Dresden: Tatverdächtiger für Moschee-Anschlag war Pegida-Redner
Die Polizei hat nach dem Anschlag auf eine Moschee in Dresden den mutmaßlichen Attentäter gefasst: einen 30-Jährigen, der 2015 bei Pegida aufgetreten war.
Nach dem Sprengstoffanschlag auf eine Moschee und das Kongresszentrum in Dresden Ende September hat die Polizei jetzt einen Tatverdächtigen festgenommen. Es handle sich um einen 30-Jährigen aus der sächsischen Landeshauptstadt, bestätigten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag.
Bei den Ermittlungen seien Gegenstände gesichert worden, "die mutmaßlich zur Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen genutzt werden können", hieß es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft und des für extremistische Straftaten zuständigen Operativen Abwehrzentrums (OAZ) der Polizei Sachsen. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte, der Ermittlungerfolg sei "Ergebnis eines konsequenten Vorgehens des Freistaates gegen fremdenfeindliche Bestrebungen".
Der Leipziger Polizeipräsident und OAZ-Leiter Bernd Merbitz sagte dem MDR, der festgenommene Nino K. sei im Sommer 2015 als Redner bei Pegida in Dresden aufgetreten. Der Tagesspiegel hatte zuvor ähnliche Informationen aus Ermittlerkreisen erhalten. Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung über diesen Zusammenhang berichtet. Merbitz zufolge habe die Polizei den Mann seit mehreren Tagen im Visier gehabt. Man habe ihn schließlich auf einer Baustelle in Hessen festgenommen. Momentan gehe man von einem Einzeltäter aus.
Nino. K. hatte am 13. Juli 2015 bei Pegida auf dem Dresdner Altmarkt gesprochen. Seinen sieben Minuten langen Auftritt nutzte er vor allem für eine Abrechnung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. K. sagte, Merkel lasse "die Flüchtlingsströme ins Land", sei "nicht mehr tragbar als Repräsentantin unseres deutschen Landes, unseres deutschen Volkes und vor allem unserer christlich-deutschen Kultur". Und weiter: "Wenn Sie wollen, dass es in Deutschland und in Europa zum Bürgerkrieg kommt, dann machen Sie nur so weiter. Aber dann gnade Ihnen Gott. Denn von uns werden Sie keine Gnade erhalten." K. behauptete: "Frau Kanzlerin, wir sind nicht die bösen Nazis, für die Sie uns halten." Die Rede K.s wurde begleitet von Applaus und "Merkel muss weg"-Rufen der Pegida-Anhänger.
Lutz Bachmann lobte die "starken und deutlichen Worte"
Die Kanzlerin habe der "der größten Massenvernichtungswaffe, dem Islamismus, die Hand" gereicht, sagte der Pegida-Redner weiter. Eines Tages werde sie sich für ihre Taten "vor Gericht verantworten müssen, und wenn es das jüngste ist". Pegida-Chef Lutz Bachmann sagte nach der Rede von K.: "Das waren starke und deutliche Worte. Vielen Dank dafür."
Auch wenn es bisher 'nur' ein ganz massiver Tatverdacht ist, so musste man bereits 2015 damit rechnen, dass der verbalen Hetze Straftaten folgen würden. Leider hat man speziell in Sachsen, aber auch anderswo in Deutschland viel zu lange weggeschaut.
schreibt NutzerIn ford_perfect
Am Freitag kommentierte Bachmann auf Facebook: "Vollidiot zündet Böller an Moscheetür, welche daraufhin verrußt wird. Keinerlei Menschen verletzt, ja noch nicht einmal wirklich gefährdet gewesen". Der Pegida-Chef sprach von "hysterischer Berichterstattung, weil mutmaßlicher Täter wahrscheinlich mal das ,offene Bürger-Mikrophon' bei Pegida nutzte". Bei dem Brandanschlag auf die Moschee hielten sich der Imam und seine Familie zum Tatzeitpunkt in dem Gebäude auf, sie blieben aber unverletzt.
Linkspartei spricht von Rechtsterrorismus
Die sächsische Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz erklärte unter Hinweis auf die Berichte, dass der Pegida-Redner zum mutmaßlichen Bombenleger wurde, es zeige sich, wie wenig Substanz "die vom sächsischen ,Verfassungsschutz' eigens zur Verhätschelung Pegidas eingeführte Unterscheidung von ,asylkritischem' und ,asylfeindlichem' Protest" habe – "die Übergänge zum Rassismus sind fließend, die Radikalisierung von rechts führte im vorliegenden Fall – nicht zum ersten Mal in Sachsen – offenbar zum Rechtsterrorismus".
Die Grünen im sächsischen Landtag forderten Polizei und Justiz am Freitag auf, "den Verfolgungsdruck auf die rechte Szene" weiter zu erhöhen. Ihr innenpolitischer Sprecher Valentin Lippmann verlangte - ähnlich wie die Linke - außerdem Konsequenzen für die Einstufung von Pegida. Jene, die die Bewegung verharmlosten, müssten sich "endlich bewusst machen, dass aus Hass und Worten auch schlimmste Straftaten entstehen können", sagte er.
Der Imam ist glücklich
In der Fatih Camii-Moschee im Dresdner Stadtteil Cotta bereitet sich Imam Hamza Turan auf das Freitagsgebet vor, als die Reporter ihn umlagern und wissen wollen, was er von der Festnahme hält. Glücklich sei er, lässt er von einem per Handy zugeschalteten Dolmetscher aus dem Türkischen übersetzen. Viel mehr will Turan aber nicht sagen, auch keine Fotos von sich machen lassen. Zu viele Anfeindungen habe er erleben müssen, als er sich öffentlich zeigte, nachdem Ende September der Sprengsatz vor der Tür explodiert war, hinter der er mit seiner Frau und den beiden Söhnen lebt. Und nicht nur gegen ihn: Auch sein Sohn werde deshalb in der Schule gemobbt.
Eine Woche vor den zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden waren dort gleich zwei Anschläge mit Sprengstoff verübt worden, einer auf die Moschee und einer auf das Kongresszentrum der Stadt. Zudem war eine Sprengsatzattrappe an der Marienbrücke gefunden worden.
Der Beschuldigte steht den Angaben zufolge für alle drei Fälle unter Tatverdacht. Nach den Taten waren etliche Hinweise eingegangen, insbesondere zum Geschehen an der Moschee und zu einem Video, das den mutmaßlichen Täter zeigt. Eine heiße Spur gab es lange Zeit aber nicht. Bei beiden Anschlägen entstand Sachschaden. (mit AFP, dpa)
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