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Ein Wochenende mit Papa - wenn Mama in Hartz IV ist, kann sie das teuer zu stehen kommen.
© Frank Leonhardt/picture alliance-dpa

Alleinerziehende: "Vater zahlt, Vater Staat drückt sich"

Wenn Väter tageweise ihre Kinder betreuen, wird Müttern, die Hartz IV beziehen, das vom Geld abgezogen. Das belastet Alleinerziehende unnötig, meint eine Juristin im Interview.

Maria Wersig ist Juristin und Professorin an der Fachhochschule Dortmund. Beim Deutschen Juristinnenbund leitet sie die Kommission "Recht der sozialen Sicherheit, Familienlastenausgleich".

Frau Wersig, das Arbeitsministerium plant, im Rahmen der Reform des Sozialgesetzbuchs II klar und tagesgenau zu regeln, was Alleinerziehenden in Hartz IV noch an Geld zusteht, wenn auch der getrennt lebende Partner die Kinder zeitweise betreut. Der Deutsche Juristinnenbund ist dagegen – warum? 

Dieser Teilungsgedanke geht davon aus, dass die Kosten gleich bleiben, der Bedarf von Kindern also tageweise berechnet werden kann. Das halten wir für eine Illusion, schließlich laufen die Kosten zum Beispiel für Versicherungen, Vereinsbeiträge, Strom und Telefon auch dann weiter, wenn das Kind zeitweise beim andern Elternteil ist. Für ein Kind von 12 Jahren sind in Hartz IV 270 Euro im Monat vorgesehen, das ist schon ein sehr geringer Betrag. Das wird dann durch 30 geteilt, um den Tagessatz zu erhalten, neun Euro. Sie können sich ausrechnen, was aufläuft, wenn ein Kind an vier Wochenenden nicht im Haushalt seiner Mutter ist.  

 Aber der Vater hat durch diese Wochenenden auch Kosten.

 Das stimmt, Kinder brauchen auch in beiden Haushalten eine gewisse Grundausstattung, da laufen einige Kosten eher doppelt auf, als dass sie man sie aufteilen könnte. Wir sind deshalb dafür, dass er eine Pauschale für diesen sogenannten Umgangsmehrbedarf erhält, ohne dass dem alleinerziehenden Elternteil Geld abgezogen wird. Wenn beide Eltern Umgang mit dem Kind haben und das gut läuft, sollte daran ja eigentlich auch der Gesetzgeber ein Interesse haben, statt finanzielle Anreize zu setzen, den Kontakt möglich gering zu halten. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Gesetzesreform mit Verwaltungsvereinfachung begründet wird. Das Gegenteil wird der Fall sein.

Maria Wersig ist Juristin und Professorin an der Fachhochschule Dortmund. Beim Deutschen Juristinnenbund leitet sie die Kommission "Recht der sozialen Sicherheit, Familienlastenausgleich".
Maria Wersig ist Juristin und Professorin an der Fachhochschule Dortmund. Beim Deutschen Juristinnenbund leitet sie die Kommission "Recht der sozialen Sicherheit, Familienlastenausgleich".
© Hoffotografen/privat

Was macht Sie so sicher?

Die bisherige Erfahrung. Seit das Bundessozialgericht – sehr zu Recht übrigens – feststellte, dass auch der umgangsberechtigte Elternteil Ansprüche hat, sofern sie oder er selbst in Hartz IV ist, müssen die Gerichte entsprechend entscheiden und den Anspruch des sorgeberechtigten Elternteils kürzen. Diese Aufteilung des Kindesanteils nach Tagen ist ein unglaublicher Aufwand, Anwältinnen berichten uns, dass sie 50 bis 60 Seiten lange Bescheide bekommen. Die versteht kein Mensch mehr, der Beratungsbedarf ist enorm. Wenn das erst im Gesetz steht, werden diese Fälle in der Praxis drastisch zunehmen. Einmal ganz abgesehen davon, dass man so vielleicht die Sozialgerichte ent-, aber dafür die Familiengerichte belastet. In den Familien wird es neuen Streit um Umgangsrechte geben, die dann vor Gericht landen. Geld und Umgang sollten nichts miteinander zu tun haben. Dass Mütter sich fragen, ob sie es sich leisten können, dass die Kinder beim Vater übernachten, das kann es doch nicht sein.

Der Juristinnenbund kritisiert auch, dass diese Regelung im Widerspruch zum Unterhaltsrecht wäre. Ein unterhaltspflichtiger Vater kann die Kosten erst aufteilen, wenn er die Kinder mindestens zur Hälfte selbst betreut. Fürchten Sie, dass die Hartz-IV-Änderung auch aufs Unterhaltsrecht durchschlüge?

Das ist nicht ausgeschlossen, wobei es grundsätzlich gut ist, dass Unterhalts- und Sozialrecht aufeinander abgestimmt sind. Unsere Kritik richtet sich vor allem dagegen, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird. Vater muss zahlen, Vater Staat drückt sich – so geht es nicht. Und es geht da um keine kleine Gruppe: 39 Prozent der Alleinerziehenden sind in Hartz IV.

Wie schätzen Sie die Chancen Ihres Vorschlags ein?

Immerhin hat sich der Bundesrat ebenfalls für einen Umgangsmehrbedarf ausgesprochen. Im Grunde müsste sich das durchsetzen: Politisch wird immer wieder diskutiert, wie die Lage von Alleinerziehenden zu verbessern wäre; dazu passt das aktuelle Vorhaben des Arbeitsministeriums schlecht. Ein bisschen setzen wir auch auf den Genderaspekt: Fraueninteressen werden immer noch eher weniger gehört. Und Alleinerziehende sind in der sozialen Realität vor allem Frauen. Der Umgangsmehrbedarf käme insofern vor allem Männern zugute. Vielleicht hilft das ja.

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