Afghanistan: Taliban-Chef Mansur von US-Drohne getötet
Der mögliche Nachfolger von Mullah Akhtar Mansur gilt als noch blutrünstiger – und als Gegner von Friedensgesprächen
Nur zehn Monate, seit Ende Juli 2015, stand Mullah Akhtar Mansur offiziell an der Spitze der afghanischen Taliban. Nun hat ihn offenbar eine US-Drohne erwischt, als er am Samstag im Auto in der pakistanischen Provinz Belutschistan nahe der afghanischen Grenze unterwegs war. Mansur sei tot, erklärten Afghanistans Regierungschef Abdullah Abdullah und der Geheimdienst am Sonntag.
Die USA äußerten sich zunächst vorsichtiger, bestätigten aber, dass US-Präsident Barack Obama persönlich den Drohnenangriff auf Mansur angeordnet hatte.
Laut Medien sind die beiden Männer in dem bombardierten Auto bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Von den Taliban kamen widersprüchliche Aussagen. Gegenüber der Agentur AP bestätigte der Taliban-Kommandeur Mullah Abdul Rauf Mansurs Tod. Dagegen erklärten andere Taliban in einer telefonisch verschickten Botschaft: „Er lebt. Da war kein Anschlag auf ihn“.
Die USA werteten den möglichen Tod Mansurs, der zwischen 1960 und 1970 in der Provinz Kandahar geboren wurde, als Erfolg im Kampf gegen den Terror. Doch Experten bezweifeln, dass dies die Taliban militärisch schwächt. Diese riefen am Wochenende die Afghanen dazu auf, nicht mehr für die Regierung oder internationale Institutionen zu arbeiten und drohen andernfalls mit Konsequenzen.
Drei mögliche Nachfolger stehen bereit
Die entscheidende Frage ist, wie sich Mansurs Tod auf die erhofften Friedensgespräche auswirkt. Seit Monaten bemüht sich eine Vierergruppe aus Afghanistan, Pakistan, China und den USA die Taliban an den Verhandlungstisch zu holen. Doch die weigern sich. Die USA und Afghanistan machten Mansur dafür verantwortlich. Er habe den Taliban verboten, an Gesprächen teilzunehmen. Mansur habe Friedensbemühungen im Wege gestanden und sei eine „unmittelbare Bedrohung“ gewesen, erklärte US-Außenminister John Kerry.
Doch das ist fraglich. Als möglicher Nachfolger von Mansur käme sein Stellvertreter Sirajuddin Haqqani infrage, der das berüchtigte Haqqani-Netzwerk führt. Haqqani gilt als skrupellos und als erklärter Gegner von Friedensgesprächen. Seiner Terrorgruppe werden viele besonders blutige Anschläge angelastet. So vermutet Afghanistans Geheimdienst das Netzwerk hinter der Terrorattacke vom April in Kabul, bei der 64 Menschen getötet und 347 Menschen verletzt wurden.
Aber auch der Bruder und der Sohn des legendären Talibanführers Mullah Omar, Mullah Abdul Manan und Mullah Yaqub, könnten den Chefposten reklamieren.
Seit die Nato Ende 2014 die meisten ihrer Truppen abzog, hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan massiv verschlechtert. Laut Experten sind mehr als 100 der rund 400 Bezirke unter Kontrolle der Taliban oder zumindest umkämpft. Die Zahl der zivilen Opfer stieg im vergangenen Jahr mit mehr als 11.000 Toten und Verletzten auf den höchsten Stand seit Sturz der Taliban im Jahr 2001.
Einst Wunschkandidat
Obwohl Mansur zunächst als vergleichsweise moderat und als „Wunschkandidat Pakistans“ galt, forcierten die Taliban unter seiner Führung ihre Angriffe. Im Geheimen hatte er die Taliban schon länger geführt. Doch erst als im Sommer 2015 bekannt wurde, dass der legendäre Talibanchef Mullah Omar schon seit Jahren tot ist, hatte sich sein Vize Mansur offiziell an die Spitze geputscht. Dies hatte zu blutigen Machtkämpfen geführt.
Schon seit Ende 2015 kursieren Gerüchte, wonach Mansur tot sei. Damals hatten Rivalen auf ihn geschossen. Der afghanische Geheimdienst hatte berichtet, dass er damals getötet wurde. Seitdem hat es nur eine angeblich von ihm stammende Audiobotschaft gegeben, aber kein Video mehr.