Protestaktion vor Schloss Bellevue: Vuvuzela-Alarm bei Wulffs Zapfenstreich
Aktivisten wollen bei der Abschiedszeremonie für Christian Wulff kräftig dazwischentröten. Eine Mehrheit der Deutschen möchte ihr Staatsoberhaupt zudem künftig direkt wählen - und hält Wulffs politische Karriere für beendet.
Erst hagelte es reihenweise Absagen für den Großen Zapfenstreich, jetzt droht Christian Wulff auch noch ein spöttisches Abschiedskonzert: Kritiker des zurückgetretenen Bundespräsidenten wollen die feierliche Zeremonie vor dem Schloss Bellevue am Donnerstagabend mit Vuvuzelas zu stören - jenen berüchtigten Tröten, die während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika so manchen Zuschauer zur Weißglut trieben. Wenig erbaulich fällt zudem eine aktuelle Umfrage aus: Demnach möchten die meisten Deutschen ihr Staatsoberhaupt künftig direkt wählen können - und glauben nicht an ein politisches Comeback des zurückgetretenen Amtsinhabers.
Erst einmal droht aber die von Wulff gewünschte musikalische Untermalung des Zapfenstreichs im surrenden Trötenmeer unterzugehen. Auf einer eigens dazu eingerichteten Facebook-Seite rufen Aktivisten zum musikalischen Protest auf: Schließlich habe die WM 2010 gezeigt, dass sich der nervtötende Lärm der Blasinstrumente "schwer aus dem Fernsehton herausfilten" lasse. Vor den Toren von Schloss Bellevue sei deshalb zunächst ein "langsames Anblasen" geplant, danach ein "würdevolles Unterblasen des Fackelzuges" und schließlich ein "majestätisches Nachblasen". Mehr als eine Stunde soll sich der sonore Protest am Donnerstagabend hinziehen.
Die erste Idee zu der Aktion kam von dem Journalisten und Blogger Mario Sixtus, der im Internet-Dienst Twitter schrieb: "Ich könnte mir vorstellen, dass viele Bürger dieses musikalische Ereignis mit ihren Vuvuzelas unterstützen wollen". Später schrieb er, es sei doch verständlich, dass in einem demokratischen Land das Volk dem Ex-Präsidenten "gerne den Marsch blasen würde". Am Donnerstag wurde dann getwittert, dass Vuvuzelas in Berlin ausverkauft seien.
Keine guten Aussichten für Wulffs feierlichen Ausstand also. Und auch die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa sind nicht geeignet, die Laune des Ex-Präsidenten zu heben. Demnach fordern vier von fünf Bundesbürgern, ihr Staatsoberhaupt fortan selbst küren zu dürfen. Ähnlich viele Befragte meinen, für Wulff werde es keine Rückkehr in ein politisches Amt geben.
Auf die Frage, ob das Staatsoberhaupt wie in Österreich direkt vom Volk statt von der Bundesversammlung bestimmt werden soll, antworteten 47 Prozent, sie seien "voll und ganz dafür". "Eher dafür" sind noch einmal 31 Prozent, "eher dagegen" zwölf Prozent. "Voll und ganz dagegen" sind nur vier Prozent. Der Rest äußerte bei der Anfang März durchgeführten Online-Befragung von 1.011 Bürgern ab 18 Jahren keine Meinung.
Für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff wird es nach Ansicht von 73 Prozent der Befragten keine Rückkehr in ein politisches Amt geben. Nur 15 Prozent halten ein Comeback für möglich.
Wulffs voraussichtlicher Nachfolger Joachim Gauck kann der Umfrage zufolge mit einem Vertrauensvorschuss in sein neues Amt starten: 41 Prozent sind der Meinung, der frühere DDR-Bürgerrechtler werde ein guter Bundespräsident sein. Vom Gegenteil gehen 14 Prozent aus. Immerhin 40 Prozent antworteten mit "ich weiß nicht".
Die Erwartungen an Gauck sind dabei zwischen den Geschlechtern, Altersgruppen und Anhängern der verschiedenen Parteien relativ ähnlich. Während 44 Prozent der Männer erwarten, dass er ein guter Präsident wird, sind es bei den Frauen mit 39 Prozent kaum weniger. Besonders hoch sind die Erwartungen bei den über 55-Jährigen mit 48 Prozent. Dabei wächst die Zustimmung mit dem Einkommen, zudem ist sie unter Wählern der SPD und Grünen deutlich höher als bei Unionsanhängern.
Mit 44 Prozent sieht fast die Hälfte der Befragten zudem das Amt des Bundespräsidenten durch die Affären Wulffs dauerhaft beschädigt. Allerdings sind jene, die nicht an einen bleibenden Schaden glauben, mit 47 Prozent leicht in der Überzahl.
Drei Wochen nach seinem Rücktritt wird Wulff an diesem Donnerstag mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Er legte das Amt am 17. Februar nieder, weil die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn aufgenommen hatte. Dabei geht es um den Verdacht der Vorteilsannahme. Überschattet wird die feierliche Zeremonie im Garten des Schlosses Bellevue von massiver Kritik und zahlreichen Absagen: Neben Spitzenpolitikern der Opposition nehmen auch Wulffs Amtsvorgänger nicht teil, wobei letztere teils persönliche Termine als Grund angaben oder sich zumindest nicht ausdrücklich äußern wollten.
(mit dpa)