Ohne US-Kampfjets keine Sicherheit: US-Abzug aus Afghanistan setzt Bundeswehr unter Druck
Donald Trump will tausende US-Soldaten aus Afghanistan heimholen. Das setzt die Bundeswehr unter Zugzwang. Ihr Rückzug ist schon im Gang.
Dass Heiko Maas die Entscheidung falsch findet, die US-Truppen in Afghanistan massiv auszudünnen, daraus macht der deutsche Außenminister kein Hehl. Mitten im laufenden Friedensprozess mit den Taliban sei das überstürzt, bekräftigt Maas am Donnerstag. Aber wenn Donald Trump schon einen Teilabzug bis Januar umsetzen will, dann brauchten die Verbündeten jetzt wenigstens zügig die Details. Und zwar nicht nur darüber, wie viele Amerikaner zurück in die Heimat sollen, sondern vor allem: welche.
Für die Nato-Partner liegt darin die entscheidende Frage. Ob es um Unterstützung und Absicherung aus der Luft geht, um Aufklärung, Stabsarbeit oder Logistik – die US-Streitkräfte stellen am Hindukusch Fähigkeiten zur Verfügung, ohne die die anderen verloren sind.
Der Bundeswehr im Norden Afghanistans stellt sich das Problem doppelt dringlich. Ihr kleines Außenlager in Kundus ist direkt einem US-Camp angegliedert. Ziehen die Amerikaner dort ab, müssten die Deutschen sofort mitgehen. Im großen Feldlager bei Mazar-i-Sharif ist Deutschland obendrein die Führungsnation für den gesamten Nato-Einsatz im Norden des Landes. Die US-Truppen haben das Camp Marmal längst geräumt. Aber ihre Kampfjets und -hubschrauber sorgen immer noch dafür, dass sich Taliban auf Abstand halten.
Tatsächlich werden in Berlin und vor Ort schon seit geraumer Zeit Abzugsszenarien von „ganz schnell und komplett“ bis „geregelt und in Teilen“ geplant. Ein massiver Teilrückzug der Amerikaner steht seit Trumps Amtsantritt im Raum. Mit den Friedensvereinbarungen von Doha zwischen Taliban und afghanischer Regierung, die auch den Abzug ausländischer Truppen umfasst, wurde die Aussicht konkret. Ein Viertel ihrer Truppen wollte die Nato zurückholen.
Die Deutschen gehen als letzte raus
Für die Militärs, heißt es in der Bundeswehr, bedeute Trumps Vorstoß deshalb zunächst keine Änderung der Lage. Bisher war die Bundeswehr darauf eingestellt, spätestens am 30. April 2021 den Einsatz im Norden zu beenden. Klar war auch: „Wir sind die letzten, die Camp Marmal räumen“ - die Deutschen als Führungsnation besetzen dort zentrale Posten.
Seit September sind erste Logistiker in Mazar, um den Abzug vorzubereiten. Seit dem 1. November geht eine gute Hundertschaft konkret der Aufgabe nach, die offiziell „Rückverlege- und Verwertungsorganisation“ heißt. Weniger offiziell heißt der Job in der Nato „aggressive housekeeping“, zu Deutsch: rabiates Enrümpeln.
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Längst nicht alles Material, das die Bundeswehr in das Wüstencamp geschafft hat, kann oder muss auch wieder nach Hause. Bei manchem wäre der Rückflug, für den in der Hauptphase „Antonow“-Großraumtransporter angemietet werden müssen, schlicht nicht rentabel. Was aktuell nicht mehr benötigt wird, reist deshalb jetzt schon mit den regulären Truppenflügen heim.
Vernichten kann besser sein als zurücktransportieren
Anderes ist verschlissen oder müsste umständlich behandelt werden. Als die Isaf-Truppen aus Ex-Jugoslawien abrückten, verbrannten sie Rücksäcke, um nicht Tierseuchen einzuschleppen.
Wieder anderes Material kann die afghanische Armee brauchen. Deren Ausbildung ist offizieller Auftrag des Mandats „Resolut Support“. Aber seit die Ausbilder aus Sorge vor Attentaten nur noch mit Leibwächtern in Bunkern unterrichten und nicht mehr mit ihren Schülern nach draußen vor die Lagertore dürfen, ist davon ohnehin nicht viel geblieben.
Offen ist, wieviel überhaupt bleibt von dem Einsatz, der als Nato-Solidaritätsaktion mit den USA nach den Anschlägen vom 11. September begann. "Wir folgen natürlich den politischen Vorgaben“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Aber seine Chefin ist auch nach einem Telefonat mit dem kommissarischen US-Kollegen Christopher Miller offenbar nicht schlauer, wie diese Vorgaben aus Washington lauten werden. In Trumps restlicher Amtszeit, seufzte Annegret Kramp-Karrenbauer bei einem Gespräch bei der „Augsburger Allgemeinen“, müsse man wohl einfach mit Entscheidungen leben, „die sich nicht von selbst erklären“.