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US-Präsident Donald Trump
© AFP/Jim WATSON
Update

US-Truppen in Syrien: Trumps Rückzug vom Rückzug

Der Präsident wird die US-Truppen doch länger in Syrien stationiert lassen. So soll ein türkischer Angriff auf die verbündeten Kurden verhindert werden.

Drei Wochen nach der Ankündigung von Präsident Donald Trump, die US-Soldaten aus Syrien abzuziehen, leitet Washington eine erneute Kehrtwende ein – zum Ärger der Türkei. Äußerungen hochrangiger Trump-Berater laufen darauf hinaus, dass die US-Truppen trotz des verkündeten Rückzuges bis auf weiteres in Syrien bleiben sollen.

Washington will damit unter anderem die syrischen Kurden vor einem Angriff der Türkei schützen. Auch die neue Rolle, die der Türkei im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) zugedacht ist, steht in Zweifel. Auf eine Delegation von Trump-Beratern, die am Dienstag Ankara besuchen will, warten schwierige Gespräche.

Trump hatte die Entscheidung zum Truppenabzug im Dezember in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mitgeteilt. In dem Gespräch sagte Erdogan Medienberichten zufolge, dass die türkische Armee nach dem Abzug der 2000 US-Soldaten aus Syrien die Bekämpfung des IS dort übernehmen werde.

Trumps Rückzugsbefehl war heftig kritisiert worden

Der in den USA selbst und auch in Europa heftig kritisierte Abzugsbefehl hatte insbesondere die syrische Kurdenmiliz YPG in eine schwierige Lage gebracht: Die YPG, der wichtigste Partner der USA im Kampf gegen den IS, wird von der Türkei als Terrororganisation betrachtet. Ohne den Schutz der US-Soldaten wären die Kurden einem Einmarsch der Türken ausgeliefert, die bereits Truppen an der Grenze zusammengezogen hat.

US-Außenminister Michael Pompeo sagte nun, die USA wollten weiter verhindern, dass die Türkei die Kurden „abschlachtet“. Trumps Sicherheitsberater John Bolton betonte am Sonntag, der US-Rückzug beginne erst, wenn der IS besiegt sei und ein Schutz für die syrischen Kurden bestehe. US-Medienberichten zufolge fügte ein hochrangiger Mitarbeiter Pompeos hinzu, vorerst sollten die US-Soldaten bleiben, wo sie sind: „Wir gehen nirgendwo hin.“

Mit der Rückendeckung für die YPG wollen die USA nicht nur unterstreichen, dass auf sie als Partner Verlass ist. Sie wollen auch verhindern, dass die Kurdenmiliz bei einem Angriff der Türkei rund 2000 gefangene IS-Kämpfer und Familienangehörige in ihrem Herrschaftsgebiet freilässt: Die YPG fordert schon seit langem, westliche Länder sollten ihre Staatsbürger unter den Häftlingen zurücknehmen. Freigelassene und dann heimkehrende IS-Mitglieder könnten dann in Europa und den USA Terroranschläge verüben, so die Befürchtung im Westen.

Schlechte Nachricht für Erdogan

Für die Türkei ist die neue Wende der USA eine schlechte Nachricht. Ankara hatte nach Trumps Ankündigung darauf gesetzt, das YPG-Autonomiegebiet entlang der türkischen Grenze in Nordsyrien mit einer Militärintervention zerschlagen zu können. Eine dauerhafte Präsenz amerikanischer Soldaten in dem Gebiet würde eine Großoffensive aber unmöglich machen, weil die Türkei die militärische Konfrontation mit den US-Soldaten nicht riskieren will. Boltons Hinweis auf den Schutz für die syrischen Kurden unterstreicht, dass sich die Türkei im Norden Syrien zunächst wohl zurückhalten muss.

Türkischen Medienberichten zufolge besteht eine mögliche Lösung in der Errichtung einer US-patrouillierten Pufferzone auf der syrischen Seite der Grenze, aus der die YPG abziehen müsste. Dies würde einen erheblichen militärischen Mehraufwand der Amerikaner bedeuten – obwohl Trump die Truppen eigentlich abziehen will.

Ein Offizier der US-Armee spricht mit einem Soldaten der Kurdenmiliz YPG.
Ein Offizier der US-Armee spricht mit einem Soldaten der Kurdenmiliz YPG.
© Delil Souleiman/AFP

Auch andere Pläne Erdogans geraten ins Wanken. US-Medien berichten, dass Washington die Zusage der Türkei zur Bekämpfung des IS in Syrien skeptisch sieht. Ankara verfügt demnach nicht über die nötigen militärischen Ressourcen, um die Dschihadisten in deren letztem Rückzugsgebiet rund 200 Kilometer südlich der türkischen Grenze anzugreifen.

Türkei fehlen die nötigen militärischen Ressourcen

Das „Wall Street Journal“ berichtete am Wochenende unter Berufung auf namentlich nicht genannte hohe Regierungsquellen, dass die Türkei um Hilfe unter anderem für Luftangriffe, Transporte und Logistik gebeten habe. „Die türkischen Anfragen sind so umfangreich, dass, wenn voll erfüllt, das US-Militär seine Einbindung in Syrien vertiefen würde statt sie zu reduzieren“, heißt es in dem Bericht.

Allein in der zweiten Dezemberhälfte griffen USA und YPG US-Militärangaben zufolge fast 500 Mal die IS-Stellungen an – eine solche Größenordnung traut Amerika der Türkei und deren syrischen Verbündeten nicht zu. Türkische Bitten um Hilfe der USA bei künftigen Angriffen auf den IS werden in Washington bisher ignoriert.

Bolton, Generalstabschef Joseph Dunford und der Syrien-Beauftragte James Jeffrey wollen bei Gesprächen in Ankara versuchen, eine gemeinsame Linie mit der Türkei zu finden. Gleichzeitig bemüht sich Pompeo bei einer eigenen Nahost-Reise um Schadensbegrenzung, denn Trumps Syrien-Politik verunsichert amerikanische Partner in der ganzen Region.

Bolton sicherte bereits am Sonntag bei einem Besuch in Jerusalem Israel sowie weiteren Verbündeten die fortwährende Unterstützung der USA nach einem Abzug aus Syrien zu. Ein Abzug aus dem Nordosten Syriens solle so geschehen, „dass die (Terrormiliz) Islamischer Staat geschlagen ist und sich nicht wieder erholen und erneut eine Bedrohung werden kann“, sagte Bolton nach einem Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu.

Bolton sagte, man wolle „die Verteidigung Israels und unserer anderen Freunde in der Region absolut sicherstellen und sich auch um jene kümmern, die mit uns gegen IS und andere Terrorgruppen gekämpft haben“. An der US-Unterstützung für Israels Recht auf Selbstverteidigung könne kein Zweifel bestehen, betonte Bolton. (mit dpa)

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