Pence und Pompeo bei Erdogan: Besuch, derzeit unerwünscht in der Türkei
Nach dem Einmarsch in Syrien herrschen Spannungen zwischen der Türkei und den USA. Die Gäste aus Amerika werden es schwer haben beim türkischen Präsidenten.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist derzeit nicht gut zu sprechen auf westliche Spitzenpolitiker. Den deutschen Außenminister Heiko Maas nannte er jetzt einen „Anfänger“, der keine Ahnung von Politik habe. Anlass waren die von Maas verkündeten Einschränkungen deutscher Rüstungsexporte in die Türkei aus Protest gegen den türkischen Syrien-Feldzug.
Auch der amerikanische Vizepräsident Mike Pence und US-Außenminister Mike Pompeo müssen sich auf herbe Kritik ihres Gastgebers Erdogan gefasst machen, wenn sie an diesem Donnerstag in die Türkei kommen. Ankara will sich weder von Europa noch von den USA etwas sagen lassen. Allerdings gerät die türkische Regierung zunehmend unter Druck von Russland – was den türkischen Militäreinsatz in Syrien eher zügeln könnte als westliche Einwände.
Pence und Pompeo haben keine leichte Aufgabe, denn sie werden der türkischen Regierung die widersprüchlichen Schritte der US-Regierung seit Anfang Oktober zu erklären haben. US-Präsident Donald Trump gab erst grünes Licht für den türkischen Einmarsch nach Syrien, indem er den Rückzug der amerikanischen Truppen anordnete, verfügte dann aber Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei, um die Intervention zu stoppen. Erdogan sagte am Mittwoch, er werde sich gut überlegen, ob er angesichts der Forderungen im US-Kongress nach weiteren Strafmaßnahmen gegen die Türkei und ihn selbst wie geplant am 13. November zu Trump nach Washington reisen werde.
Ein Waffenstillstand, wie von Trump und den Europäern verlangt, kommt für Erdogan „auf keinen Fall“ in Frage – die Türkei werde nicht mit Terroristen verhandeln, sagte er mit Blick auf die syrische Kurdenmiliz YPG, die von der türkischen Armee aus dem Grenzgebiet vertrieben werden soll. Der einzige Weg zu einem schnellen Ende des Militäreinsatzes sei ein vollständiger Rückzug der YPG.
Schon der Ankunft von Pence und Pompeo in Ankara zeichneten sich zudem neue Spannungen ab. Nur einen Tag nach Verkündung der US-Sanktionen stellten Staatsanwälte in New York eine Anklageschrift fertig, in der sie der türkischen Staatsbank Halkbank vorwarfen, amerikanische Iran-Sanktionen umgangen zu haben. In einem früheren Verfahren hatte ein türkisch-iranischer Geschäftsmann ausgesagt, dass türkische Regierungsvertreter und auch Erdogan selbst in die Vorgänge verwickelt gewesen seien.
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Russland deckt den Vormarsch Assads
Laut dem Türkei-Analysten Timothy Ash vom Unternehmen Bluebay Asset Management hatte die Trump-Regierung lange versucht, den Prozess gegen die Halkbank mit Rücksicht auf Ankara zu verhindern. Angesichts der türkischen Syrien-Offensive gab das Weiße Haus seinen Widerstand auf. Der Halkbank-Prozess könnte der türkischen Wirtschaft mehr schaden als Trumps Sanktionen, die den türkischen Bankensektor aussparen; obwohl die Istanbuler Börse am Mittwoch den Handel mit Halkbank-Aktien einschränkte, stürzte der Kurs der Aktie um sieben Prozent ab. Erdogan nannte das Vorgehen gegen die Bank in den USA einen „illegalen und hässlichen Schritt“.
Das türkische Außenministerium bereitet Vergeltungsmaßnahmen gegen die USA vor. Das teilte der Sprecher des Präsidentenamtes, Ibrahim Kalin, am Mittwoch in Ankara mit.
Die türkische Regierung muss nicht nur mit Druck aus dem Westen zurechtkommen. Die Syrien-Ordnungsmacht Russland signalisiert immer deutlicher, dass sie der türkischen Intervention enge Grenzen setzen will – Grenzen, die es Ankara unmöglich machen würden, seine Ziele in Syrien zu erreichen. So sagte der russische Syrien-Beauftragte Alexander Lawrentjew, die Türkei dürfe lediglich fünf bis zehn Kilometer tief auf syrisches Gebiet vordringen. Dagegen strebt Erdogan die Besetzung eines 30 Kilometer tiefen Gebietsstreifens an.
Russische Militärpolizisten sicherten einen Vormarsch der syrischen Regierungstruppen in die Stadt Manbidsch am westlichen Euphrat-Ufer, die in der von Ankara geplanten „Sicherheitszone“ in Syrien liegt. Die Türkei hatte Manbidsch ebenfalls erobern wollen, kam wegen der russisch-syrischen Initiative aber nicht zum Zug. Erdogan spielte die Bedeutung der Episode herunter und sagte, Hauptsache sei für ihn, dass die YPG in Manbidsch nicht mehr am Ruder sei.
Doch die Einnahme von Manbidsch könnte zum Vorbild für die Rückkehr der syrischen Armee auch in anderen Teilen des türkischen Einsatzgebietes in Syrien werden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte am Mittwoch, Türken und Syrer sollten bei der Sicherung der türkischen Grenze zusammenarbeiten. Die beiden Staaten hatten 1998 einen entsprechenden Vertrag geschlossen.
Erdogan lehnt eine Kooperation mit dem Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bisher strikt ab. Die Äußerungen aus der russischen Führung legen jedoch nahe, dass der Kreml alles daran setzen wird, den türkischen Präsidenten dazu zu bewegen, doch mit Assad zu reden. Noch in diesem Monat wird Erdogan bei Wladimir Putin in Russland erwartet.