Sprachtest für Eheleute: Brüssel bleibt dabei: Deutschland bricht EU-Recht
Für türkische Eheleute hat der Europäische Gerichtshof den Sprachtest als Einreisehürde gekippt. Das Innenministerium sperrt sich, das Auswärtige Amt will das Urteil umsetzen. Ohnehin dürfte Brüssel den Test bald ganz und gar unmöglich machen.
Die EU-Kommission hält Teile der deutschen Einwanderungsregeln weiterhin für einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. „Nach Auffassung der Kommission unterläuft die deutsche Anwendung der europäischen Richtlinie zur Familienzusammenführung deren Ziel, Familienzusammenführung zu erleichtern“, erklärte die Sprecherin von Innenkommissarin Cecilia Malmström auf Anfrage des Tagesspiegels. In das Vertragsverletzungsverfahren, das deswegen seit 2013 gegen Deutschland läuft, werde man auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einbeziehen, der letzte Woche Sprachtests für türkische Eheleute für unzulässig erklärte.
Landet der Sprachtest auch für Nichttürken vor den Luxemburger Richtern?
Die Luxemburger Richter hatten lediglich zu prüfen, ob das verweigerte Visum für die türkische Ehefrau eines hier lebenden Mannes das Assoziationsabkommen mit der Türkei von 1970 verletzte. Der Gerichtshof bejahte dies. Die Ehefrau, eine Analphabetin, hatte Teile des Deutschtests nicht ablegen können. Dieser ist seit 2007 eine der Voraussetzungen, damit Familienangehörige nachkommen können.
Das Urteil enthält allerdings auch eine grundsätzliche Einschätzung des deutschen Sprachtests vor der Einreise. Er erschwere die Familienzusammenführung, heißt es – ganz auf der Linie der EU-Kommission – im Urteilstext. Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland könnte früher oder später in Luxemburg landen: Die EU-Regeln sehen vor, dass die Kommission an den EuGH abgibt, wenn anders keine Einigung mit der Regierung des betroffenen Mitgliedsstaats möglich ist.
Den Haag und Wien reagierten, Berlin nicht
Eine Stellungnahme zu den Sprachtests hatten Juristen der Kommission bereits im Mai 2011 an den Europäischen Gerichtshof geschickt. Auf die Frage des Gerichts in einem niederländischen Fall schrieben sie, die Sprachtests könnten zwar vorgeschrieben, dürften aber nicht als „Bedingung“ verstanden werden, von der „das Recht auf Familienzusammenführung selbst abhängig ist“. Dieses Recht ist in der EU durch eine Richtlinie vom September 2003 garantiert.
Die Niederlande kippten nach diesem Wink aus Brüssel die Pflicht zum Sprachtest vor Einreise, auch Österreich verzichtete. Nur Deutschland weigerte sich – lange unter Hinweis darauf, dass es noch kein europäisches Urteil gebe. Das Urteil von vergangener Woche, das türkische Familienangehörige betrifft, will das CDU-geführte Innenministerium, wie sich in den letzten Tagen andeutete, höchstens teilweise umsetzen.
Auswärtiges Amt: EuGH-Urteil wird umgesetzt
Der SPD-Teil der Koalition hält sich bisher zurück. Man wolle die „konstruktiven Gespräche“ mit der Union, die nun anstünden, nicht gefährden. Auch von „Phantomschmerzen vor der Sommerpause“ war die Rede: Nachdem die Union konservative Kernthemen habe aufgeben und etwa die doppelte Staatsbürgerschaft für hier aufgewachsene Jugendliche akzeptieren müssen, fürchte sie nun wohl um ihren rechten Rand. Das Auswärtige Amt allerdings, in dessen Zuständigkeit die Visa-Vergabe fällt, teilte auf Anfrage des Tagesspiegels mit, dass es sich an den Richterspruch halten wolle: „Das Auswärtige Amt wird das Urteil des EuGH in seiner Verwaltungspraxis umsetzen. Die Details dieser Umsetzung werden derzeit abgestimmt und zeitnah bekanntgegeben.“
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