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Ein türkischer Panzer Leopard 2A4 fährt am Sonntag in der Provinz Hatay, Türkei, in der Nähe der syrischen Grenze.
© dpa
Update

Offensive in Syrien: Türkei setzt offenbar deutsche Panzer ein

Im Kampf gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien nutzt die Türkei wohl deutsche Leopard-Panzer. Das bringt die Bundesregierung in die Bredouille.

Die türkischen Streitkräfte setzen bei ihrer Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien offensichtlich auch deutsche Kampfpanzer ein. Ein Experte aus der Bundeswehr bestätigte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Montag, dass Bilder von der Militäroperation Panzer vom Typ „Leopard 2 A4“ aus deutscher Produktion zeigten. Entsprechende Fotos wurden von der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, aber auch von internationalen Agenturen verbreitet.

Die Bilder bringen die Bundesregierung in die Bredouille, weil sie im Zuge der deutsch-türkischen Entspannungsbemühungen eine Nachrüstung der Panzer zum besseren Schutz vor Minen prüft. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte nach dem Treffen mit seinem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu Anfang Januar dafür geworben. Das Auswärtige Amt wollte am Montag nicht sagen, ob diese Haltung noch gilt. Die Opposition ging auf die Barrikaden: Grüne und Linke forderten einen sofortigen Stopp der militärischen Kooperation mit der Türkei.

Von der Bundesregierung gab es keine Bestätigung für den Einsatz der Panzer. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte lediglich, dass bisher nicht verifiziert werden konnte, wann die Bilder aufgenommen worden seien. Das Auswärtige Amt verwies auf ein unklares Lagebild. Ein Sprecher des für Rüstungsexporte zuständigen Wirtschaftsministeriums ergänzte: „Außer den Bildern aus den Medien, die sie alle kennen, haben wir keine Erkenntnisse über den Einsatz von Leopard-Panzern.“

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich unterdessen entschlossen, die Offensive gegen die YPG in der nordsyrischen Region Afrin fortzusetzen. Vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates machte er deutlich, dass sich sein Land nicht durch internationalen Druck davon abbringen lassen werde. „Afrin wird abgeschlossen. Es gibt keinen Schritt zurück aus Afrin“, sagte er in Ankara. Das habe die Türkei gegenüber Russland und Amerika sowie anderen Koalitionspartnern deutlich gemacht.

Der UN-Sicherheitsrat befasst sich am Montag mit dem Thema

Der UN-Sicherheitsrat will sich auf Initiative Frankreichs noch am Montag mit dem Thema befassen. Erdogan sagte, die türkische Armee wolle nach dem Ende der Offensive nicht in Afrin bleiben.

In der Region kam es weiter zu heftigen Gefechten. Anadolu meldete, türkische Truppen seien am Montag gemeinsam mit Kämpfern der Freien Syrischen Armee weiter gegen die YPG vorgerückt, die Afrin kontrolliert. Türkische Artillerie habe erneut YPG-Stellungen beschossen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte dagegen kurdische Angaben, nach denen zuvor verlorene Posten am Montagmorgen aus den Händen der Türken und mit ihnen verbündeten Rebellen zurückerobert wurden.

Die Beobachtungsstelle berichtete, bei türkischen Luftangriffen und Artilleriebeschuss seien innerhalb von 24 Stunden mindestens 21 Menschen getötet worden, darunter sechs Kinder. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf der YPG vor, diese „täusche die Welt mit Unsinns-Propaganda und haltlosen Lügen, indem sie neutralisierte Terroristen als Zivilisten darstellt. Sie nutzen Zivilisten als menschliche Schutzschilde.“ Es gehe bei der Offensive ausschließlich um die Bekämpfung von Terroristen.

Die von der Türkei am Samstag begonnene Offensive „Olivenzweig“ zielt auf die mit den USA verbündeten kurdischen Volksschutzeinheiten YPG in der Enklave Afrin. Die Regierung in Ankara sieht in der YPG den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, aber auch in der EU und in den USA als Terrororganisation eingestuft ist. Die USA hatten vor Beginn der Offensive am Samstag an die Türkei appelliert, davon abzusehen.

"Wir bitten die Türkei dringlich darum, in ihren Militäraktionen und in ihrer Rhetorik Zurückhaltung zu üben," sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, am Montag in Washington. Ankara müsse dafür sorgen, dass die Militäroperation "in Reichweite und Dauer begrenzt" bleibe, die humanitäre Hilfe fortgesetzt und Todesopfer vermieden würden.

Deutschland liefert seit 1980er-Jahren Leopard-Panzer in die Türkei

Dass die Türkei bei der Offensive offensichtlich deutsche Panzer einsetzt, ist keine Überraschung. Deutschland hat dem Nato-Partner seit den 1980er Jahren 751 „Leopard“ geliefert. 354 davon sind vom deutlich moderneren Typ „Leopard 2“, die bereits zuvor von der Türkei im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) eingesetzt wurden.

Bei dem Einsatz wurden nach Angaben Gabriels eine Reihe Panzer von Minen zerstört und mehrere türkische Soldaten getötet. Deswegen wünscht sich die Türkei von Deutschland eine Nachrüstung mit Minenschutz. Gabriel hat Cavusoglu vor zwei Wochen eine Prüfung zugesagt. „Da muss ich ganz offen sagen, sehe ich keine richtige Argumentation, warum wir das verweigern sollten“, sagte er damals in der ARD. Er wolle keine Debatte in der Türkei erleben, „dass türkische Soldaten im Kampf gegen den IS (...) deshalb sterben, weil wir nicht bereit waren, Panzerschutzinstrumente gegen Minen zu liefern.“

Grüne und Linke sind strikt gegen Nachrüstung

Grüne und Linke sind strikt dagegen. „Es darf keine Nachrüstung türkischer Panzer durch Rheinmetall geben, und auch sonstige Kooperationen auf militärischer Ebene, auf Verteidigungsebene, sollten sofort unterbunden werden“, betonte Grünen-Chefin Simone Peter. Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte der „Heilbronner Stimme“: „Merkel und Gabriel dürfen Erdogan nicht noch Beihilfe für seinen Krieg gegen kurdische Anti-IS-Kämpfer in Syrien leisten.“

Die Bundesregierung erteilt Genehmigungen für Rüstungsexporte in die Türkei seit der Krise mit der Regierung in Ankara nur restriktiv. Der größte Streitpunkt in dem Konflikt ist die Inhaftierung des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel, der seit mehr als elf Monaten ohne Anklage in der Türkei im Gefängnis sitzt. Gabriel hatte dem „Spiegel“ zu Monatsbeginn gesagt, bei der restriktiven Haltung Berlins werde es bleiben, „solange der Fall Yücel nicht gelöst ist“. Yücel selber hatte in einem dpa-Interview mit Blick auf etwaige Rüstungsgeschäfte im Tausch gegen seine Freilassung betont: „Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung.“ (dpa, AFP)

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