Außenpolitik der USA: Trump geht mit Kampfeslust in die Isolation
In der Türkei-Politik folgt dem Chaos die Kapitulation. Donald Trump ist angeschlagen – und reißt die Säulen der Nachkriegsordnung ein. Ein Kommentar.
In der Außen- und Sicherheitspolitik gilt ein banaler Grundsatz: Geschehenes kann keiner ungeschehen machen. Nun also hatte Donald Trump die Schwergewichte in seiner Administration, Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo, nach Ankara entsandt. Dort sollten sie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dazu bringen, seine Militäroffensive in Nordsyrien zu beenden.
Vor dieser Offensive war Erdogan von Trump in einem Brief gewarnt worden. Den Brief soll Erdogan in den Müll geworfen haben. Am Ende stimmte Pence dem türkischen Ziel zu, die Kurdenmiliz aus der Sicherheitszone zu vertreiben. Erst Chaos, dann Kapitulation.
Trump redet viel, twittert viel, und manchmal schreibt er sogar Briefe wie jenen an Erdogan. Er spricht und widerspricht sich, ganz nach Belieben. Darum ist es meist müßig, seine Worte auf die Goldwaage zu legen. Dennoch enthüllte ein Tweet, den er am Montag absandte, ein wesentliches Moment seines Denkens. Da war das Chaos im Norden Syriens, das durch den Abzug amerikanischer Truppen und der türkischen Invasion entstanden war, offenkundig: Hunderte Tote, Hunderttausende auf der Flucht, das Wiedererstarken des „Islamischen Staats“, der Verrat an den Kurden, Assad und Putin als die lachenden Dritten.
Trump twitterte: „Jeder, der Syrien helfen will, die Kurden zu beschützen, ist mir recht – ob Russland, China oder Napoleon Bonaparte. Ich hoffe, sie machen das gut, wir sind 7000 Meilen entfernt.“
Dieser Tweet markiert das Ende einer amerikanischen Politik, wie sie jahrzehntelang praktiziert worden war. Trotzig, fast höhnisch reißt der US-Präsident viele Säulen der Nachkriegsordnung ein. In Trumps neuer Welt gibt es keine Bündnisse und Verbündete, keine traditionellen Partner und gewachsene Strukturen. In dieser Welt ist jeder sich selbst der nächste.
Amerika ist Tausende von Meilen entfernt
Gemeinsam kämpfen mit den Kurden im autonomen Gebiet Rojava gegen die IS-Milizen? Das war einmal. Jetzt vergleicht Trump die Kurden mit dem IS und wirft ihnen vor, in der Normandie nicht geholfen zu haben. Die ganze Region soll gefälligst sehen, wie sie ohne Amerika klarkommt. Ob das die Halunken stärkt? Ist ihm egal. Amerika ist Tausende von Meilen entfernt.
Der Schock über diesen neu-alten amerikanischen Isolationismus sitzt tief – ob in Saudi-Arabien, wo man davon ausgegangen war, dass Trump das iranische Regime für den Raketenangriff auf zwei Ölraffinerien bestrafen würde; ob in Israel, wo der Verdacht kursiert, dass Trumps Treueschwüre nur Lippenbekenntnisse sind; ob in Europa, wo die bange Erkenntnis reift, bald gemeinsam einsam zu sein; ob in Washington D.C., wo Republikaner und Demokraten eine Resolution verabschiedeten, in der der Rückzug der US-Truppen aus Nordsyrien verurteilt wird.
Fehler hat Trump noch nie zugegeben
Ändern wird Trump sich dadurch nicht. Fehler hat er noch nie zugegeben, stattdessen zeigt er auf andere – auf tatenlose Europäer, brutale Türken, nutzlose Kurden, trottelige Vorgänger im Weißen Haus, George W. Bush und Barack Obama, weicheiige Demokraten. Er dagegen beendet die endlosen Kriege und holt „unsere Jungs“ nach Hause. Ein beträchtlicher Teil seiner Klientel goutiert das.
Ja, Trump ist angeschlagen, seine Haut wird spürbar dünner. Aber weiterhin sprüht er vor Kampfeslust. Er mag ein Tor sein, aber die größte Torheit wäre es, ihn zu unterschätzen.