Syrien: Die Sieger stehen fest
Außer Empörung hat der Westen in Syrien wenig aufgefahren. Inzwischen fürchtet er die Rechnung, die ihm das einbringt. Ein Kommentar.
Nach fast acht Jahren Krieg in Syrien kann sich Präsident Baschar al Assad zufrieden die Hände reiben. Dank der Unterstützung aus Russland hat der Staatschef aus der fast sicher erscheinenden Niederlage im Krieg gegen seine Gegner einen militärischen Sieg gemacht, der nun auch im bisher kurdisch beherrschten Osten des Landes fortgesetzt werden dürfte.
Außenpolitisch wird Assad zumindest bei den arabischen Nachbarn wieder hoffähig. Sein Erfolg sichert Russland die Position einer neuen Nahost-Macht – und wirft für den Westen schwierige Fragen auf.
Aus sicherer Entfernung haben sich Europäer und US-Amerikaner in den vergangenen Jahren über Assads Verbrechen an der eigenen Bevölkerung gern empört, sie blieben aber – abgesehen von einigen vereinzelten Raketenangriffen nach Giftgaseinsätzen gegen die Zivilbevölkerung – im Großen und Ganzen untätig.
Auch als die durch den Krieg ausgelöste Flüchtlingskrise 2015 ihre eigenen Länder erreichte, änderte sich nichts an der Lethargie westlicher Staaten. Sie überließen die Initiative der russischen Regierung, die in die größer werdende Lücke stieß. Die kürzlich bekannt gewordene Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, 2000 amerikanische Soldaten aus Syrien abzuziehen, besiegelt den Erfolg Moskaus.
Und sie ermöglicht es Assad, seine Herrschaft auf den Osten des Landes auszudehnen, der bisher von den Amerikanern und deren kurdischen Verbündeten beherrscht wurde. Die in Sonntagsreden immer wieder aufgewärmte Hauptforderung westlicher Politiker nach Assads Entmachtung hat damit kaum noch Chancen auf Verwirklichung.
Arabische Staaten haben das erkannt und bereiten sich darauf vor, den Machthaber von Damaskus, der ein halbes Jahrzehnt lang als Unantastbarer galt, wieder in ihre Mitte aufzunehmen.
Nun muss der Westen entscheiden, ob Syrien trotz Assads Verbleib im Präsidentenamt finanziell unterstützt werden soll. Zwar würde Europa gerne die vielen syrischen Flüchtlinge wieder nach Hause schicken, aber das würde einen Wiederaufbau der zerbombten Städte in Syrien voraussetzen.
Doch soll man einen Diktator mit Milliardenhilfen auch noch für seine blutige Politik belohnen? Möglicherweise wäre der Westen jetzt nicht in dieser verzwickten Lage, wenn er sich entschlossener im Syrien-Konflikt engagiert hätte. Doch dafür ist es nun zu spät, die Sieger stehen fest. Sie heißen Baschar al Assad und Wladimir Putin.
Thomas Seibert