Posten mit hohem Risiko: Und plötzlich sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer im Kabinett
Damit hatte kaum jemand gerechnet: Weil Jens Spahn nicht will, muss die CDU-Chefin die Nachfolge Ursula von der Leyens im Verteidigungsministerium antreten.
Die Sensation kommt am späten Abend. Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses aus Straßburg läuft die Spekulationsmaschine in Berlin heiß. Wer wird neuer Verteidigungsminister, wer folgt Ursula von der Leyen, der neuen EU-Kommissionspräsidentin, nach? Der scheidende Chefredakteur der Rheinischen Post, Michael Bröker, twittert um 20.05 Uhr „++Eil++“: Jens Spahn werde neuer Verteidigungsminister, die bisherige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, soll Nachfolgerin im Gesundheitsressort werden.
Doch dem Tagesspiegel wird diese Information nicht bestätigt, das sei „falsch“. Es scheint hinter den Kulissen gehörigen Druck zu geben auf Spahn, es zu machen.
Doch aus einem Amt, wo er sich mit rigorosem Vorgehen viel Respekt erarbeitet hat, wo er seinen Ruf als Macher mehren konnte, in das hoch komplizierte, wenig erfolgversprechende Amt des Verteidigungsministers wechseln? Zumal da noch mit der Berateraffäre um fragwürdige Auftragsvergaben im hohen Millionenbereich gerade ein Untersuchungsausschuss läuft.
Spahn scheint sich zu sträuben und um 21.30 Uhr gibt es dann eine Wendung, mit der so fast niemand gerechnet hat. „CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird überraschend neue Verteidigungsministerin", meldet die Deutsche Presse-Agentur. Das Problem für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war vor allem folgendes: Wenn es zu keiner Rochade mit Spahn und Widmann-Mauz kommt, dann braucht es unbedingt eine Frau als Nachfolgerin im Bendlerblock, weil sonst der Frauen-Anteil im Kabinett auf sechs Frauen zu zehn Männern gesunken wäre. Ein komisches Signal wäre das gewesen, wo doch gerade mit Ursula von der Leyen eine Frau an die Spitze der EU-Kommission gewählt worden ist, die angekündigt hat, dass sie ihre Regierung, die EU-Kommission 50:50 mit Männern und Frauen besetzen will.
Annegret Kramp-Karrenbauer setzt alles auf eine Karte
Bisher hatte es immer geheißen, Kramp-Karrenbauer (56) wolle nicht ins Kabinett von Kanzlerin Merkel gehen, sondern sich auf die Aufgabe als CDU-Chefin konzentrieren. Denn nun könnte ihr zum einen die nötige Beinfreiheit fehlen, zum anderen hat sie schon bei der CDU genug Baustellen. Nun erbt sie noch eine richtig große dazu. Und wird viel weniger Zeit für die Partei haben, die sich in einem Umbruchprozess findet, zudem gibt es Flügelkonflikte zwischen konservativen und liberalen Strömungen. Entweder diese Operation geht schief oder Kramp-Karrenbauer kann sich so profilieren, dass sie weiter als mögliche Nachfolgerin von Merkel im Kanzleramt gilt. Sie setzt so alles auf eine Karte, wie von der Leyen es tat, als sie sich für den Posten in Europa entschied.
Somit nimmt Merkel zu ihrem 65. Geburtstag ihre Wunschnachfolgerin als Kanzlerin plötzlich in ihre Regierungsmannschaft auf. Merkel hatte Stunden zuvor bereits angekündigt, die wichtige Funktion könne man nicht unbesetzt lassen.
Es werde eine sehr schnelle Neubesetzung geben. „Das Bundesverteidigungsministerium, der Verteidigungsminister oder die Ministerin, sind Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt“, betonte sie. „Das kann man nicht lange offen lassen.“ Kramp-Karrenbauer hat bisher kaum internationale, geschweige denn verteidigungspolitische Erfahrung. Das Beschaffungswesen muss reformiert werden, damit nicht weiter so viel Gerät kaputt herumsteht. Die Gorch-Fock-Sanierung ist aus dem Ruder gelaufen, die Soldaten fordern deutlich mehr Wertschätzung.
Am Mittwoch wird es eine denkwürdige Kabinettssitzung geben. Spahn hat mehrere Gesetzesvorlagen zur Abstimmung vorgegelegt, für mehr Schutz gegen Masern und bessere Impfprävention, zudem will er Rabatte bei Online-Apotheken ins Visier nehmen. Aber die Show wird ihm am Mittwoch wohl die stehlen, die ihn beim Rennen um den CDU-Vorsitz geschlagen hat. Doch Spahn und auch Friedrich Merz dürften genau schauen, wie sich Kramp-Karrenbauer schlägt.