Einwanderer: Regierung will an Sprachtests festhalten
In der letzten Woche hat der Europäische Gerichtshof gegen den deutschen Sprachtest für Türken entschieden. Doch die Bundesregierung sperrt sich weiter.
Die Bundesregierung will trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs am Sprachtest für nachziehende Familienangehörige festhalten. Der „Spiegel“ zitiert in seiner aktuellen Ausgabe den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium Günter Krings (CDU) mit den Worten: „Es wird bei allgemeinen Sprachtests bleiben, weil sie unverzichtbar für die Integration von Zuwanderern sind.“ Eine Sprecherin des Bundesministeriums teilte mit, man werden das Urteil nun „mit Blick auf möglichen Anpassungsbedarf im deutschen Recht prüfen“.
Türkische Gemeinde fürchtet Rechtsbruch
Unklar blieb allerdings, was das für die Umsetzung des Urteils bedeutet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in seinem Urteil letzte Woche nicht das Recht von Mitgliedstaaten bezweifelt, Sprachkenntnisse zu fordern. Entsprechende Vorschriften dürften aber nicht dazu führen, dass dadurch die sogenannte Stillhalteklausel im Assoziationsabkommen mit der Türkei von 1970 verletzt werde. Demnach dürfen die Niederlassungsrechte türkischer Staatsangehöriger nicht weiter eingeschränkt werden als bis 1970 möglich. Das Recht auf Familienzusammenführung ist Teil davon. Im konkreten Fall hatte die Ehefrau eines hier lebenden Türken nicht zu ihrem Mann ziehen können, weil sie als Analphabetin den Test nicht machen konnte. Dafür könne man künftig, so Krings, ein Verfahren „zugunsten eng definierter Härtefälle“ einführen.
Das EuGH-Urteil im Fall Dogan aus der letzten Woche allerdings hält alles für unzulässig, so wörtlich, was „die Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme der Ehegatten türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats“ verschärft, also nicht die Pflicht zum Sprachtest, sondern einen, der zur Voraussetzung gemacht wird, überhaupt deutschen Boden zu betreten. Die Opposition und die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) fürchten jetzt einen Rechtsbruch. Das Urteil sei bindend und müsse sofort umgesetzt werden, erklärte der TGD-Bundesvorsitzende Safter Çinar. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen sprach von einer „unerhörten Missachtung des höchsten europäischen Gerichts“.
In Brüssel läuft noch ein Verfahren gegen Deutschland
Der Dogan-Prozess ist nicht das letzte europäische Verfahren zum deutschen Sprachtest. Die EU-Kommission hat deswegen auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil sie darin eine generelle Einschränkung des "Rechts auf Familienzusammenführung" sieht, das in einer EU-Richtlinie von 2003 garantiert ist. Der Sprachtest verstoße dagegen, weil er das Recht auf Familie an eine Bedingung, eben den Sprachtest, knüpft. Das liefe auf das Ende der spezifisch deutschen Sprachtest-Pflicht hinaus, nicht nur für Türkinnen und Türken
Andrea Dernbach
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