70 Jahre Israel: Verantwortung, die nicht vergeht
Nach dem Holocaust wurde vor 70 Jahren Israel gegründet. Das Existenzrecht des jüdischen Staates bleibt für Deutschland eine Verpflichtung. Ein Kommentar.
Den Staat Israel, der in diesen Tagen sein 70-jähriges Bestehen feiert, würde es ohne den Holocaust nicht geben. Erst das weltweite Entsetzen über das historische, in seiner Dimension einzigartige Verbrechen Deutschlands an den europäischen Juden öffnete die Möglichkeit, den alten zionistischen Traum von der Schaffung einer jüdischen Heimstatt in Palästina Wirklichkeit werden zu lassen.
Am 14. Mai 1948 erlangte der Staat Israel auf Grund des Palästina- Teilungsbeschlusses der Vereinten Nationen seine Unabhängigkeit – eine Souveränität, die von den arabischen Staaten nicht anerkannt wurde. Einen um fast 2000 Jahre zurück zu datierenden, aus der Geschichte resultierenden, territorialen Anspruch der Juden auf Palästina haben benachbarte Länder lange abgelehnt.
Einige Länder akzeptieren ihn bis heute nicht. Dass in der Folge der Gründung Israels ein arabisch-jüdischer Bürgerkrieg neues Leid brachte und fast 700.000 Araber vertrieben wurden, ist in Israel selbst lange verdrängt worden.
Ein halbes Jahrhundert vorher, 1896, war „Der Judenstaat“ erschienen, eine Abhandlung des jüdischen Journalisten Theodor Herzl, die programmatische und gleichzeitig visionäre Idee eines eigenen Staates, einer Heimat für die nach der Vertreibung aus Jerusalem durch die Römer in aller Welt verstreut lebenden Juden.
Der erste Zionistische Weltkongress, 1896 in Basel, erhob die bis dahin nur literarische Fiktion zur politischen Forderung. Durchschlagskraft erreichte sie im November 1917 durch die sogenannte Balfour-Declaration, einen Brief des britischen Außenministers James Balfour an den prominenten Zionisten Lionel Walter Rothschild, mit der Zusicherung, „die Regierung seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“.
Einzige Demokratie im Nahen Osten
Ohne den Schock der Shoah wäre es dennoch vermutlich bei solchen diplomatischen Willensbekundungen geblieben. Erst dann begriff die Welt, dass nur ein eigener Staat, die Wiedergeburt Israels, auf Dauer den Juden in aller Welt einen Schutz vor Gewalt, Pogromen und Massenmord gewährleisten könne. 70 Jahre nach der Staatsgründung ist Israel immer noch die einzige Demokratie in der nahöstlichen Region.
Es ist der einzige moderne Staat der Region, mit einer unglaublich dynamischen Wirtschaft, großer kultureller Pluralität und einer multiethnischen Bevölkerung, die nicht nur durch die in Israel lebenden Araber geprägt ist, sondern auch durch eingewanderte Juden aus den unterschiedlichsten Kulturen. In Israel kann man studieren, wie eine Einwanderungsgesellschaft funktioniert, wenn man sich auf eine gemeinsame Basis verständigt hat.
In mehreren Kriegen hat sich das Land gegen jene arabischen Kräfte behaupten müssen, die bis heute das Existenzrecht eines jüdischen Staates bestreiten. Mit Ägypten und Jordanien gibt es diplomatische Beziehungen, und dass jetzt ein prominentes Mitglied des saudischen Königshauses erstmals eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützt, galt als Sensation.
„Die Verantwortung für die Sicherheit Israels … kennt keine Schlussstriche“
Die Kehrseite der arabischen Weigerung, die Realität Israels anzuerkennen, ist die Expansion der jüdischen Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten, durch die wiederum eine Zwei-Staaten-Lösung in weite Ferne gerückt ist. Zum tristen Alltag gehört auch, dass sich arabische Golf-Airlines weigern, jüdische Passagiere zu befördern. Und Alltag sind antisemitische Attacken mitten in Deutschland, und nicht nur hier.
Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hat in einer Rede vor der Knesset die historische Verantwortung für Israel als Teil der deutschen Staatsräson beschrieben. Bundespräsident Joachim Gauck relativierte diese Formulierung der Kanzlerin vier Jahre später – bestimmend seien für Deutschland die Sicherheit und das Existenzrecht des Staates Israel.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier formulierte jetzt in seiner Gratulation zum israelischen Staatsjubiläum, „die Verantwortung für die Sicherheit Israels … kennt keine Schlussstriche, nicht für Nachgeborene und nicht für diejenigen, die später hinzugekommen sind“. Dazu gehört unstrittig, dass Juden in Deutschland vor antisemitischen Attacken geschützt und die Angreifer sanktioniert werden müssen.