Bundeswehr und die Bahn: Warum Kramp-Karrenbauer Gratisfahrten für die Truppe durchsetzen muss
Die Verteidigungsministerin will, dass Soldaten umsonst mit dem Zug fahren. Die Bahn stellt sich quer. Ein Scheitern des Vorhabens wäre fatal. Ein Kommentar.
Hat Annegret Kramp- Karrenbauer die Sache nicht bis zu Ende gedacht? Bundeswehrsoldaten in Uniform mit der Bahn gratis zwischen Dienst- und Wohnort fahren zu lassen – das war einer der wichtigsten Punkte in ihrer ersten Regierungserklärung als neue Verteidigungsministerin, ihre große Mission für die Truppe. Um Anerkennung zu zeigen und Wertschätzung. Doch die Bahn versucht nun, das Projekt aufs Abstellgleis zu schieben. Aber was, wenn es nicht kommt? Dann wird Kramp-Karrenbauer ihr Scheitern in einer Weise vorgeworfen, deren Folgen sie sich heute schon ausmalen kann.
Einmal gilt das für ihre Stellung in der Bundeswehr, zusätzlich aber in der CDU, ihrer Partei, die sowieso mit der – auch auf diesem Posten immer noch neuen – Vorsitzenden hadert. Das erinnert an einen Satz des Alten Fritz: Ein großer General braucht auch Fortüne. AKK hat bisher alles, bloß Fortüne nicht. Doch will sie das Glück wohl zwingen. Die Ministerin hat ihre Vorstellungen darum noch einmal unterstrichen. Sie glaube, sagte AKK, das „Minimum“, was Soldaten erwarten dürften, sei es, die Bahn frei nutzen zu können. Ein gewagter weiterer Vorstoß.
Das Minimum, das nun alle Betroffenen erwarten können, ist eine genaue Berechnung der Kosten und Kapazitäten. Eigentlich geschieht das ja, bevor ein solcher Vorschlag in Öffentlichkeit gelangt; aber dann eben jetzt, und umso genauer. Denn die Bahn will bisher Soldaten nur in nicht besonders ausgelasteten Zügen transportieren, für die es üblicherweise stark rabattierte Sparpreis-Tickets gibt. Dazu behauptet sie, dass ein eigenes Buchungssystem für die Bundeswehr programmiert werden müsste. Was Jahre kostet und 26 Millionen Euro, zuzüglich zu den von der Bahn veranschlagten 38 Millionen Euro jährlich für die Fahrten der Soldaten.
Hunderttausende Freifahrten pro Jahr
Gerechnet wird mit 400 000 bis 800 000 Freifahrten im Jahr. Hinzu kommen müssten übrigens Verabredungen mit privaten Betreibern von Bahnen, unter anderem auf Nebenstrecken. Wer hat das eigentlich auf dem Radar, und wer überzeugt diese dann?
Immerhin stellt sich der sozialdemokratische Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, an Kramp-Karrenbauers Seite, um das Projekt durchzukämpfen. Bartels fasst gerade den Bahnvorstand – im übertragenen Sinn – am Portepee und warnt vor Kleinlichkeit. Für ihn ist klar: Ein symbolischer Kostenbeitrag aus dem Verteidigungshaushalt sollte reichen, erst recht, weil der Bund „schließlich schon zig Milliarden für den Ausbau des Schienennetzes“ zahlt. Wer hört da die leise Drohung nicht? Das Parlament kann durchaus Druck machen auf einen Konzern, der zu 100 Prozent dem Staat gehört.
Dabei ist die ganz grundsätzliche Frage noch nicht einmal gestellt worden: ob nicht alle Uniformträger – in Armee, Polizei, Feuerwehr, THW, Rettungsdienst – gratis fahren sollten. Nicht alle setzen wie Soldaten ihr Leben für die Demokratie ein; aber immerhin geben alle einen Teil ihres Lebens für das Funktionieren des demokratischen Gemeinwesens. Das ist allerdings noch einmal eine Debatte von ganz anderem Kaliber. Eine für eine Kanzlerin. Die AKK aber auch erst einmal werden muss.