Gutachten zum Berliner Flughafen: Tegel offenhalten? Blindflug auf Langstrecke!
Theoretisch gäbe es eine Möglichkeit, den Flughafen TXL auch nach BER-Eröffnung zu betreiben. Die praktische Vernunft spricht dagegen. Ein Kommentar.
Das vom Senat nach dem Tegel-Volksentscheid zur vorübergehenden Beruhigung der Gemüter beauftragte Rechtsgutachten bestätigt die Haltung der rot-rot-grünen Koalition zur Schließung des alten Flughafens, löst aber nicht ihr Problem: Solange es Möglichkeiten zur Offenhaltung gibt, und solche beschreibt der zur Klärung eingesetzte ehemalige Bundesrichter Stefan Paetow, so lange werden die Oppositionsparteien den Druck aufrechterhalten, als parlamentarische Vertreter einer durch Abstimmung qualifizierten Mehrheit der Stadt. Die Möglichkeit eines Flughafens, und zwar sowohl eines alten in Tegel als auch eines neuen in Schönefeld, bleibt die größte Schwachstelle des Senats.
Rational ist das Insistieren auf dem Volkswillen und der theoretischen Möglichkeit, diesen umzusetzen, allerdings nicht. Zwar heißt es im Gutachten lediglich, zurzeit dürfe der Senat nichts tun, um Tegel offen zu halten, doch es kommen ja auch mal wieder andere Zeiten und andere politische Konstellationen. Aber dass alle drei vielfach widerstreitenden Gesellschafter, also Berlin, Brandenburg und der Bund, im Gleichklang ausgerechnet die seit Langem beschlossene Landesplanung ändern, ist so unwahrscheinlich wie eine überraschende BER-Eröffnung noch in diesem Jahr.
Und selbst damit wäre ja nur die erste Etappe eines rechtspolitischen Langstreckenblindflugs geschafft. Es folgte der notwendige, kaum zu erbringende Nachweis, dass die Kapazität des BER selbst mit Erweiterungsbauten nicht reicht, dann die Strecke durch ein Klagegewitter, angestrengt von Organisationen, Kommunen, Konkurrenten und Privatpersonen. Alles sehr riskant, sehr unwägbar, sehr unpolitisch.
Ein Berliner Alleingang hätte erhebliche Folgen
Nur einen Umweg gäbe es, mit ungewissem Ziel: Berlin könnte die gemeinsame Landesplanung kündigen – wirksam würde das allerdings erst 2022, zwei Jahre nach der geplanten Eröffnung des BER, präziser gesagt: Nach der zurzeit geplanten Eröffnung. Aber wenn es denn 2020 was würde, müsste Tegel im Anschluss geschlossen werden, allen denkbaren Tricksereien einer kalten, inoffiziellen Eröffnung zum Trotz. Und eine neue Landesplanung Berlins wäre frühestens 2025 fertig, eher später.
Die Konsequenzen eines solchen riskanten Alleingangs, also des Umwegs nach Tegel über die Kündigung des gemeinsamen Landesplans, wären erheblich und längst nicht nur auf den Weiterbetrieb eines Flughafens beschränkt. Verlässlich planbar ist so ein BERxit nicht, aber es braucht nur wenig Fantasie, sich Folgeszenarien vorzustellen, keines davon angenehm: eine wachsende Stadt, die ihr ohnehin fragiles Verhältnis zum verärgerten Drumherum-Nachbarn Brandenburg völlig neu aushandeln muss; eine Wirtschaft, die ihre Hoffnung auf anhaltendes Wachstum am Ende der Landebahn von Tegel begräbt; ein schwer zu reparierender Vertrauens- und Autoritätsverlust der Landespolitik; ein Planungschaos auf allen Ebenen, das nicht als Berlin-Folklore schönzureden ist.
Das neue Tegel-Gutachten weist nur einen verantwortungsvollen Weg aus dem Dilemma des erfolgreich-aussichtslosen Volksentscheids: Der Möglichkeit des einen Flughafens muss die Tatsächlichkeit des anderen gegenübergestellt werden, so schnell, so zuverlässig, so transparent, wie es geht. Es gibt für diesen Senat deshalb kein wichtigeres Projekt als die Fertigstellung des BER.
72 Seiten juristische Expertise: Das komplette TXL-Gutachten können Sie hier als PDF herunterladen.
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