Atomstreit: Trump wird sich beim Iran-Deal gegen Europa durchsetzen
Die Personalentscheidungen von Donald Trump machen einen Ausstieg aus dem Iran-Abkommen wahrscheinlicher. Das könnte dramatische Folgen haben. Ein Kommentar.
Es bleiben nur noch gut vier Wochen. Dann folgt wohl der nächste große Knall in Washington, eine neue Empörungswelle in Europa, die nächste Krise im Mittleren Osten und, wenn die Pessimisten recht behalten, ein atomares Wettrüsten vom Iran bis Korea.
Zwar kann niemand sicher vorhersagen, was Donald Trump Mitte Mai tun oder lassen wird – vermutlich weiß er das selbst noch nicht. Seine Äußerungen und jüngsten Personalwechsel weisen in die Richtung, dass er sich vom Atomdeal mit dem Iran abwendet. Er hat Außenminister Rex Tillerson, der das Abkommen gemeinsam mit den Europäern retten wollte, durch Mike Pompeo ersetzt und John Bolton als Nationalen Sicherheitsberater berufen; beide fordern eine harte Linie gegen den Iran und Nordkorea.
Alle vier Monate muss der US-Präsident bestätigen, dass die Mullahs ihren Teil der Abmachungen über das Einfrieren des Atomwaffenprogramms einhalten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Sanktionen sukzessive fallen und der Iran durch wachsenden Handel allmählich in die Weltwirtschaft reintegriert wird – was eine entscheidende Motivation für Teheran war, den Bau von Atomwaffen aufzugeben.
Trump nennt das Abkommen den „schlechtesten Deal aller Zeiten“. Im Wahlkampf hat er versprochen, ihn zu kündigen – es sei denn, der Iran stimmt Nachbesserungen zu. Trump fordert zusätzlich einen Stop der Entwicklung weitreichender Raketen; die Mullahs sollen die Unterstützung von Terrorgruppen wie Hisbollah und Hamas einstellen und ihre Revolutionsgarden nicht mehr im Irak und in Syrien einsetzen.
Die USA haben das größere Gewicht
Die Entwicklung ist eine bittere Lehre in realer Machtpolitik für die EU. Die Europäer können sich noch so bemühen, am Ende haben die USA das größere Gewicht. So war es zu Beginn der Geschichte. Briten, Franzosen und Deutsche haben den Deal eingefädelt und vorangetrieben. Dem Iran ging es jedoch um Amerikas Beitritt zum Vertrag. Erst als der gesichert war, kam der Durchbruch in den jahrelangen Verhandlungen. China und Russland unterzeichneten ebenfalls, doch das war multilaterale Kosmetik, nicht entscheidend.
Das Muster wiederholt sich nun beim möglichen Ende der Vereinbarung. Maßgeblich für den Iran ist, ob die USA sich zurückziehen oder nicht. Europas Vertragstreue kann das nicht aufwiegen. Denn Amerika setzt seine Rechtsauffassung und seine Embargopolitik konsequent durch. Falls die USA die Sanktionen gegen den Iran wieder verschärfen, müssen Europas Konzerne sich entscheiden, ob ihnen das USA- oder das Iran-Geschäft wichtiger ist. Firmen, die in den USA Business machen und zugleich im Iran verdienen wollen, würden vor US-Gerichten belangt werden. Der US-Markt ist natürlich für die meisten lukrativer. Wenn die westlichen Firmen aber nicht kommen, entfällt für den Iran der Anreiz der umfassenden Reintegration in den Welthandel.
Der Konflikt zeigt idealtypisch die Unterschiede in der politischen Kultur. Europa agiert vorsichtig und wägt internationale Folgen ab. Würde der Iran nicht sein Atomwaffenprogramm wieder aufnehmen? Würde das ein atomares Wettrüsten in der Region entfachen, weil Saudi Arabien dann auch die Bombe haben möchte? Und warum soll Nordkorea einen Vertrag über den Stopp seines Atomwaffenprogramms mit Trump schließen, wenn der vorführt, dass solche Deals jederzeit zerrissen werden können?
Die rohe Lust am Machtpoker
Seit Monaten werben Europas Botschafter bei US-Abgeordneten und Senatoren für ihre Sicht. Der Vertrag sei nicht ideal, die Welt aber mit ihm sicherer als ohne Abkommen. Könnte der Kongress sich, bitte, wenn Trump den Deal kündigt, einer Verschärfung der Sanktionen entgegenstellen oder verhindern, dass europäische Firmen, die dem Iran zurück in den Welthandel verhelfen, in den USA bestraft werden, damit der Iran die Vereinbarung weiter einhält?
Trump zeigt die rohe Lust am Machtpoker. Wollen wir doch erst mal sehen, ob ich keine besseren Bedingungen durchsetzen kann. Und ebenso, ob Kim einen prestigeträchtigen Gipfel mit dem US- Präsidenten und ein Hilfsprogramm für Nordkoreas notleidende Wirtschaft gegen Aufgabe der Atomwaffen ausschlägt.
Wenn Trump recht behält, gut. Wer hätte Einwände gegen einen verbesserten Deal? Irrt er aber, sind die Folgen dramatisch – für die ganze Welt. Europas Vorsicht ist nicht immer nur ein Zeichen von Schwäche, sondern oft von Weitsicht. Wer freilich den Machtaspekt so lange vernachlässigt wie Europa, kann sich im entscheidenden Moment nicht durchsetzen.
Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.