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Gegen das Schweigen der Weißen: Protest in Düsseldorf Mitte Juli.
© Björn Kietzmann

Evangelische Kirche und Rassismus: „Unchristlich und sündhaft“

Ein neues Papier aus der evangelischen Kirche wird grundsätzlich: Es nennt die Abwertung von Menschen unvereinbar mit dem Christentum.

Die evangelische Kirche verschärft ihre Abgrenzung nach Rechts. Ein Jahr nach einer harten Stellungnahme zum Kirchenbild der AfD hat die Evangelische Akademie in Berlin jetzt eine Erklärung formuliert, die Rassismus und Forderungen, die Grenzen gegen Flüchtlinge abzudichten,  als unchristlich brandmarkt. Jede Form des Rassismus ist mit der Zugehörigkeit zum Leib Christi unvereinbar“, heißt es im Text mit dem Titel "Glaube, Liebe, Hoffnung - Orientierungsversuche in Zeiten des Streits". Migration lediglich als Problem zu sehen, sei nicht nur „gegen die Wurzeln menschlicher Entwicklung gerichtet“, sondern auch gegen „biblische Weltdeutung“.

Migration in der Bibel "Mutter aller Entwicklung"

Schon in der Heiligen Schrift sei Verheißung mit Aufbruch verbunden: „Abraham und Sara verlassen ihr Vaterland, Israel die Sklaverei in Ägypten, David die Herde seines Vaters, Jeremia seine geordneten Verhältnisse. Jesus kehrt mit Maria und Joseph zurück nach Ägypten“. Die Bibel selbst behandle „Migration als die Mutter aller Entwicklung“.  Die Autoren zitieren Genesis 1,26 mit den Worten, „dass jedes menschliche Wesen geschaffen wurde als ein Ebenbild Gottes“. Deswegen seien „alle Ideen, Anschauungen oder politische Aussagen, die rassistische Vorurteile, Ängste und Sprache benutzen, Sünde – eine Sünde, die tief in die Geschichte des weißen Europas eingeschrieben ist und immer noch fortbesteht“. Der Glaube an Europas Überlegenheit, Rassismus, Judenfeindschaft ebenso wie „die männliche Vorstellung von Überlegenheit“, heißt es weiter, „lehnen wir als unchristlich und sündhaft ab“.

Autoren des Papiers sind Heinz-Joachim Lohmann und Christian Staffa, beide Studienleiter und Mitarbeiter der Arbeitsstelle für demokratische Kultur der Akademie. Heinz-Joachim Lohmann ist außerdem Beauftragter der Berlin-Brandenburgischen Kirche zum Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Christian Staffa ist Antisemitismusbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Kirche soll aus der Schrift Orientierung gewinnen

In der Frage Antisemitismus teilt ihr Text in beide politischen Richtungen aus. „Wir halten es für unerträglich, die Politik Israels mit der des nationalsozialistischen Deutschlands zu vergleichen“, schreiben Lohmann und Staffa über ein Narrativ, das auch auf der Linken nicht selten ist. Zugleich bedeute der Bezug auf den Juden Jesus, Verantwortung zu übernehmen „nicht nur für unsere Verstrickungen in gegenwärtiges Unrecht, sondern auch für die Un-Taten der Generationen vor uns“.  Darum lehne man „die Umdeutung des Nationalsozialismus in eine Fußnote der Geschichte“ ab „und den Versuch, eine ungebrochene deutsche Heldengeschichte zu generieren, ebenso wie die Erklärung von Nation und Volk zum Ziel der Geschichte und von Fremden zu Feinden“.

Das Papier ruft die evangelische Kirche dazu auf, sich nicht angesichts massenhafter Kirchenaustritte von „Sehnsucht nach einer vergangenen Normalität“ beirren zu lassen, sondern die biblische Botschaft weiterzutragen. Sie müsse  in einer „auf Sturm gestellten Großwetterlage“, dem Wiederaufleben von Theorien der Ungleichheit, immer wieder neu über ihre Grundlagen nachdenken „und aus der Schrift Orientierung“ gewinnen.

Gottvater als "deutscher Nationalgott"

Die Mitgliederzahlen der Gemeinden entwickelten sich seit Jahrzehnten zurück; man dürfe nicht so tun, als sei dieser Trend umkehrbar, sondern sich vielmehr über die freuen, die bleiben, und mit ihnen arbeiten. Ähnlich hatte sich kürzlich schon der Vorsitzende des Rats der EKD, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, geäußert. Heute seien Menschen aus freien Stücken Kirchenmitglieder; er wünsche sich die Zeiten nicht zurück, da schief angesehen wurde, wer nicht einer Kirche angehörte oder den Gottesdienst besuchte.

Lohmann hatte bereits im August des vergangenen Jahres eine scharf formulierte Stellungnahme gegen die Kirchenpolitik der AfD veröffentlicht. Darin warf er der Partei vor, zu jener nationalkonservativen Kirche zurückzuwollen, die "Gottvater zum deutschen Nationalgott" machte, im Kaiserreich die aggressive und autoritäre Politik des Wilhelminismus legitimierte und die später "empfänglich" für den Nationalsozialismus war.

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