Demokraten wollen Amtsenthebung: Trumps Anhänger freuen sich auf ein Impeachment-Verfahren
Die Demokraten finden neue Argumente für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten. Doch am Ende könnte das Donald Trump sogar nützen.
Es gibt sie noch, die abweichenden Meinungen in der Demokratischen Partei. Die mahnenden Stimmen, die vor den Gefahren eines Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump warnen, obwohl die Stimmung sich offensichtlich gedreht hat. Aber sie sind zunehmend in der Minderheit.
Tulsi Gabbard ist so eine Stimme. Die Kongressabgeordnete aus Hawaii, die zu dem Dutzend amerikanischer Präsidentschaftskandidaten gehört, die sich für die nächste TV-Debatte im Oktober qualifiziert haben, warnt davor, dass ein Impeachment das ohnehin extrem gespaltene Land weiter auseinandertreiben würde. Im Interview mit der CNN-Moderatorin Brooke Baldwin erklärte Gabbard am Dienstagabend, dass sie ein solches Amtsenthebungsverfahren nicht unterstützen würde. Trump müsse von den Wählern aus dem Amt gewählt werden.
Es half nichts: Kurz nachdem sie dieses Interview gegeben hatte, trat die Mehrheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, vor die Kameras und verkündete, was viele seit Monaten ersehnt und worauf manche Republikaner genüsslich gewartet haben: Die Demokraten leiten erste Schritte für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ein, der Auftakt zu einem womöglich monatelangen Spektakel.
Pelosi beugte sich damit dem Druck, nachdem sich auf einmal immer mehr demokratische Abgeordnete dafür ausgesprochen hatten, zuletzt waren es laut US-Medien schon rund 200 der 235 Demokraten. Besondere Wucht hatte dann ein Meinungsbeitrag für die „Washington Post“ in der Nacht zu Dienstag, in dem sieben Abgeordnete ihren Sinneswandel begründeten, die erst 2018 in Trump-freundlichen Wahlkreisen gewählt worden waren. Da alle sieben zum moderaten Flügel der Partei zählen und entweder im Militär oder bei Sicherheitsbehörden tätig waren, war das ein bemerkenswerter Schritt.
Telefongespräch zwischen Trump und Selenski bringt Wende
Anlass für den dramatischen Schwenk sind neue Vorwürfe gegen Trump. Er soll in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli die Freigabe von Militärhilfe an die Lieferung von belastenden Informationen über den Sohn des derzeit aussichtsreichsten demokratischen Präsidentschaftsbewerbers, Joe Biden, geknüpft haben.
Wie ein am Mittwoch vom Weißen Haus freigegebenes Gedächtnisprotokoll des Telefonats belegt, hat Trump Selenski tatsächlich zu Untersuchungen gegen Biden aufgefordert. Von der Militärhilfe ist darin allerdings nicht die Rede. US-Medien berichteten, dass Trump kurz vor dem Telefonat angeordnet habe, bereits zugesagte Hilfen von rund 400 Millionen Dollar für die Ukraine zunächst zurückzuhalten. Die Gelder sind inzwischen geflossen, von Ermittlungen gegen Biden ist nichts bekannt. Trump bestreitet eine Verbindung.
Weitere Texte zu dem Telefonat zwischen Trump und Selenski:
- Memo belastet Trump: Weißes Haus veröffentlicht Gespräch zwischen dem US-Präsidenten und Selenski
- Brisante Auszüge aus dem Memorandum: Trump und Selenski lästern über Merkel
- „Niemand kann mich unter Druck setzen“: Ukraines Präsident Selenski stützt Trumps Version
Ans Licht kam all das durch einen Geheimdienstmitarbeiter, der bei einem internen Kontrollgremium Beschwerde über das vertrauliche Telefonat eingelegt hatte. Die Demokraten wollen auch, dass der Whistleblower aussagt. Sie glauben, dass die Veröffentlichung des Memos allein nicht ausreicht. Trump habe damit „Verrat an seinem Amtseid“ und an der „nationalen Sicherheit“ begangen, sagte Pelosi. „Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz.“
Ein schwerer Vorwurf, der der Öffentlichkeit leicht zu erklären ist – darauf haben viele Demokraten gewartet. In der Affäre um eine Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf 2016 und angeblichen Behinderung der Justizermittlungen durch Trump nach dessen Amtsantritt ist es ihnen kaum gelungen, die Dimension der Vorwürfe klarzumachen. Bis heute haben nur wenige Amerikaner den mehr als 400 Seiten langen Abschlussbericht von Sonderermittler Robert Mueller gelesen.
Amtsenthebung ist nicht einfach
Pelosi stand bis jetzt einem Amtsenthebungsverfahren skeptisch gegenüber. Die Hürden seien zu hoch, ein nicht erfolgreiches Impeachment würde die Demokraten eher schwächen, argumentierte sie. Denn auch wenn die Untersuchungen tatsächlich ausreichend belastbare Anklagepunkte ergeben – was nicht sicher ist –, könnte das Impeachment zwar mit der Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus angestrengt werden. Aber endgültig entscheidet die andere Kongresskammer – und im Senat haben Trumps Republikaner die Mehrheit.
Interessant ist auch, dass sich die Mehrheit der registrierten Wähler diesen das Regierungshandeln lähmenden Prozess derzeit gar nicht wünscht. In einer aktuellen Umfrage des US-Magazins „Politico“, die am vergangenen Wochenende durchgeführt wurde, als die Aufregung über die Ukraine-Affäre in Washington schon groß war, sprechen sich nur 36 Prozent von ihnen für einen solchen Schritt aus, ein Prozent weniger als noch in der Vorwoche. 49 Prozent sind dagegen.
Viele Spenden für Republikaner
Viele republikanische Wahlkampfstrategen werden sich nun die Hände reiben. Sie gehen davon aus, dass ein solcher Prozess ihre eigenen Wähler mobilisiert, die dem Argument von Trump folgen, dass es sich hierbei um eine „Hexenjagd“ handele, mit der ein legitim gewählter Präsident aus dem Amt vertrieben werden soll – weil die Opposition dies bei Wahlen nicht fertigbringe. Die Kommentare sind höhnisch.
So twitterte der einflussreiche Vorsitzende der American Conservative Union, Matt Schlapp: „Alles, was sie haben, sind Skandale, Impeachment und Ermittlungen. In politischen Fragen können sie nicht gewinnen.“ So viele hätten bereits versucht, Trump zu stoppen. „Liebe Wähler, habt ihr endlich genug?“
Die Botschaft scheint anzukommen: Laut „Politico“ sammelten Trumps Wahlkampfteam und die Republikanische Partei in weniger als 24 Stunden nach Pelosis Ankündigung knapp eine Million Dollar an Spenden ein – für die „Offizielle Taskforce zur Abwehr des Impeachments“.
Dazu kommt, dass die Ukraine-Affäre auch für Biden selbst nicht ungefährlich ist. In seiner Zeit als Barack Obamas Vizepräsident und Ukraine-Beauftragter hatte er 2014 Kiew (wie andere westliche Staaten) aufgefordert, den Generalstaatsanwalt zu entlassen, dem Korruption vorgeworfen wurde.
Da dieser Chefankläger aber womöglich auch gegen eine ukrainische Firma ermittelte, in der Bidens Sohn Hunter Biden im Aufsichtsrat saß, hat das wegen eines möglichen Interessenkonflikts ein Geschmäckle – auch wenn es von ukrainischer Seite in diesem Jahr hieß, man habe die Angelegenheit untersucht und keine Belege für ein Fehlverhalten der Bidens gefunden.