Ermittlungen der Türkei: Saudi-Arabien: Khashoggi wurde vorsätzlich getötet
Riad hatte bislang behauptet, der Journalist Khashoggi sei bei einer "Schlägerei" ums Leben gekommen. Doch Ermittlungsergebnisse widersprechen dem.
Die Verdächtigen in der Khashoggi-Affäre haben die Tötung des saudischen Journalisten nach Einschätzung der Behörden in Riad vorab geplant. Die türkischen Ermittler hätten entsprechende Informationen übergeben, teilte die Generalstaatsanwaltschaft des Königreichs am Donnerstag mit, wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA berichtete. Damit weicht Saudi-Arabien von seiner bisherigen Linie in der Affäre ab.
Bislang hatte das Königreich erklärt, der Journalist Jamal Khashoggi sei im Istanbuler Konsulat Saudi-Arabiens versehentlich bei einer Schlägerei ums Leben gekommen. An dieser Version gab es jedoch erhebliche Zweifel. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach in dieser Woche von einem „brutalen Mord“.
Der 59 Jahre alte Khashoggi war Anfang des Monats in das Istanbuler Konsulat gegangen, um dort Dokumente für seine geplante Hochzeit abzuholen. Erst nach massivem internationalen Druck hatte Saudi-Arabien vor einigen Tagen zugegeben, dass der regierungskritische Journalist dort ums Leben gekommen war. Die Behörden nahmen 18 Verdächtige fest.
Kronprinz kündigt Bestrafung an
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman kündigte eine strenge Bestrafung der Täter an. Der 33-Jährige steht unter zunehmendem Druck des Westens: US-Präsident Donald Trump sagte, der Kronprinz trage die Verantwortung für den Einsatz, der zum Tod des Regierungskritikers geführt hatte.
In seiner ersten öffentlichen Stellungnahme zu dem Fall sagte bin Salman: "Wir werden der Welt beweisen, dass die beiden Regierungen (Saudi-Arabien und die Türkei) zusammenarbeiten, um jeden Verbrecher und jeden Täter zu bestrafen." Zugleich betonte er bei einer Investorenkonferenz, dass die Tat Saudi-Arabien nicht von seinem Reformkurs abbringen werde. Eine Gruppe von Abgeordneten beider Parteien im US-Repräsentantenhaus will Rüstungsexporte in das Land stoppen. US-Präsident Donald Trump erklärte erstmals, der Kronprinz trage die Verantwortung für den Einsatz, der zum Tod Khashoggis im saudiarabischen Konsulat in Istanbul geführt hat.
"Der Vorfall, der geschehen ist, ist sehr schmerzhaft, für alle Saudis", sagte Prinz Mohammed in einer Diskussionsrunde bei der Investorenkonferenz : "Der Zwischenfall ist nicht zu rechtfertigen". Wegen der Tötung des Regimekritikers hatte es aus zahlreichen westlichen Staaten und von vielen Unternehmen, darunter Siemens und die Deutsche Bank, Absagen gehagelt. In Medien war spekuliert worden, der Kronprinz habe die Tat selber angeordnet oder davon gewusst, was er aber bestreitet, auch gegenüber Trump, wie der US-Präsident angab.
Erdogan-Berater: "Blut an den Händen"
Khashoggi lebte im Exil in den USA. Inzwischen hat auch sein Sohn das Königreich nach Aufhebung einer Ausreisesperre verlassen. "Salah und seine Familie befinden sich jetzt in einem Flugzeug nach (Washington) DC", sagte Sarah Leah Whitson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag.
Die Türkei wirft Saudi-Arabien ein Mordkomplott vor. Mohammed sagte, Saudi-Arabien und die Türkei arbeiteten zusammen, "um Resulate zu erzielen". Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Mittwoch mit dem Thronfolger telefoniert und Schritte besprochen, um die Wahrheit über das Geschehen ans Licht zu bringen. Persönlich griff er Mohammed in einer Rede nicht an. Ein Berater Erdogans schrieb allerdings in einer türkischen Zeitung, Prinz Mohammed habe "Blut an seinen Händen".
Der Kronprinz bezeichnete dagegen die Zusammenarbeit mit der Türkei als besonders: "Es gibt jetzt diejenigen, die versuchen, die schmerzhafte Situation auszunutzen, um eine Kluft zwischen dem Königreich und der Türkei aufzureißen." Dies sei aber nicht möglich, solange es König Salman und ihn selbst als Kronprinzen in Saudi-Arabien und Präsident Erdogan in der Türkei gebe.
Saudi-Arabien feiert Investorentreffen als Erfolg
Saudi-Arabien bezeichnete seine Investorenkonferenz ungeachtet der internationalen Proteste als Erfolg. Energieminister Chalid al-Falih sagte am Donnerstag im Staatsfernsehen, sein Land habe mehr als 25 Verträge unterzeichnet im Gesamtwert von 56 Milliarden Dollar. Der Großteil davon sei mit US-Unternehmen geschlossen worden. "Die USA werden ein wichtiger Bestandteil der saudiarabischen Wirtschaft bleiben", ergänzte er. Die Konferenz in Riad sei zwar von einer Boykott-Kampagne geschwächt worden. Diese sei aber letztlich gescheitert.
In Reaktion auf den Tod Khashoggis hatten mehr als zwei Dutzend führende Regierungsvertreter und Konzernchefs ihre Teilnahme an dem Treffen abgesagt. Dazu gehörte Siemens-Chef Joe Kaeser.
Am Donnerstagabend versammelten sich Verwandte und Weggefährten des getöteten Journalisten zu einer Mahnwache vor dem saudi-arabischen Konsulat im türkischen Istanbul. An der Veranstaltung beteiligten sich Dutzende Menschen. Sie forderten Gerechtigkeit und erinnerten an Khashoggi.
Nach Angaben eines Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP entzündeten die Teilnehmer Kerzen. Bei ihnen handelte es sich um Angehörige Khashoggis und andere Journalisten. Diese schlossen sich inzwischen zu einer Vereinigung der Freunde von Jamal Khashoggi zusammen. Die Mahnwache war deren erste Aktion.
"An diesem Ort, an dem Jamal starb, halten wir fest, dass wir keinen Kompromiss akzeptieren (...) und zu Versuchen, Schuldige der Gerechtigkeit vorzuenthalten, nicht schweigen werden", sagte Ayman Nour, Mäzen eines oppositionellen ägyptischen Fernsehsenders.
Merkel verurteilt Tat bei Telefonat mit König Salman
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in einem Telefonat mit Saudi-Arabiens König Salman die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudiarabischen Konsulat in Istanbul "aufs Schärfste" verurteilt. Merkel habe das Königreich dazu aufgerufen eine "rasche, transparente und glaubhafte Aufklärung sicherzustellen", hieß es am Donnerstagabend in einer von Regierungssprecher Steffen Seibert im Kurzbotschaftendienst Twitter verbreiteten Erklärung. Demnach stehe "Deutschland bereit, zusammen mit internationalen Partnern angemessene Maßnahmen zu ergreifen".
Khashoggi wurde seit seinem Besuch im saudiarabischen Konsulat in Istanbul Anfang Oktober vermisst. Saudi-Arabien gestand erst nach wochenlangem Dementi, dass der regierungskritische Journalist dort getötet wurde. (dpa, Reuters, AFP)