Evangelische Kirche zur AfD: „Kein Recht auf gesellschaftliche und politische Akzeptanz“
Die evangelische Kirche greift die AfD scharf an. Deren Ideal sei die Kirche aus Kaiserreich und NS-Zeit. Sünden von damals werde man nicht wiederholen.
Die evangelische Kirche hat äußerst scharf auf Angriffe der AfD gegen sie reagiert. In einem jetzt veröffentlichten Papier weist Heinz-Joachim Lohmann, der Beauftragte der Berlin-Brandenburger evangelischen Kirche zum Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die AfD-Kritik an politischen Positionen der Kirche zurück und wirft ihr sogar Putschbestrebungen vor: „Die AfD steht für den Umsturz und die Machtübernahme durch die ,liberal Konservativen’ und die ,konservativ Patriotischen’“, schreibt Lohmann gleich zu Anfang des Papiers.
AfD hat "kein Recht auf gesellschaftliche und politische Akzeptanz"
Die Partei strebe „aus allen Knopflöchern nach Macht“ und mache in ihren Verlautbarungen deutlich, „dass sie diese Macht skrupellos gegen alles einsetzen wird, was sich ihr und ihren Zielen in den Weg stellt.“ Das Papier „Kommentar zum Kirchenpapier der Alternative für Deutschland“ reagiert auf einen Text der thüringischen AfD von Juni unter dem Titel „Unheilige Allianz. Der Pakt der Evangelischen Kirche mit dem Zeitgeist und den Mächtigen“. Es lässt sich aber durchaus als Kampfansage gegen die Partei lesen, zumal es als Handreichung für evangelische Gemeinden in Berlin und Brandenburg gedacht ist.
Verbreitet wird es über die Evangelische Akademie in Berlin, die Presseerklärung hat auch Christian Staffa unterschrieben, an der Akademie Studienleiter für demokratische Kultur und Kirche und Vorsitzender der AG Juden und Christen beim Evangelischen Kirchentag. Im Papier heißt es weiter: Da Deutschland 2019 ein Rechtsstaat sei, als dessen Teil sich auch die evangelische Kirche sehe, könne die AfD bei Wahlen antreten und ihr Programm verbreiten, aber: „Das Recht auf gesellschaftliche und politische Akzeptanz ergibt sich dadurch nicht.“
Nationalkonservative Geschichte der Kirche als Grund für Abgrenzung heute
Ausführlich nimmt der Text die problematische Geschichte der evangelischen Kirche in den letzten 150 Jahren in den Blick, vor allem ihre Kollaboration im Nationalsozialismus, und leitet von ihr die Abgrenzung zur AfD ab: Die Kirche sei im Kaiserreich 1871 bis 1919 „Ideen- und Zielgeber“ der wilhelminischen Monarchie gewesen, habe gegenüber der Arbeiterbewegung und zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs versagt und die demokratische Weimarer Republik nicht anerkannt.
Sie habe sich „stattdessen an nationalistische Träume“ geklammert, was sie „empfänglich machte“, die NS-Diktatur zu unterstützen. Die Kirche habe damals Gottvater zum „deutschen Nationalgott“ gemacht, und eben diesen „nationalen Götzen“ fordere die AfD wieder zurück. Das Papier verweist hier auf Christoph Berndt, Nummer zwei auf der AfD-Landesliste für den brandenburgischen Landtag, der der Amtskirche vorwerfe, dass sie „das Land“ verloren gehen lasse.
Das Papier nimmt sich dann Punkt für Punkt die AfD-Kritik vor: Zum Vorwurf, sie engagiere sich in Geschlechterfragen und vertrete die Anliegen von Homosexuellen, heißt es, auch die Bibel kenne nicht nur das Zusammenleben eines Mannes und einer Frau, sondern etwa die Polygamie. In der Kirche müsse "immer wieder neu bedacht und diskutiert werden", wie neue Formen "im Geist des Neuen Testaments umgesetzt werden können".
Zur AfD-Klage, die heutige Kirche distanziere sich von Luthers Christentum und Bibel, heißt es, dass die Luther-Bibel aus den 16. Jahrhundert zwar ein Meilenstein der deutschen Texttradition sei, aber "in keinem Fall" höher zu bewerten sei als die griechischen Originaldokumente, die Luther teils in ungenauer Übersetzung vorlagen. Die vielgeschmähte Bibel in gerechter Sprache trage etwa der Tatsache Rechnung, dass es Apostelinnen gab. Das Buch der Richter sei zum "Buch der Richterinnen und Richter" geworden, "weil die wichtigste Person im Buch eine Frau ist mit Namen Deborah". Ohne Texteingriffe sei auch der Text Luthers von 1521/22 "heute kaum mehr lesbar".
"Die AfD greift auf den autoritären und rassistischen DDR-Sozialismus zurück"
Zum Thema Migration wird auf deren zentrale Rolle im Alten wie Neuen Testament verwiesen: "Abraham verlässt sein Vaterland, Israel die Sklaverei in Ägypten, David die Herde seines Vaters, Jeremia seine geordneten Verhältnisse. Die Eltern von Jesus fliehen nach Ägypten." Die Gemeinden, die sich 2015 entschlossen hätten, sich für Flüchtlinge einzusetzen, hätten sich dazu selbst entschieden. Die AfD mache dagegen eine "Spaltung zwischen den guten einfachen Gläubigen und den schädlichen Eliten auf". In der evangelischen Kirche werde aber "in demokratischen Prozessen" entschieden.
Auch gegen den Vorwurf, die evangelische Kirche der DDR habe sich seinerzeit mit dem SED-Regime eingelassen, verwahrt sich das Papier: Diese Unterstellung durch „ im Westen geborene und sozialisierte AfD-Funktionäre, die darüber hinaus mit dem Christentum nichts am Hut haben“, sei „sachlich falsch und menschlich perfide“. Die evangelische Kirche habe an der deutschen Einheit festgehalten und es sei ihr "bis zum Schluss gelungen, Freiräume zu eröffnen und zu erhalten, Menschen gegen staatliche Repression zu unterstützen und für sich zu definieren, was Treue zu Jesus Christus in einem System bedeutet, das alle Religion ausmerzen wollte". Es sei vielmehr die AfD, die auf Ressentiments des DDR-Sozialismus zurückgreife, der "im Herzen ein autoritärer und rassistischer Nationalismus war".