Nach dem EuGH-Urteil: Vorerst kein Sprachtest mehr für Türken
Die Pflicht zum Sprachtest verstößt gegen EU-Recht, urteilte der Europäische Gerichtshof. Das Auswärtige Amt hat deshalb seine Bediensteten angewiesen, türkischen Staatsbürgern vorerst keine Visa mehr zu verweigern, nur weil ihnen der Sprachnachweis fehlt.
Türkische Familienangehörige müssen vorerst keinen Deutsch-Sprachtest mehr ablegen, wenn sie zu ihren in Deutschland lebenden Verwandten ziehen wollen. Wie das Auswärtige Amt auf Nachfrage des Tagesspiegels mitteilte, wurden die deutschen Auslandsvertretungen bereits angewiesen, „keine Visaanträge türkischer Staatsangehöriger zur Familienzusammenführung allein aufgrund eines fehlenden Sprachnachweises abzulehnen“. Dies gelte, solange die Bundesregierung prüft, wie ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10. Juli umgesetzt werden kann.
Sprachtest wurde mit Schutz von Frauen begründet
Der EuGH hatte der Ehefrau eines in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürgers recht gegeben, der die Familienzusammenführung verweigert worden war, weil sie als Analphabetin den Test nicht ablegen konnte. Die Straßburger Richter stellten fest, als Bedingung für die Einreise behindere der Test den Nachzug von Familienangehörigen und verletze damit die sogenannte Stillhalteklausel des EU-Assoziationsabkommens mit der Türkei aus dem Jahre 1970. Sie verbietet Regelungen, die die Situation von Türken in der EU gegenüber dem Stand von 1970 verschlechtern.
Der Sprachtest wurde vor sieben Jahren eingeführt und mit dem Schutz von Frauen begründet. Vor allem nachziehende Ehefrauen müssten genügend Deutsch können, um ihre Rechte wahrzunehmen. Kritische Stimmen wiesen darauf hin, dass dieses Ziel mit einem Deutschkurs in Deutschland selbst besser zu erreichen sei; der Nachweis vor der Einreise diene nur dazu, Familiennachzug zu verhindern. Nach Auskunft des Auswärtigen Amts wurde 2013 etwa ein Siebtel aller Anträge auf Ehegattennachzug aus der Türkei wegen fehlender Sprachkenntnisse abgelehnt.
Türkei spricht von Diskriminierung
Wie das Straßburger Urteil umzusetzen ist, scheint bisher in der Regierung umstritten. Während das Auswärtige Amt sich bald dazu bekannte, es umzusetzen, ist im Bundesinnenministerium bisher nur die Rede von einer Regelung für Härtefälle wie den der Analphabetin, über den der EuGH zu entscheiden hatte. Die türkische Regierung forderte die Bundesregierung am Freitag erneut auf, die Sprachtests für türkische Eheleute ganz abzuschaffen. Die Benachteiligung türkischer Staatsbürger müsse enden, erklärte das Außenministerium in Ankara.
Unabhängig vom Urteil des EuGH ist der deutsche Sprachtest auch Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens, das die EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitet hat. Er verstößt nach Meinung der Kommission gegen die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung.