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Der Große Zapfenstreich für scheidende Bundespräsidenten hat in Deutschland Tradition.
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Update

Wulffs einsamer Zapfenstreich: Wirbel um die Geste der "alten Vier"

Dass mehrere Alt-Bundespräsidenten dem Zapfenstreich für ihren Nachfolger fernbleiben, deuten viele als symbolischen Protest gegen Christian Wulff. So ungewöhnlich ist das aber nicht, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Die Ankündigung aller vier lebenden Alt-Bundespräsidenten, dem Großen Zapfenstreich ihres ausgeschiedenen Nachfolgers Christian Wulff am Donnerstagabend fernzubleiben, ist möglicherweise weniger bedeutungsschwanger als angenommen. Wie ein Sprecher des Bundespräsidialamts dem Tagesspiegel am Dienstag sagte, blieben Walter Scheel und Roman Herzog auch schon der militärischen Abschiedszeremonie für Wulffs Vorgänger Horst Köhler fern. Dessen Büro wiederum erklärte auf Anfrage von "Focus Online", dass Köhler zum fraglichen Zeitpunkt auf Auslandsreise sei. Allein die Büroleiterin des 91 Jahre alten Richard von Weizsäcker, der bei Köhlers Verabschiedung noch dabei war, machte demnach keine Angaben zum Grund seiner diesjährigen Abwesenheit.

Roman Herzog ließ dem Bericht zufolge wissen, dass er am 8. März als Sprecher bei einer Veranstaltung mittelständischer Wirtschaftsverbände im Raum Düsseldorf auftritt - und dies schon vor einem halben Jahr fest zugesagt habe. Wenn er sich namentlich verpflichte, vor mehreren Hundert Mittelständlern zu sprechen, könne er sich eben nicht spontan nach Berlin verabschieden, sagte Herzogs Sprecherin "Focus Online". Höchstens eine Erkrankung sei für ihn Grund zur Absage.

Walter Scheel, mit 92 Jahren der älteste der vier früheren Bundespräsidenten, hat dem Bericht zufolge zwar keinen eigenen Termin. Er werde dem Zapfenstreich im Schloss Bellevue aber "auch aus Altersgründen" fernbleiben, wird eine Büromitarbeiterin zitiert. Das Wort "auch" lässt freilich Interpretationsspielraum, den einige Wulff nun nachteilig auslegen. Allerdings war Scheel zuletzt beim Großen Zapfenstreich für Johannes Rau im Jahr 2004 dabei, damals zusammen mit Weizsäcker. Bei Köhlers Abschied wiederum war Weizsäcker dann schon alleine.

Andere lassen an ihrer Haltung zur Causa Wulff keine Zweifel. "Ich halte den Großen Zapfenstreich für Herrn Wulff für unangemessen", sagte etwa der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, zu "Handelsblatt Online". Die Amtsführung des Ex-Staatsoberhaupts und die Begleitumstände seines Rücktritts seien "peinlich und unwürdig" gewesen, das traditionelle Bundeswehr-Zeremoniell mithin unangebracht.

Die CDU-Politikerin und frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld sagte "Handelsblatt Online", da Wulff als früherer Ministerpräsident nachweislich gegen die Antikorruptionsrichtlinie des Landes Niedersachsen verstoßen habe, stehe ihm weder ein Ehrensold noch eine Amtsausstattung zu. Der Zapfenstreich als höchste Form militärischer Ehrerweisung brüskiere all jene, die redlich und gesetzestreu ihre Arbeit machten.

Die SPD-Führung will sich Forderungen aus den eigenen Reihen nach einer Absage der Zeremonie indes nicht anschließen. "Sollte es da grundsätzliche Bedenken geben, dann hätte man die rechtzeitig anmelden müssen", sagte Generalsekretärin Andrea Nahles. "Jetzt ist das alles geplant und sollte aus meiner Sicht auch durchgeführt werden." Allerdings sei ihr auch "niemand bekannt, der aus der SPD-Führung daran teilnimmt".

Anders sieht das in den Reihen der Koalition aus: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Donnerstag ebenso zugegen sein wie Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Einige Kabinettsmitglieder wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) oder Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) haben dagegen aus Termingründen abgesagt, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dapd ergab.

Wulff wünscht sich Zugabe beim Zapfenstreich

Wulffs Vorgänger Horst Köhler, Richard von Weizsäcker, Walter Scheel und Roman Herzog (v. l. n. r.)
Wulffs Vorgänger Horst Köhler, Richard von Weizsäcker, Walter Scheel und Roman Herzog (v. l. n. r.)
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Wer überhaupt eingeladen ist, steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt: Denn für die Einladungsliste des Zapfenstreichs ist neben der Bundeswehr und Bundesratspräsident Horst Seehofer als kommissarischem Staatsoberhaupt auch Wulff selbst zuständig, wie ein Präsidialamtssprecher erklärte. Und da Wulff auch über die musikalische Begleitung seines Abschieds entscheidet, tut sich nun ein weiterer Nebenkriegsschauplatz auf: Denn nach Angaben des Bundespräsidialamts möchte er vom Stabsmusikkorps statt der üblichen drei Titel gleich vier Stücke gespielt bekommen - eine Ehre, die zuletzt dem in der Truppe sehr beliebten Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) zuteil wurde.

Demnach stehen auf Wulffs Wunschliste "Over the Rainbow" von Harold Arlen, der "Alexandermarsch" von Alexander Leonhardt und "Da berühren sich Himmel und Erde" von Christoph Lehmann. Als vierten Titel habe er sich die "Ode an die Freude" von Ludwig van Beethoven gewünscht. Der ursprünglich kolportierte Titel "Ebony and Ivory" wird dagegen nicht beim Zapfenstreich zu hören sein - nach einem Bericht von Bild.de hatte das Stabsmusikkorps Bedenken geäußert, weil der Titel sich nur schwerlich auf der Trompete spielen lasse.

Ungeachtet der musikalischen Vorlieben Wulffs hält die Bundesregierung an einer ehrenvollen militärischen Verabschiedung fest. "Ein Zapfenstreich für einen scheidenden Bundespräsidenten steht ganz und gar in der Tradition der Bundeswehr", hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag gesagt. Er verwies auf die "Vielzahl von Terminen", die Wulff bei der Bundeswehr wahrgenommen habe. Auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte: "Das Amt steht im Vordergrund".

Differenzierter äußerte sich der frühere Heeresinspekteur Helmut Willmann. Er sagte dem "Spiegel", dass die Amtszeit des Bundespräsidenten natürlich "geordnet und in Würde" beendet werden müsse. Die momentane Situation verlange aber nicht nach Ehrungen mit aufmarschierender Truppe, Fackelschein und Nationalhymne. "Dies ist die Zeit für Bescheidenheit, Zurückhaltung und Demut im äußeren Auftreten", sagte Willmann. "Das ungerührte 'weiter so!' ist ein Zeichen erschreckender Realitäts- und Bürgerferne der Politik."

Wulff war am 17. Februar nach monatelanger Kritik zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung gegen ihn ein. Am Freitag wurde zudem Wulffs Haus in Großburgwedel durchsucht.

Vor diesem Hintergrund sorgt zunehmend für Unmut, dass der Ex-Präsident wie seine Vorgänger auch ein Büro, Dienstwagen und Mitarbeiter beansprucht. Zu den rund 200.000 Euro an Ruhestandsbezügen kämen laut dem "Spiegel" so rund weitere 280.000 Euro pro Jahr hinzu. Zwar dementierte das Bundespräsidialamt, dass bereits darüber entschieden worden sei, ob und in welchem Umfang Wulff - zusätzlich zu einem ebenfalls umstrittenen Ehrensold - in Zukunft derartige Leistungen erhalte. Aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP mehren sich aber bereits die Appelle an Wulff, nach gerade einmal 20 Monaten im Amt ehrenhalber auf seine Ansprüche zu verzichten

(mit rtr/dpa/AFP)

Marc Kalpidis

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