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„Endlose Kriege beenden“ - das hat Donald Trump seinen Wählern versprochen. Hier besucht der US-Präsident Truppen in Afghanistan.
© Alex Brandon/AP/dpa

Noch zwei Monate bis zur Amtsübergabe: Was Trump jetzt noch anrichten kann

Donald Trump ist noch bis Januar Präsident. Iran angreifen, Bidens Wahl verhindern, sich vor Strafe schützen – sind das realistische Szenarien?

Das Wichtigste vorneweg: Auch wenn Donald Trump die Realität nicht zur Kenntnis nehmen will - am 20. Januar 2021 wird in Washington der 46. Präsident der Vereinigten Staaten eingeschworen werden, und der wird aller Voraussicht nach Joe Biden heißen. Da es bis dahin aber noch 64 Tage sind, und weil Trump Trump ist, lautet die große Frage: Was kann der Republikaner bis dahin noch anrichten?

DIE STIMMUNG VERMIESEN

Auf der Prioritätenliste steht offenbar ganz oben, seinem Nachfolger den Start so schwer wie möglich zu machen. Darum weigert sich Trump, mit Bidens Übergangsteam zu kooperieren, und hetzt seine Anhänger auf, indem er behauptet, ihm werde der Wahlsieg gestohlen. Diese glauben das zu großen Teilen, wie Umfragen nahelegen. Biden wird die Herkulesaufgabe vollbringen müssen, diesen Teil Amerikas davon zu überzeugen, dass er ein legitimer Präsident ist. Damit einher geht die Gefahr, dass sich die Republikaner im Kongress unter dem Druck der Basis in eine Fundamentalopposition begeben, die es der Biden-Regierung schier unmöglich macht, nötige Kompromisse auszuhandeln.

BUNDESSTAATEN UNTER DRUCK SETZEN

Die Bundesstaaten sollen ihre endgültigen Ergebnisse bis zum 8. Dezember beglaubigen und nach Washington melden. Am 14. Dezember stimmen dann die 538 Wahlleute über den nächsten Präsidenten ab. Immer wieder wird spekuliert, dass Staaten, in denen zwar Biden gewonnen hat, deren lokale Parlamente aber wie in Pennsylvania und Michigan von Republikanern kontrolliert werden, sich bei der Benennung der Wahlleute für das „electoral college“ nicht an das Ergebnis halten könnten. Etwa, indem sie behaupten, es habe Wahlbetrug gegeben.

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Diese Möglichkeit gibt es theoretisch, und Trump hat sich auch schon in diese Richtung geäußert. Aber in beiden Staaten gehören die Gouverneure der Demokratischen Partei an, sie müssten das unterschreiben. Unwahrscheinlich ist auch, dass Gerichte diesen Schritt ermöglichen würden.

EINEN KRIEG BEGINNEN

Trump ist stolz darauf, dass in seiner Amtszeit kein Krieg begonnen wurde. Das könnte erklären, warum er sich offenbar von der Idee eines Militärschlags auf iranische Atomanlagen abbringen ließ. Der „New York Times“ zufolge fragte er bei einem Treffen am Donnerstag im Oval Office unter anderem seinen Vize Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo, Generalstabschef Mark Milley und den amtierenden Verteidigungsminister Christopher Miller, ob er in den kommenden Wochen gegen den wichtigsten Atomstandort des Irans vorgehen könne.

Damit könnte Natans gemeint gewesen sein, wie die Zeitung schreibt, wo zwölf Mal so viel leicht angereichertes Uran lagere als nach dem Internationalen Atomabkommen von 2015 erlaubt, dem Abkommen, aus dem die USA unter Trump ausgestiegen sind. Seine Berater warnten ihn demnach vor einer Eskalation des Konflikts zum Ende seiner Präsidentschaft. Trump könnte aber schnell noch neue Sanktionen verhängen, um Biden einen diplomatischen Neuanfang zu erschweren, auf den unter anderem Großbritannien, Frankreich und Deutschland hoffen.

TRUPPEN ABZIEHEN

Statt einen Krieg zu riskieren zieht Trump lieber weiter Truppen ab. Vor der Wahl 2016 hatte er seinen Wählern versprochen, die „endlosen Kriege“ zu beenden, also zumindest das amerikanische Engagement in diesen. Das Versprechen will er halten.

Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) kündigte Verteidigungsminister Miller an, dass die Zahl der Soldaten in Afghanistan und dem Irak auf jeweils etwa 2500 reduziert werden soll – bis zum 15. Januar, das wären gerademal fünf Tage vor Bidens Vereidigung. In Afghanistan sollen nach Angaben von CNN derzeit noch rund 4500 US-Soldaten stationiert sein, im Irak 3000. Auch aus Syrien und Somalia könnte der Großteil der Soldaten abgezogen werden.

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Spätestens seit der Entlassung von Verteidigungsminister Mark Esper und weiterer hochrangiger Pentagon-Mitarbeiter vor einer Woche war ein solcher Schritt erwartet worden. Unter anderem war der ehemalige Heeresoffizier Douglas Macgregor zum leitenden Berater Millers ernannt worden. Macgregor ist als Kritiker der Einsätze im Irak und in Afghanistan bekannt.

UMGANG MIT CHINA ERSCHWEREN

Schon jetzt ist das Verhältnis zu Peking eine der größten Herausforderungen für die neue Regierung in Washington. Trump hat den Handelskonflikt mit China eskaliert, dem er auch vorwirft, für das Coronavirus verantwortlich zu sein. Wie die USA unter Biden künftig mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt umgehen, ist auch für Europa von enormer Bedeutung. So muss Biden entscheiden, ob er Strafzölle auf chinesische Importe in Höhe von 360 Milliarden Dollar in Kraft lässt oder sie für Zugeständnisse etwa beim Klimaschutz benutzt.

Am Montag erklärte er, die USA und ihre Verbündeten müssten Chinas wachsendem Handelseinfluss entgegentreten. Trump könnte es seinem Nachfolger deutlich erschweren, die Beziehungen wieder zu verbessern. Danach sieht es auch aus: Am Donnerstag ließ er schon mal per „executive order“ Investitionen in chinesische Firmen verbieten, die Verbindungen zum Militär haben.

SICH SELBST BEGNADIGEN

Dass Trump am 20. Januar auf den Stufen des Kapitols neben Biden steht und ihm viel Glück im neuen Amt wünscht, ist schwer vorstellbar. Nicht nur, weil er selbst nach seinen eigenen Worten ein schlechter Verlierer ist, sondern auch, weil ihm nach dem Ende seiner Amtszeit gleich mehrere Strafverfahren drohen.

Daher lautet eine Spekulation, dass er noch vorher zurücktritt und sich dann von seinem Vize Pence begnadigen lässt, der bis zu Amtseinführung Bidens die Regierungsgeschäfte übernehmen würde. Ob dies vor Gerichten Bestand haben würde, ist indes offen. Auch würde er damit selbst den Eindruck erwecken, schuldig zu sein.

Durchaus wahrscheinlicher klingen Überlegungen, dass Trump sich einfach irgendwann in sein Anwesen in Florida zurückzieht und die Amtsübergabe an Biden schwänzt. Für den „disruptor in chief“, der so gerne mit Traditionen bricht, könnte das der passende Abgang sein.

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