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Afghanische Polizisten bereiten sich auf die Gegenoffensive vor.
© Reuters
Update

Nach Fall von Kundus: Leyen nennt Sicherheitslage besorgniserregend

Die Taliban haben Kundus erobert, nun setzt die afghanische Regierung zum Gegenschlag an. Das US-Militär fliegt Luftangriffe. Der Fall von Kundus löst eine Debatte über den geplanten Abzug der Bundeswehr aus Nordafghanistan aus.

Ist das die Rückkehr des Krieges? Der Anfang vom Ende der Auseinandersetzungen? Einen Tag nach dem Fall von Kundus hat die afghanische Regierung eine Gegenoffensive zur Vertreibung der Taliban aus der Provinzhauptstadt begonnen. Regierungstruppen seien am Dienstagmorgen in die nordafghanische Stadt eingedrungen, sagte Polizeisprecher Sajed Sarwar Hussaini. „Wir haben das Polizei-Hauptquartier und das Provinz-Gefängnis zurückerobert.“ Die Nato teilte mit, das US-Militär habe in der Provinz Kundus einen Luftangriff geflogen, "um eine Bedrohung für die afghanischen und internationalen Kräfte zu zu beseitigen".

Zwei Jahre nach dem Bundeswehr-Abzug aus Kundus hatten die radikalislamischen Taliban die Stadt am Montag überrannt. Unklar ist, wieviele Menschen bei den schweren Gefechten getötet wurden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nannte die Sicherheitslage in der Region „besorgniserregend“. Die Ereignisse müssten nun genau analysiert werden, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag in Berlin. Die Prüfung müsse Grundlage sein für die anstehende Nato-Entscheidung im Herbst über die weitere Stationierung von Truppen im Jahr 2016 und danach. Die Beschlüsse sollten nicht nach „starren Zeitlinien“ gefällt werden, sondern nach der aktuellen Situation.

Kundus ist die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständischen erobert wurde. Die Extremisten hatten am Montagmorgen aus mehreren Richtungen mit dem Sturm auf die Stadt begonnen und sie bis zum Abend eingenommen. Aus dem Provinz-Gefängnis befreiten sie nach Regierungsangaben mehr als 600 Häftlinge, darunter 144 Taliban-Kämpfer. Nur noch die Gegend um den Flughafen war unter Kontrolle der Sicherheitskräfte.

Ein Vorgang von höchst symbolischer Bedeutung: Kundus, der Name der Provinz, der Name der Stadt, ist eine Chiffre für das deutsche Engagement im Norden Afghanistans, für den längsten und verlustreichsten Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr. 54 deutsche Soldaten kamen am Hindukusch ums Leben.

Taliban-Chef Mullah Achtar Mohammad Mansur versicherte, die Aufständischen würden „Leben, Besitz und Ehre der respektierten Bürger der Stadt Kundus schützen.“ In einer Mitteilung Mansurs zur „Befreiung“ der Stadt hieß es, die Menschen dort könnten ihr Leben „in absoluter Sicherheit“ weiterführen.
„Die Mudschaheddin denken nicht an Rache, sondern sind mit einer Botschaft des Friedens gekommen“, teilte Mansur mit. Er rief Mitarbeiter der „Invasoren und ihres Handlanger-Regimes“ dazu auf, überzulaufen, um ihr Leben und ihren Besitz zu schützen.

Debatte über Abzug der Bundeswehr

Die Eroberung von Kundus durch die Taliban löste eine Debatte um den geplanten Abzug der Bundeswehr aus Nordafghanistan aus. Der SPD-Politiker Rainer Arnold forderte eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in dem Bürgerkriegsland. Die rund 700 deutschen Soldaten im Norden Afghanistans sollten ein weiteres Jahr bis Ende 2016 in voller Stärke dort bleiben, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion der Deutschen Presse-Agentur. „Angesichts der Situation in Afghanistan wäre es falsch, die Afghanen völlig alleine zu lassen.“

Bereits am Montag hatte Grünen-Politiker Omid Nouripour im Tagesspiegel von einer „hochdramatischen Situation“ vor allem für die Zivilbevölkerung gesprochen. Es sei offenkundig, dass die afghanischen Sicherheitskräfte noch nicht in der Lage seien, die Sicherheit im Land zu gewährleisten. „Es zeigt sich jetzt in dramatischer Weise, dass wir mit der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte längst nicht fertig sind“, sagte Nouripour. "Wir haben den Afghanen das Versprechen gegeben, wir lassen sie nicht allein. Jetzt müssen wir uns fragen, was das bedeutet." Konkret müsse sich Deutschland zwei Fragen stellen: "Ist Afghanistan relevant? Allein die wachsende Zahl der afghanischen Flüchtlinge lässt nur eine Antwort zu: Ja. Die zweite Frage lautet: Haben wir unseren Job erledigt? Die Antwort ist ebenso eindeutig: Nein".

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