Nach dem TXL-Volksentscheid: Schweigen über Tegel
Der frisch berufene „Gutachter“ Stefan Paetow hält sich bedeckt – FDP-Fraktionschef Czaja erwartet wenig Hilfreiches von ihm.
Niemand weiß so richtig, wie das gehen soll, was der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit dem Juristen Stefan Paetow vorhat. Müller hat dem ehemaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht als „Gutachter“ in der Auseinandersetzung um den Flughafen Tegel vorgeschlagen. Paetow aber will sich nicht dazu äußern, wie er die Aufgabe angehen will. Senatssprecherin Claudia Sünder erklärte, er solle den Sachverhalt rechtlich bewerten und danach eine Empfehlung an den Senat und das Abgeordnetenhaus geben. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kann das nicht nachvollziehen. „Das wäre das erste Mal, dass ein Richter sein Urteil ändert“, sagt er.
Tatsächlich hatte Paetow als Vorsitzender des 4. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig intensiv mit der Berliner Flughafenplanung zu tun. Die Kammer hatte über die Sammelklage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Schönefelder Flughafens zu entscheiden. Im März 2006 scheiterte die Klage.
An Paetows Expertise zur Berliner Flughafenplanung zweifelt FDP-Fraktionschef Czaja nicht – auch wenn in der Begründung des Urteils von 2006 bis heute nicht geschaffene Voraussetzungen für den Flugbetrieb in Schönefeld genannt sind, etwa dessen „ Einbindung in ein leistungsfähiges Straßen- und Schienennetz“. Fragwürdig sei jedoch, dass Müller einen „SPD-nahen“ Gutachter berufe. Paetows SPD-Nähe folgert Czaja daraus, dass dessen Namen 2008 auf einer Vorschlagsliste der Berliner Sozialdemokraten für das Landesverfassungsgericht gestanden hatte. Mit dem Richter hatte damals niemand darüber gesprochen – was Paetow dazu bewog, öffentlich klar zu machen, dass er nicht zur Verfügung stehe.
Aus dem "Schlichter" ist ein "Gutachter" geworden
Czaja fragt sich vielmehr, ob Müller ernsthaft meine, den Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel ignorieren zu können. Eine knappe Million Menschen in Berlin habe das entschieden, sagt Czaja.
Der Regierende Bürgermeister hatte nach dem Volksentscheid in einem Fünf-Punkte-Plan die Berufung eines „Schlichters“ angekündigt. Daraus ist nun ein „Gutachter“ geworden. Außerdem, so kritisiert Czaja, versuche Müller, die Abstimmung über Tegel ins Plenum zu ziehen. Er vollführe eine „politische Achterbahnfahrt“, die man ihm nicht durchgehen lassen könne. „Ich weiß nicht, was man interpretieren kann an einer knappen Million“, sagt der FDP-Politiker. CDU-Generalsekretär Stefan Evers bezeichnete Müllers Vorgehen als „skandalös“: „Dann brauchen wir keine Volksentscheide mehr, wenn es hinterher nochmal an das Abgeordnetenhaus geht.“
Müller hatte hingegen stets darauf verwiesen, der Volksentscheid sei rechtlich nicht bindend. Der Betrieb in Tegel soll nach geltendem Recht sechs Monate nach der Inbetriebnahme des BER enden. Allerdings gibt es Juristen wie etwa den ehemaligen Berliner Verfassungsrichter, Professor Helge Sodan, die den Weiterbetrieb in Tegel für einfach machbar halten – durch eine Änderung des Landesentwicklungsplans, wie Sodan in einem Interview mit dieser Zeitung gesagt hat. Notwendige Voraussetzung dafür wäre aber, dass die brandenburgische Landesregierung Tegel offenhalten will. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lehnt das ab.