad waren kaum noch zu halten.
© Goran Tomasevic/Reuters
Update

Nach der Präsidentschaftswahl: Machtwechsel in Nigeria

Der Oppositionsführer Muhammadu Buhari gewinnt die Präsidentenwahl gegen Goodluck Jonathan, der seinem Nachfolger gratulierte und seine Anhänger aufrief, den Wahlausgang friedlich zu akzeptieren.

Der künftige Präsident Nigerias, Muhammadu Buhari, hat das Wahlergebnis am Mittwoch in Abuja als "historischen Moment" und Beweis für die demokratische Entwicklung seines Landes bezeichnet. "Wir haben den Einparteienstaat hinter uns gelassen", sagte er. In seiner Rede, die im Fernsehen übertragen wurde, nahm er die Wahl an und versprach den "Wandel", den er im Wahlkampf angekündigt hatte. Buhari würdigte den scheidenden Präsidenten Goodluck Jonathan als würdigen Gegner, der den Wahlausgang akzeptiert habe.

Er werde in sein Dorf zurückkehren, sagte Nigerias Präsident Goodluck Jonathan vor der Wahl auf die Frage, was er vorhabe, wenn er verliere. Aber, fügte er im BBC-Interview vor wenigen Tagen noch hinzu: „Ich werde nicht verlieren.“ Doch nun ist genau das passiert. Herausforderer Muhammadu Buhari hat die Wahl gewonnen. Am frühen Abend berichtete ein Funktionär der Oppositionspartei APC, Jonathan habe den 72-jährigen ehemaligen Militärdiktator angerufen und ihm zum Wahlsieg gratuliert. In der Nacht rief Jonathan seine Anhänger auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren. "Ich habe eine faire Wahl versprochen", sagte er. "Ich habe Wort gehalten." Er fügte hinzu: "Der Ehrgeiz eines einzelnen ist nie das Blut auch nur eines Nigerianers wert."

Zwei Tage lange stand Nigeria fast komplett still. Überall klebten die Menschen an ihren Radios oder saßen in großen Gruppen vor Fernsehern, während die Wahlkommission Inec die Wahlergebnisse aus den 36 Bundesstaaten verkündete. Schon früh zeichnete sich eine Führung für Buhari ab. Nachdem die Ergebnisse aus dem nordöstlichen Bundesstaat Borno, wo die islamistische Miliz Boko Haram seit 2009 wütet, verkündet waren, gab es keinen Zweifel mehr: Muhammadu Buhari hat im ersten Wahlgang die Präsidentschaft erobert. Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur 1999 hat ein Oppositionsführer einen amtierenden Präsidenten an der Urne besiegt. In Borno erzielte Buhari mit 94 Prozent der abgegebenen Stimmen ein sensationelles Ergebnis.

Sechs Wochen später als geplant ist die Präsidentenwahl am Samstag und Sonntag über die Bühne gegangen. Jonathan hatte sich und der Armee eine sechswöchige Verlängerung genehmigt, um mit einer Militäroffensive gegen Boko Haram zu punkten. Zu diesem Zeitpunkt war Buharis Kampagnenkasse endgültig geplündert, während Jonathan noch einmal sechs Wochen lang intensiv Wahlkampf betrieb. Es hat ihm nichts mehr genützt.

„Für mich ist das ein historischer Moment“, sagte der Wahlsieger Muhammadu Buhari am Mittwoch in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. „Wir haben den Einparteienstaat hinter uns gelassen.“ Der 72-Jährige war mit einem Vorsprung von 2,6 Millionen Stimmen bei der Präsidentenwahl am Wochenende gewählt worden. Der amtierende Präsident Goodluck Jonathan hatte schon in der Nacht zum Mittwoch seine Niederlage eingestanden.
„Für mich ist das ein historischer Moment“, sagte der Wahlsieger Muhammadu Buhari am Mittwoch in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. „Wir haben den Einparteienstaat hinter uns gelassen.“ Der 72-Jährige war mit einem Vorsprung von 2,6 Millionen Stimmen bei der Präsidentenwahl am Wochenende gewählt worden. Der amtierende Präsident Goodluck Jonathan hatte schon in der Nacht zum Mittwoch seine Niederlage eingestanden.
© AFP

Die Wahlkommission unter ihrem Vorsitzenden Attahiru Jega hatte die Wahl alles in allem gut im Griff. Außer im südnigerianischen Bundesstaat Rivers gab es nur kleinere Unregelmäßigkeiten. Und die Probleme in Rivers schätzte Jega am Dienstag ebenfalls als „nicht gravierend genug“ ein, um die Wahl zu annullieren und Neuwahlen anzusetzen. In Rivers lag Jonathan deutlich vorne. Am Montag hatte Inec eine Erkundungsmission in den Bundesstaat geschickt, um den Manipulationsvorwürfen nachzugehen. Dort war es am Montag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Präsidenten und seines Herausforderers gekommen. Daraufhin wurde eine nächtliche Ausgangssperre erlassen.

Im Norden Nigerias begann die Party schon Stunden bevor die letzten Wahlergebnisse vorlagen. Nachdem Buhari im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Lagos im Südwesten des Landes gewonnen hatte, sahen sich viele Anhänger bereits am Ziel. Jonathan und Buhari haben in der Woche vor der Wahl noch einmal eine Vereinbarung unterzeichnet, dass sie den Wahlausgang anerkennen würden. Jonathan will sich offenbar auch tatsächlich daran halten. Trotzdem ist mit Konflikten zu rechnen. Die Anhängerschaft beider Politiker sieht sich nämlich nicht an den Pakt gebunden. Vor allem im Nigerdelta, der Ölförderregion, sind Probleme zu erwarten.

Ein fast unmöglicher Auftrag

Die Erwartungen an Buhari, der seinen Wahlkampf mit dem Wort Wandel überschrieben hatte, sind sehr groß. Selbst wenn er 1983 bis 1985, als er sich schon einmal an die Macht geputscht hatte, ein guter Präsident gewesen wäre, bevor er selbst durch einen weiteren Militärputsch aus dem Amt gejagt wurde, hätte er alle Hände voll zu tun. Doch seine Regierungsbilanz ist dürftig. Und insbesondere an seiner Wirtschaftskompetenz zweifeln viele - selbst in Nigeria.

Dass Buhari mit dieser Vorgeschichte überhaupt die Wahl gewinnen konnte, dürfte vor allem eine Folge der in Nigeria tief verankerten Korruption sein. Für ihr Ausmaß wird von vielen Wählern vor allem die lange regierende PDP verantwortlich gemacht, die mit Goodluck Jonathan an der Spitze in den Wahlkampf gezogen war. Seit 16 Jahren dominiert die PDP das Land, ohne dass Nigeria in irgendeiner Weise von einem enormen Ölreichtum profitiert hätte. Daneben hatte Jonathan viel Sympathie verloren, weil er in den fünf Jahren seiner Regierungszeit wenig bis nichts gegen die Islamistenmiliz Boko Haram unternommen hatte. Mehr als 20 000 Menschen starben durch die Terrorgruppe, Hunderte wurden verschleppt und mehr als 1,5 Millionen Menschen sind im Nordosten Nigerias und in den Nachbarländern auf der Flucht. Boko Haram geriet erst während der Militäroffensive der vergangenen sechs Wochen, die von der Armee des Nachbarlandes Tschad sowie südafrikanischen und ukrainischen Söldnern unterstüzt wurde, in die Defensive.

Der Absturz des Ölpreises

Der Absturz des Ölpreises hat das Land, dessen Staatseinnahmen noch immer zu 75 Prozent von seinem einen Rohstoff abhängen, hart getroffen. Als Reaktion darauf und das immer größere Staatsdefizit ist der Naira, die Währung des Landes, in den vergangenen Monaten um fast ein Drittel gefallen. Viele Infrastrukturprojekte, deren Umsetzung dringend nötig wäre, liegen auf Eis. Die Ausgaben für den Straßenbau sind nur och minimal.

Mit dem Verfall des Ölpreises hat sich auch das in den vergangenen fünf Jahren vergleichsweise hohe Wachstum von durchschnittlich 6,5 Prozent pro Jahr stark reduziert. Der Internationale Währungsfonds rechnet für dieses Jahr mit nur noch 4,8 Prozent. Dies ist viel zu wenig, um die Armut unter Nigerias mindestens 170 Millionen Einwohnern nennenswert zu verringern. Mehr als 130 Millionen Menschen leben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag und damit unter der von den Vereinten Nationen definierten Grenze zur absoluten Armut. Alleine die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 65 Prozent. Dreiviertel der Nigerianer sind jünger als 35 Jahre alt.

Eigentlich wäre der rapide Preisverfall des Öls eine goldene Gelegenheit für Nigeria gewesen, die ganz auf den Ölsektor ausgerichtete Wirtschaft des Landes auf eine breitere Grundlage zu stellen. Doch davon ist wenig zu sehen. Auf der einen Seite produziert Nigeria heute mit rund zwei Millionen Barrel mehr Öl als jedes andere afrikanische Land am Tag. Auf der anderen Seite befinden sich seine Raffinerien in einem derart maroden Zustand, dass der weltweit achtgrößte Ölproduzent auf massive Benzineinfuhren angewiesen ist.

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