Türkei-USA: Vom strategischen Partner zum Problemfall
Der türkische Regierungschef wollte mit einem Besuch in Washington das Verhältnis zu den USA entspannen. Doch die Streitthemen bleiben.
Mit einem Besuch in Washington hat der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim versucht, die Krise in den Beziehungen seines Landes zu den USA zu überwinden – doch viele Probleme bleiben auch nach Yildirims Gesprächen in der US-Hauptstadt bestehen. Die beiden Nato-Partner haben sich gründlich auseinandergelebt und verfolgen in wichtigen Bereichen verschiedene Interessen. Wie im Streit der Türkei mit Deutschland und anderen europäischen Ländern ist eine rasche Normalisierung kaum zu erwarten.
Über Jahrzehnte betrachteten die USA die Türken als wichtige Verbündete in einer geostrategisch bedeutsamen Weltgegend. Doch von der häufig beschworenen Strategischen Partnerschaft der beiden Länder sei heute keine Rede mehr, sagt Gönül Tol, Direktorin des Zentrums für Türkeistudien beim Nahost-Institut in Washington. Aus der Sicht der USA sei die Türkei „ein Problem, mit dem man zurechtkommen muss“, sagte Tol unserer Zeitung.
Zuletzt hatte die Festnahme von zwei türkischen Mitarbeitern von US-Konsulaten in der Türkei für Streit gesorgt. Als Antwort stoppten die USA vor einem Monat die Ausgabe von Besuchsvisa an Türken, ein unter Verbündeten unerhörter Ausdruck des Protestes. Versuche zur Wiederannäherung gestalten sich schwierig. Vor Yildirims Besuch lockerten die Amerikaner das Visaverbot zwar etwas und erklärten zur Begründung, Ankara habe versichert, dass künftig keine US-Mitarbeiter mehr in Haft genommen würden, ohne dass die USA im Voraus verständigt würden. Doch schon vor seiner Abreise nach Washington dementierte Yildirim, dass seine Regierung solche Zugeständnisse gemacht habe.
Washington lehnt Tauschgeschäfte ab
Yildirims Gespräch mit Vizepräsident Mike Pence im Weißen Haus brachte keinen Durchbruch bei den vielen Konfliktpunkten zwischen beiden Staaten. Zwar betonte die US-Regierung anschließend ihre Hoffnung auf ein „neues Kapitel“ in den Beziehungen, doch Pence hob auch seine „tiefe Sorge“ wegen der Festnahme der US-Konsulatsmitarbeiter und US-Bürgern in der Türkei hervor. Mit Yildirim sprach Pence, ein frommer Christ, unter anderem über den Fall des in der Türkei inhaftierten amerikanischen Pfarrers Andrew Brunson. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte einen Austausch von Brunson gegen den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen vorgeschlagen, der von Ankara als Drahtzieher des Putschversuches im vergangenen Jahr betrachtet wird. Washington lehnt ein solches Tauschgeschäft ab.
Yildirim und seine Delegation, zu der auch Erdogans Schwiegersohn und Energieminister Berat Albayrak gehörte, sprachen mit den Amerikanern zudem über ein Strafverfahren in New York, in dem der türkisch-iranische Geschäftsmann Reza Zarrab wegen Verstößen gegen Iran-Sanktionen angeklagt ist. Zarrab war eine Schlüsselfigur in einem Korruptionsskandal um Erdogans Regierung im Jahr 2013 – laut Medienberichten könnte Zarrab vor Gericht über dieses für die Türkei hochsensible Thema aussagen. Erdogan nennt den Zarrab-Prozess eine politisch motivierte Aktion gegen sein Land und wirft den USA vor, den Geschäftsmann zum antitürkischen „Überläufer“ machen zu wollen.
Zu den Streitthemen gehört auch die Unterstützung der USA für die syrischen Kurden im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Ankara wirft Washington vor, mit Waffenlieferungen an die Kurdenmiliz YPG einer Terrororganisation zu helfen. Appelle der Türkei, die Hilfe für die YPG einzustellen, trafen bei Pence auf taube Ohren gestoßen. Die Zusammenarbeit mit den syrischen Kurden werde noch eine Weile weitergehen, sagte der Vizepräsident seinen Gästen, wie Yildirim anschließend vor mitreisenden türkischen Reportern sagte.
Negative Stimmung
Ohnehin verspüren viele amerikanische Politiker derzeit sehr wenig Bereitschaft, den Türken entgegenzukommen. Eine Prügelattacke von Erdogans Leibwächtern gegen Türkei-kritische Demonstranten während eines Besuchs des Staatschefs in Washington im Mai hat insbesondere im Kongress die Stimmung zu Ungunsten von Ankara kippen lassen. Kurz vor Yildirims Besuch beklagten 14 Senatoren in einem Brief an US-Präsident Donald Trump das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Andersdenkende und forderten eine „klare Botschaft“ aus Washington an die Adresse Erdogans.
Auch Trumps ehemaliger Chefstratege Stephen Bannon reihte sich in den Chor der einflussreichen Türkei-Kritiker in den USA ein. In der saudi-arabischen Zeitung „Asharq al-Awsat“ nannte Bannon die Türkei die „größte Gefahr“ für die USA weltweit. Yildirim zählte es deshalb schon als Erfolg, dass er mit Pence einen engeren Kontakt vereinbaren konnte. Doch Substantielles habe der Premier in Washington nicht erreicht, schrieben die Türkei-Experten Aykan Erdemir und Merve Tarihoglu von der Washingtoner Denkfabrik FDD in einer Analyse.