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Die geplante Abstandsregelung ist für Kritiker „ein weiterer erheblicher Hemmschuh für den Ausbau der Windkraft an Land“.
© Patrick Pleul/zb/dpa
Update

1000 Meter zu Wohnsiedlungen: Strikte Abstands-Regel für Windräder geplant

Das Gesetz soll bereits gelten, wenn mehr als fünf Wohngebäude zusammenstehen. Doch die Neuregelung sorgt für Ärger.

Die geplante Regelung für den Abstand von 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen soll einem Gesetzentwurf zufolge schon gelten, wenn mehr als fünf Wohngebäude zusammenstehen. Das geht aus dem Referentenentwurf von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hervor, der nun zwischen den Ministerien abgestimmt wird und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Für die umstrittene Abstandsregelung, die den Widerstand bei Anwohnern verringern soll, ist aber das Bauministerium von Horst Seehofer (CSU) federführend. Der Abstand soll demnach auch gelten zu Wohnhäusern, die noch nicht stehen, sondern noch gebaut werden können.

Das Gesetz soll am kommenden Montag vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Aus dem Bundesumweltministerium hieß es am Dienstag, die aktuelle Fassung sei noch nicht abgestimmt. „Es gibt viele Punkte in dem Gesetzentwurf, über die noch intensiv gesprochen werden muss“, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. In dem geplanten Gesetz geht es vor allem um den Kohleausstieg - mehr als neun Monate nach Abschluss der Kohlekommission liegt nun ein Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz vor.

Abstandsregelung und Kohle-Kompromiss

Darin verzichtet Altmaier auf die von der Kommission vorgeschlagene Möglichkeit, Steinkohle-Kraftwerke zwangsweise und gegen Entschädigung abzuschalten, falls die Betreiber der Kraftwerke nicht ausreichend eigene Angebote fürs Abschalten machen. Details zur Braunkohle bleiben offen, weil noch Verhandlungen über Entschädigungen laufen. Wenn der Strompreis durch den Kohleausstieg steigt, soll es Kompensationen geben.

Die Abstandsregelung für Windräder war nicht Teil des Kohle-Kompromisses, sondern gehört zum Klimapaket. „Diese Regelung soll die Akzeptanz erhöhen und wird ausgewogen ausgestaltet, indem es sich um eine Abweichungsklausel handelt“, sagte eine Sprecherin Altmaiers am Dienstag. Länder und Kommunen könnten selbst entscheiden, ob sie von dieser Regelung abweichen möchten. Trotz dieser Opt-out-Regel fürchten einige Länder und Kommunen Rechtsunsicherheit und neuen politischen Streit.

Viele Klagen von Anwohnern sind einer der Gründe dafür, dass der Ausbau ins Stocken gekommen ist. Erst vergangene Woche hatte der Windkraft-Anlagenbauer Enercon angekündigt, nach Absatzeinbrüchen bis zu 3000 Stellen abzubauen. Die Branche fürchtet, dass durch die Abstandsregelung noch weniger Flächen für Windparks zur Verfügung stehen und bereits seit Jahren laufende Planungen zunichte werden

Kritik von Umweltverbänden und Opposition

Zu diesem Ergebnis kommt auch das Umweltbundesamt: Demnach würde eine Anwendung des Mindestabstandes von 1000 Metern auf die Fläche, auf der Stand jetzt Windräder gebaut werden dürfen, um 20 bis 50 Prozent verkleinern. „Ein Zubau an Windenergiekapazität gegenüber dem Status quo ist auf der verbleibenden Fläche faktisch nicht möglich“, heißt es in der Untersuchung. Damit wäre das Ziel der Bundesregierung den Ökostrom-Anteil bis 2030 trotz Atom- und Kohleausstiegs auf 65 Prozent zu steigern, nicht zu schaffen. Dieses Ziel soll mit dem Entwurf Altmaiers nun auch gesetzlich verankert werden.

In der Koalition dürfte es noch Streit geben: Aus dem Bundesumweltministerium hieß es am Dienstag, die aktuelle Fassung sei noch nicht abgestimmt. „Es gibt viele Punkte in dem Gesetzentwurf, über die noch intensiv gesprochen werden muss“, sagte ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Die Abstandsregeln seien „deutlich zu groß bemessen“, kritisierte auch Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wegen der Windkraftkrise hatte zuletzt der Anlagenbauer Enercon harte Einschnitte angekündigt, durch die bis zu 3000 Stellen in Deutschland wegfallen werden.

Auch aus der Branche, von Umweltverbänden und von der Opposition kam Kritik zum Gesetzentwurf. „Die geplante Abstandsregelung ist ein weiterer erheblicher Hemmschuh für den Ausbau der Windkraft an Land“, sagte Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbands für Erneuerbare Energien (BEE) der Deutschen Presse-Agentur. „Zum Kohleausstiegsgesetz passt kein Windkraftverhinderungsgesetz, wie es mit pauschalen Abständen und vor allem der engen Auslegung auf fünf Wohnhäuser vorgesehen ist.“

Bundesregierung breche „das Rückgrat der Energiewende“

Grünen-Fraktionschef Hofreiter sagte, Union und SPD errichteten „nahezu um jede Gießkanne eine Ein-Kilometer-Sperrzone für Windkraftanlagen“. Das sei ein „weiterer Sargnagel“ für die Branche. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, es gebe mit diesem Entwurf „ein freundliches Angebot an die Betreiber, doch ihre Kohlekraftwerke zur Stilllegung anzumelden“. Das sei völlig unzureichend und trete den vorgeschlagenen Kohleausstieg der Kohle-Kommission mit Füßen. Der klimapolitische Sprecher der Linken, Lorenz Gösta Beutin, sagte, die Bundesregierung breche „mit der Windenergie das Rückgrat der Energiewende“.

Die Umweltschutz-Organisation WWF forderte, die Windkraft-Regelungen aus dem Gesetz zu streichen und eine Kommission „Wachstum, Erneuerbare und Beschäftigung“ einzurichten, um Wege zu finden, den Windenergie-Zubau wieder anzukurbeln. Es gehe um die Zukunft Zehntausender Jobs.

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser vermisst zudem die klare Benennung des Klimaschutzes als Ziel des Gesetzes. In diesem Punkt ignoriere Altmaier Empfehlungen der Kohlekommission. Würden aber deren Empfehlungen nicht eins zu eins umgesetzt, setze die Bundesregierung „einen gesellschaftlichen Kompromiss aufs Spiel, der gerade in den heutigen Zeiten gesellschaftlicher Spaltung enorm wertvoll ist.“ (dpa)

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