Staatenlose: UN fordern Einbürgerung von Flüchtlingen
Weltweit gibt es zehn Millionen Menschen, die keine Staatsangehörigkeit besitzen. In Deutschland sind es knapp 14.000. Doch die Dunkelziffer ist viel höher, sagen Experten und fordern Reformen.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, hat eine Kampagne gestartet, um auf die schwierige Situation von "Staatenlosen" aufmerksam zu machen. UNHCR-Hochkommissar Antonio Guterres nennt die Tatsache, dass Menschen ohne Staatsangehörigkeit leben müssen, eine "schlimme Anomalie des 21. Jahrhunderts". Laut Guterres gibt es rund zehn Millionen Staatenlose. Für die Betroffenen bedeute die Staatenlosigkeit oftmals "ein Leben ohne Bildung, Gesundheitsversorgung und reguläre Arbeit, ein Leben ohne Bewegungsfreiheit, Hoffnung und Zukunftsperspektive", schrieb der Hochkommissar gemeinsam mit 20 Prominenten in einem Brandbrief. Auch der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu gehört dazu. Die Unterzeichner empfinden die Klassifizierung eines Individuums als staatenlos als "unmenschlich". Trotz einer 1961 unterzeichneten internationalen Konvention zur Abschaffung der Staatenlosigkeit bestehe das Problem auch 53 Jahre später noch. Guterres appellierte: Die Länder müssten Staatenlosigkeit durch Reformen ihrer Gesetze beenden. Kein Kind dürfe staatenlos zur Welt kommen. Konkret plädiert er für die Einbürgerung von staatenlosen Flüchtlingen.
Auch in Deutschland gibt es Staatenlose
In Deutschland gelten für Staatenlose seit den 1970er Jahren "erleichterte Einbürgerungsvoraussetzungen", wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage mitteilte. Deutschland habe somit bereits früh "Schritte zur Beendigung von Staatenlosigkeit unternommen". Derzeit leben in Deutschland nach Auskunft des Ministeriums insgesamt 13.997 Personen ohne Staatsangehörigkeit. Meist sind es Kriegsflüchtlinge ohne Papiere. Grundlage für ihren Status bildet ein internationales Abkommen aus dem Jahr 1954, das aber erst 1976 gesetzlich verankert wurde. Das Abkommen sollte ursprünglich vor allem die Lage von Flüchtlingen und Verschleppten aus dem Zweiten Weltkrieg verbessern. Im Grundsatz verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, Staatenlosen die gleichen Rechte einzuräumen wie anderen Ausländern, die in ihrem Hoheitsgebiet leben. Sie sollen Sozialleistungen erhalten können, Zugang zu Schulen erhalten und auch zum Arbeitsmarkt. Die Bundesrepublik strich in seinem "Gesetz zu dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen" allerdings den Artikel des Abkommens, dass Staatenlosen das Recht auf einen Personalausweis zuspricht. Stattdessen erhalten die Betroffenen einen "Reiseausweis für Staatenlose". Außerdem entschied der Bundestag, nicht wie im Abkommen vereinbart allen Staatenlosen, sondern nur Flüchtlingen "in bezug auf öffentliche Fürsorge und Unterstützung die gleiche Behandlung wie ihren Staatsangehörigen" zu gewähren.
Asylexperten beklagen Misstrauen gegenüber Flüchtlingen
Doch diese Einschränkungen sind nach Ansicht von Reinhard Marx, Rechtsanwalt aus Frankfurt, der auch für Organisation Pro Asyl tätig ist, nicht das größte Problem für Staatenlose in Deutschland. Marx erlebt in seiner Berufspraxis vielmehr immer wieder, dass Flüchtlinge über Jahre in einem Schwebezustand leben müssen, weil sie nicht als staatenlos anerkannt werden. Er beklagt "eine von Misstrauen geprägte Verwaltungspraxis" gegenüber Flüchtlingen in Deutschland. "Insgesamt leben in Deutschland rund 200.000 Menschen ohne Identität, die hier nur geduldet werden und keinen regulären Aufenthaltsstatus haben", erläutert er. Darunter seien zweifellos viele Flüchtlinge, die bewusst falsche Angaben zu ihrer Herkunft machten oder diese verschwiegen, um nicht abgeschoben zu werden. "Der überwiegende Teil täuscht aber nicht." Er selbst vertrete beispielsweise zwei junge afghanische Cousins, die als Kinder mit ihrem Großvater aus ihrer Heimat geflohen seien, nachdem ihre Eltern im Bürgerkrieg umgekommen seien. Auf der Flucht sei auch der Großvater gestorben. "Die beiden haben keine Pässe und auch keine Geburtsurkunden, weshalb Afghanistan sie nicht als Staatsbürger anerkennt. Doch die deutschen Behörden glauben ihnen schlicht nicht, dass sie genug unternommen haben, um einen afghanischen Pass zu erhalten", berichtet Marx. Die Folge: "So lange die Herkunft nicht eindeutig geklärt ist, können die beiden jungen Männer zwar nicht abgeschoben werden, ohne Pass oder den Reiseausweis für Staatenlose können sie aber auch kein normales Leben in Deutschland führen." Sie dürften beispielsweise kein Konto eröffnen, nicht reisen oder heiraten und auch keine Einbürgerung beantragen. "Sie sind schlicht in einer miserablen Position", sagt Marx.
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