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Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenski spricht in New York.
© Efrem Lukatsky/AP/dpa

„Niemand kann mich unter Druck setzen“: Ukraines Präsident Selenski stützt Trumps Version

Hat US-Präsident Trump versucht, den ukrainischen Präsidenten zu beeinflussen, um dem Demokraten Biden zu schaden? Nun äußert sich Selenski dazu.

US-Präsident Donald Trump sieht sich seit Tagen massiver Kritik ausgesetzt, weil er in einem Telefonat versucht haben soll, den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenski dazu zu bewegen, Ermittlungen gegen den Sohn von Joe Biden einzuleiten. Biden will der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden. Nancy Pelosi, Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, hat angekündigt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten zu wollen. Nun äußerte sich Selenski erstmals.

„Niemand kann mich unter Druck setzen. Ich bin der Präsident eines unabhängigen Landes. Nur ein Mensch kann mich unter Druck setzen - nur mein Sohn, der sechs Jahre alt ist“, sagte er dem Reporter des staatlichen Fernsehsenders Rossija 24 in New York. Dies berichtet der „Spiegel“.

Nach der Ankündigung erster Schritte für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump will dieser am Mittwoch die Mitschrift des umstrittenen Telefonats publik machen. Trump, so lautet ein weiterer Vorwurf, habe damit möglicherweise sein Amt missbraucht, um die nächste Präsidentenwahl zu beeinflussen.

Trump wies die Anschuldigungen zurück und sprach von einer „Hexenjagd“. Die Öffentlichkeit werde der Veröffentlichung des Transkripts entnehmen, „dass es ein sehr freundliches und absolut angemessenes Gespräch war“, twitterte Trump. Er versicherte, keinen Druck auf Selenski ausgeübt zu haben. In New York war für Mittwoch ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten geplant.

Selenski sagte dem Sender CNN am Rande der UN-Vollversammlung, seine Gespräche mit Trump seien „privat und vertraulich“. Auf die Frage, ob er die Veröffentlichung der Abschrift des Telefonats befürworte, antwortete er demnach: „Wir werden sehen.“ Die Vorwürfe gegen Trump hatten sich Bahn gebrochen, als bekannt wurde, dass ein Geheimdienstmitarbeiter bei einem internen Kontrollgremium Beschwerde über das vertrauliche Telefonat eingelegt hatte.

Auch der Whistleblower solle aussagen, fordern die Demokraten

Die Demokraten wollen auch, dass der Whistleblower aussagt. Hintergrund ist CNN zufolge, dass das Transkript des Telefonats von Trump mit Selenski nicht allein zum Verständnis ausreicht, sondern dass dafür auch der Kontext wichtig sei. Es sei beispielsweise wichtig zu wissen, ob Äußerungen Trumps wie unterschwellige Drohungen oder Einschüchterungen geklungen hätten.

Medienberichten zufolge soll Trump dem ukrainischen Präsidenten im Gegenzug für Ermittlungen gegen Biden ein unangemessenes „Versprechen“ gegeben haben. Zu dessen Inhalt ist aber bislang nichts bekannt. Trump soll den Berichten zufolge kurz vor dem Telefonat angeordnet haben, bereits zugesagte Hilfen von rund 400 Millionen US-Dollar für die Ukraine zunächst zurückzuhalten. Die Hilfsgelder für Kiew sind inzwischen geflossen, zu möglichen Ermittlungen gegen Biden ist nichts bekannt.

Biden hat die Anschuldigungen zurückgewiesen

Trump wirft Biden vor, als damaliger Vizepräsident die Ukraine unter Druck gesetzt zu haben, um Korruptionsermittlungen gegen seinen Sohn Hunter Biden, einen Geschäftsmann, zu verhindern. Dieser arbeitete zeitweise für eine ukrainische Firma. „Was Joe Biden für seinen Sohn gemacht hat, das ist etwas, was sie prüfen sollten“, sagte Trump. Biden hat die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Trumps Anwalt Rudy Giuliani warf Biden Kontakte zu einem korrupten ukrainischen Oligarchen vor. Diese hätten für die Familie Geld gewaschen. Beweise legte er nicht vor. Giuliani forderte auf Twitter, alle Finanzunterlagen zu Firmen zu veröffentlichen, mit denen unter anderem Biden zu tun gehabt habe.

Republikaner sprechen von politischem Kalkül

Pelosi hatte am Dienstag in Washington schwere Vorwürfe gegen Trump erhoben und ihm Verfassungsbruch vorgeworfen. „Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz“, betonte sie. Biden sagte, ohne umfassende Kooperation des Weißen Hauses bei der Aufklärung der jüngsten Vorwürfe müsste der Kongress Trump des Amtes entheben. „Es wäre eine Tragödie, aber eine selbstverschuldete Tragödie“, sagte Biden.

Der Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, warf der Opposition dagegen vor, nur aus politischem Kalkül zu handeln: „Die Demokraten haben seit Präsident Trumps Amtsantritt versucht, das Ergebnis der Wahlergebnisse von 2016 umzukehren. Ihnen geht es lediglich um Politik, nicht um Fakten.“

Immer mehr Deomkraten offenbar für Impeachment

In den Reihen der Demokraten gibt es seit langem Rufe nach einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump - bislang vor allem wegen der Affäre um eine Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf 2016 und angeblichen Behinderung der Justizermittlungen durch Trump nach dessen Amtsantritt. Pelosi stand einem Amtsenthebungsverfahren bisher skeptisch gegenüber. In der Vergangenheit verwies sie immer wieder auf die hohen Hürden und damit verbundenen Risiken.

Angesichts der neuen Vorwürfe sprachen sich aber immer mehr demokratische Abgeordnete dafür aus, nun doch ein solches Verfahren gegen Trump in Gang zu setzen. US-Medien zufolge waren es zuletzt schon rund 200 Abgeordnete. Pelosi änderte daraufhin ihre Haltung.

Im Senat haben Trumps Republikaner die Mehrheit

Nach Untersuchungen und der Identifizierung von Anklagepunkten könnte ein sogenanntes Impeachment zwar mit der Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus angestrengt werden. Nötig wären dafür mindestens 218 Stimmen in der Kammer, in der die Demokraten eine Mehrheit von 235 der 435 Sitze haben. Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung läge aber im Senat, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Die Chancen, dass die Demokraten mit ihrem Vorhaben Erfolg haben, sind also gering.

Bisher ist noch kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben worden. Zuletzt musste sich der Demokrat Bill Clinton 1999 wegen einer Lüge über seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky einem Verfahren stellen. Der Senat sprach ihn jedoch von den Vorwürfen des Meineides und der Behinderung der Justiz frei. Der Republikaner Richard Nixon war 1974 in der sogenannten Watergate-Affäre um die abgehörte Wahlkampfzentrale des politischen Gegners einer Amtsenthebung durch seinen Rücktritt zuvorgekommen. (dpa, Tsp)

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