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Passanten tragen Schutzmasken und gehen durch China Town von Yokohama, Japan.
© Koji Sasahara/AP/dpa

Erst Vorreiter, dann abgehängt?: Warum Japan, Südkorea und Taiwan so spät mit dem Impfen starten

Japan, Südkorea und Taiwan glänzen nach wie vor mit niedrigen Corona-Kennzahlen. Doch mit den Impfungen kommen sie nur schleppend voran. Woran liegt das?

Massentests, digitale Nachverfolgung und Abschottung: Japan, Südkorea und Taiwan zählten zu den Vorreitern in der Eindämmung des Coronavirus - doch während weltweit die Impfkampagnen anlaufen, wird es still um sie. Die drei asiatischen Länder können zwar nach wie vor im internationalen Vergleich mit ihren Corona-Kennzahlen glänzen: In Japan liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 8, in Südkorea bei 6, und in Taiwan gar bei 0,01.

Doch bei den Impfprogrammen der Länder sieht das anders aus - in den Übersichtslisten der weltweiten Impfungen tauchen die einstigen Pioniere im Corona-Kampf nicht auf. Denn die Kampagnen kommen nur schleppend voran.

Japan hat erst am Mittwoch damit begonnen, die Bevölkerung zu immunisieren - mehr als 1,5 Monate nachdem in Deutschland die ersten Impfungen verabreicht wurden. Zuerst soll rund 20.000 Beschäftigten im medizinischen Bereich das Vakzin verabreicht werden, die sich bereit erklärt hatten, an einer Studie über mögliche Nebenwirkungen teilzunehmen.

Weitere 3,7 Millionen Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen sollen die Impfung im März erhalten. Von April an sollen rund 36 Millionen Bürger:innen über 65 Jahre an die Reihe kommen. Für den Rest der Bevölkerung wurde der Impfplan noch nicht fertig erstellt. Japan mit seinen 126 Millionen Einwohnern ist das letzte der G7-Länder, das mit Impfungen gegen das Coronavirus beginnt.

Grund dafür ist auch eine hohe Skepsis in der Bevölkerung. Kunishima Hiroyuki, Professor an der St. Marianna Medical University und Direktor des dortigen Zentrums für Infektionskrankheiten, zufolge sind Japaner:innen prinzipiell vorsichtig, was die Sicherheit von Impfstoffen betrifft.

Verunsicherung herrscht in der Corona-Pandemie auch, weil es sich bei den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna um eine neue Art von mRNA-Impfstoffen handelt. Da nur ein geringer Anteil der klinischen Versuchspersonen Asiaten waren, hat Biontech/Pfizer ab Oktober klinische Studien mit 160 Japaner:innen durchgeführt. Der Antrag auf Genehmigung zur Herstellung und zum Verkauf wurde in Japan am 18. Dezember eingereicht. Tokio erteilte die Zulassung erst, nachdem die Daten aus den inländischen Studien Mitte Januar vorlagen. Die Hersteller Moderna und Astrazeneca führten vor der Zulassung ebenfalls kleine klinische Studien im Land durch.

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In Japan sind die Erinnerungen an die Berichte über Nebenwirkungen einer Gebärmutterhalskrebs-Impfung im Jahr 2013 bei vielen Menschen noch frisch. Die Regierung hatte die Impfung damals mit einem nationales Programm gefördert. Kurz darauf folgten Berichte über schwere Nebenwirkungen; Falschmeldungen, wie sich später herausstellte. Doch die Unsicherheit in der Bevölkerung ist geblieben.

Nur 20 Prozent der Japaner:innen würden sich direkt impfen lassen

Einer Umfrage der japanischen Zeitung „Asahi Shimbun“ zufolge, die am 25. Januar veröffentlicht wurde, würden nur rund 21 Prozent der Japaner:innen sich impfen lassen, wenn ein Impfstoff kostenlos zur Verfügung stehen würde. 70 Prozent würden hingegen erst einmal warten; 8 Prozent wollen gar nicht geimpft werden.

„Die Engpässe werden wirklich auf der Nachfrageseite liegen“, zitiert die „New York Times“ den Direktor des Duke Global Health Innovation Center, Krishna Udayakumar. „Können wir die Menschen tatsächlich davon überzeugen, den Impfstoff anzunehmen, und können wir die Implementierung schnell genug durchführen, um eine Herdenimmunität durch Impfungen zu erreichen?“, fragt der Wissenschaftler kritisch.

Ministerpräsident Yoshihide Suga stand zuletzt wegen seines Krisenmanagements in der Corona-Pandemie schwer in der Kritik.
Ministerpräsident Yoshihide Suga stand zuletzt wegen seines Krisenmanagements in der Corona-Pandemie schwer in der Kritik.
© ---/kyodo/dpa

Dabei steht Japan unter Druck. Am 23. Juli - also in rund fünf Monaten - beginnen die Olympischen Spiele in Tokio. Wegen der Corona-Pandemie wurden die Sommerspiele bereits um ein Jahr verschoben. Ein Jahr später hat sich die Lage in vielen Staaten weltweit mit der zweiten Welle dramatisch zugespitzt. Doch die Regierung in Tokio will weiter an den Spielen im Juli und August festhalten. Auch, wenn eine Herdenimmunität in der eigenen Bevölkerung bis dahin höchstwahrscheinlich nicht erreicht wird.

Die Organisatoren wollen Athleten und andere Teilnehmer der Veranstaltung dazu ermutigen, sich vor den Wettkämpfen gegen das Coronavirus impfen zu lassen, eine Pflicht ist aber nicht geplant.

Südkorea startet voraussichtlich am 26. Februar mit Impfungen

In Südkorea soll das Impfprogramm noch etwas später als in Japan beginnen - angesetzt ist der 26. Februar. Als erster Corona-Impfstoff wurde das Astrazeneca-Vakzin zugelassen. Allerdings unter der Bedingung, dass der Hersteller die Ergebnisse der letzten und entscheidenden klinischen Phase-3-Studie vorlegt, die derzeit noch in den USA und anderen Ländern läuft, wie das südkoreanische Ministerium für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit mitteilte.

Der Astrazeneca-Impfstoff soll aufgrund der mangelnden Daten über die Wirksamkeit bei Älteren zunächst nicht an Menschen über 65 Jahre Jahre verabreicht werden. Das wirft die Planung in Seoul durcheinander - denn die Impfstrategie sieht es vor, dass zuerst ältere Menschen und Beschäftigte im Gesundheitswesen geimpft werden sollen. Die Regierung senkte ihr Impfziel für das erste Quartal bereits von 1,3 Millionen auf weniger als 760.000. Auch, weil es Verzögerungen bei der Lieferung von 2,6 Millionen Astrazeneca-Dosen gibt.

Die südkoreanische Gesundheitsbehörde KDCA erwägt deshalb weitere Impfstoffe zuzulassen, womöglich auch den russischen Impfstoff Sputnik V. Gespräche über den Erwerb von Impfdosen werden aber noch nicht geführt, heißt es.

[Lesen Sie hier mehr zum Thema: Schlechtes Image von Astrazeneca - Jeder Dritte will lieber auf anderen Impfstoff warten.]

Bis September sollen 70 Prozent der 52 Millionen Einwohner geimpft sein - so der Plan. Ab Ende Februar sollen rund 50.000 Mitarbeiter:innen an der Virus-Front geimpft werden. Danach soll 780.000 Ersthelfer:innen, Kontaktpersonen und Bewohner:innen sowie Mitarbeiter:innen in Pflegeeinrichtungen der Impfstoff verabreicht werden. Im Mai und Juni sollen die über 65-Jährigen, weitere Beschäftige im Gesundheitswesen sowie Obdachlose folgen.

Regierung berief sich bei verspäteter Impfkampagne auf Sicherheitsbedenken

Ähnlich wie in Japan ist auch die Bevölkerung in Südkorea skeptisch gegenüber den Corona-Impfstoffen eingestellt. Die Besorgnis über mögliche Nebenwirkungen ist zuletzt gestiegen. Auch, weil die Regierung sich auf entsprechende Sicherheitsbedenken berief, um der Kritik an den späten Impfbeschaffungen entgegenzuwirken. Südkorea führt wie Japan ebenfalls zusätzliche Tests im Land durch, was die Zulassung verlängert.

Lee Jae-gap, Professor für Infektionsmedizin an der Hallym Universität betont, dass der Impfauftakt wichtig für die Impfbereitschaft in der Bevölkerung sein könnte: „Wie die Regierung mit einem möglichen Problem transparent und effizient umgeht, wird über das öffentliche Vertrauen in Impfstoffe entscheiden. Wenn die Menschen im März und April unfallfrei geimpft werden, wird das der Schlüssel zum Erfolg der Impfung sein.“

Derweil legte Seoul in der Impfstoffbeschaffung noch einmal nach. Südkorea sicherte sich am Dienstag weitere Impf-Einheiten für 23 Millionen Menschen - davon drei Millionen Dosen von Biontech/Pfizer und 20 Millionen des Herstellers Novavax. Zuvor hatte sich Südkorea bereits mit Einheiten für 56 Millionen Menschen der Pharmakonzerne Covax, Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson eingedeckt.

Die bestellten Einheiten reichen somit für 79 Millionen Menschen - bei 52 Millionen Einwohnern. „Die Regierung hat daran gearbeitet, ausreichend frühe Vorräte zu beschaffen, aber es gibt eine wachsende Unsicherheit über unseren Plan für die erste Hälfte aufgrund von Produktionsproblemen mit globalen Arzneimittelherstellern und internationalem Wettbewerb um mehr Impfstoffe“, sagte Premierminister Chung Sye-kyun in einer Fernsehsitzung. Deshalb habe man zusätzliche Verträge abgeschlossen.

Menschen nehmen in einem COVID-19-Impfzentrum in Seoul an einer Übung teil - bevor es Ende Februar losgehen soll.
Menschen nehmen in einem COVID-19-Impfzentrum in Seoul an einer Übung teil - bevor es Ende Februar losgehen soll.
© Kim Hong-Ji/Pool Reuters/AP/dpa

Weiter werde damit gerechnet, dass das Impfprogramm langsamer anlaufen werde, da sich einige der erworbenen Impfstoffe noch nicht als ausreichend wirksam gegen die neuen Varianten von Covid-19 erwiesen haben.

[Lesen Sie hier einen Essay: Warum wir nicht von asiatischen Ländern lernen - Corona offenbart die westliche Arroganz.]

Das Ziel der Regierung, dass bis November eine Herdenimmunität erreicht wird, hält der Präsident der koreanischen Ärztevereinigung Choi Dae-zip für unrealistisch. Südkorea werde mit ziemlicher Sicherheit sein Ziel verfehlen, sagte er am Mittwoch.

„Es war die Pflicht der Regierung, genügend Dosen rechtzeitig zu sichern, und sie hätte sich außerordentlich anstrengen müssen“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. „Stattdessen war es am Ende ein kompletter Flop.“ Nach den Plänen der Regierung sollen Ärzt:innen pro Tag 150 Personen impfen, um das November-Ziel zu erreichen.. Choi zufolge sei das unmöglich - er gehe von 60 bis 80 Personen aus.

Noch keine Impfdosen in Taiwan angekommen

Auch in Taiwan haben die Impfungen gegen das Coronavirus noch nicht begonnen; geplant sind sie für März. Die Gesundheitsbehörden sicherten sich im November rund 15 Millionen Impfdosen bei ausländischen Herstellern über Covax, dem globalen Beschaffungspool für Corona-Vakzine. Doch wann die Präparate in Taiwan eintreffen sollen, bleibt weiter unklar. Mehrere taiwanesische Impfstoffhersteller befinden sich derweil in Phase-2-Studien der Vakzine.

Der Gesundheitsminister Chen Shih-chung kritisierte Ende Januar die Einkaufsstrategie anderer Länder: „Einige größere Länder überkaufen, um ihre Vorräte aufzustocken, sie kaufen sogar die vierfache Menge ihrer Bevölkerung [...]. Wir haben zwar erwartet, dass dies passieren würde, aber nicht in diesem Ausmaß.“ Die Wirtschaftsministerin des Landes bat Ende Januar Deutschland um Hilfe bei der Versorgung mit einem Impfstoff. Zugleich bot sie Berlin Unterstützung angesichts des Mangels an Computerchips in der Autoindustrie an.

In Taiwan geht das Leben (fast) normal weiter. Menschen kaufen anlässlich des Neujahresfest Dekoration ein.
In Taiwan geht das Leben (fast) normal weiter. Menschen kaufen anlässlich des Neujahresfest Dekoration ein.
© REUTERS/Ann Wang

Am 10. Februar teilte der US-Hersteller Moderna mit, dass er Verträge mit Taipeh abgeschlossen hat. Das Land habe fünf Millionen Einheiten bestellt. Die Auslieferungen sind jedoch erst für Mitte 2021 geplant. Von dem Astrazeneca-Vakzin wurden zehn Millionen Einheiten bestellt.

Mit Biontech gibt es noch keinen Vertrag. Taiwan vermutet Druck aus China hinter Verzögerungen. Gesundheitsminister Chen Shih-chung sagte am Mittwoch, im Dezember habe man kurz vor einer Kaufvereinbarung gestanden, als Biontech plötzlich auf die Bremse getreten habe. Zwar machte der Minister Peking nicht direkt für die Verzögerung verantwortlich, deutete aber an, dass es eine politische Dimension bei der Entscheidung gegeben haben könnte.

In einem Radiointerview sagte er, dass es seine Sorge gewesen sei, dass sich „äußere Kräfte einmischen könnten“. Ein Abkommen mit Biontech stehe noch aus.

Eine Sprecherin von Biontech erklärte, dass die Gespräche mit Taiwan noch andauern. „Biontech engagiert sich dafür, die Pandemie für Menschen auf der ganzen Welt zu beenden, und wir beabsichtigen, Taiwan im Rahmen dieses globalen Engagements mit unserem Impfstoff zu versorgen.“

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Taiwan lehnt es ab, Impfstoffe aus China zu beziehen. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und beansprucht auch in Bezug auf die Corona-Pandemie international für Taipeh zu sprechen.

Das chinesische Unternehmen Fosun Pharma hatte im vergangenen Frühjahr mit Biontech eine Lizenzvereinbarung zur Entwicklung und Vermarktung des Covid-19-Impfstoffs des deutschen Unternehmens in China, Hongkong, Macau und Taiwan geschlossen. Aus Taiwan wird Kritik an dem Vorgehen laut.

„Wir hielten es für klüger, direkt mit den Deutschen zu sprechen, anstatt über eine chinesische Firma zu gehen, die sich an Pekings Politik halten muss“, zitiert die „Financial Times“ einen hohen taiwanesischen Regierungsbeamten. „Nach unserem Verständnis hat Fosun Pharmaceutical interveniert, als der Vertrag im Dezember unterschriftsreif war.“ (mit Reuters, dpa, AFP)

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