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Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz war ein "Exportschlager"
© dpa/Ingo Wagner

„Halbwahrheiten und Gerüchte“: Das entgegnen Forscher drei gängigen Einwänden in der Klimapolitik

Die Verkehrswende zerstört Deutschlands Autoindustrie? Solche Argumente kommen schnell in der Debatte über den Klimaschutz. Forscher halten dagegen.

Halbwahrheiten verbreiten und Gerüchte streuen: Das sind Instrumente derjenigen, die Zweifel am menschengemachten Klimawandel streuen wollen. Forscher des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie haben sich im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Mythen und Einwände angeschaut, die in der Debatte über Klimaschutz immer wieder auftauchen – und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

Einwand 1: Deutschlands Anteil am Klimawandel ist eher gering, wir können also gar nicht das Klima retten.

Weltweit betrachtet erscheint Deutschlands Ausstoß von Treibhausgasen eher gering: Im Jahr 2016 lag der Anteil bei zwei Prozent, hinter China, den USA und Indien. Doch addiert man die Emissionen des letzten Jahrhunderts auf – CO2 ist 100 Jahre lang wirksam – sieht das Bild anders aus, der Anteil beträgt dann bereits 4,3 Prozent.

Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl fallen die Werte noch einmal höher aus, pro Einwohner sind es 10,6 Tonnen. Im europäischen und internationalen Vergleich liegt Deutschland damit deutlich über dem Durchschnitt.

Hinzu kommt: Die Länder des globalen Nordens importieren energie- und emissionsintensive Güter aus den Ländern des globalen Südens, diese Emissionen müssten den Ländern im Norden zugeschlagen werden, argumentiert der Klimaforscher Christof Arens.

Außerdem habe Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft eine „nicht zu unterschätzende Vorbildfunktion“ in der Welt. Die Energiewende werde weltweit beobachtet, das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei „Exportschlager“, der weltweit kopiert worden sei (Einspeisevergütungen gibt es in 84 Ländern).

Zum anderen habe Deutschland durch seine Gesetzgebung dazu beigetragen, entsprechende Techniken marktreif und auch günstiger zu machen. Solaranlagen und Windräder seien mittlerweile auch für Länder wie Indien und China mit geringerem Pro-Kopf-Einkommen attraktiv, die sich vor 20 Jahren diese Technologie nicht hätten leisten können.

Einwand 2: Wenn Deutschland Kohlekraftwerke abschaltet, dann wird mehr Kohlestrom aus Polen und Atomstrom aus Frankreich importiert.

In den kommenden Jahren soll immer weniger Strom aus deutschen Kohlekraftwerken kommen, zusätzlich geht 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz. Das könnte dazu führen, dass in Deutschland Mitte der 2020er Jahre rechnerisch eine Lücke zwischen Stromproduktion und -nachfrage besteht und möglicherweise muss sie auch durch tatsächliche Stromimporte gedeckt werden. Abhängig ist das immer davon, wie viel Strom Wind- und PV-Anlagen tatsächlich liefern. In der Vergangenheit gab es immer mehr Tage, an denen die erneuerbaren Energien ihre Prognosen übertroffen haben.

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Mitte der 2020er ein Teil des Stroms für Deutschland aus französischen Atomkraftwerken und polnischen Kohlekraftwerken kommt, wie in der Studie festgehalten wird. Das sei aber kein Dauerzustand.

Der Kohleausstieg wurde auch nicht ins Blaue geplant: Vor allem in den südlichen Bundesländern werden in den kommenden Jahren neue Gaskraftwerke entstehen. Die große Koalition hat sich zudem fest zum Ziel bekannt, den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 65 Prozent zu heben. Dafür muss sie jetzt handeln und das heißt: Schnell Lösungen finden für Bürger, die keine neuen Windanlagen am Horizont sehen wollen. Auch das wird Thema im Klimakabinett am Freitag.

Aber verlagern sich CO2-Emissionen durch den Kohleausstieg nicht ins Ausland? Klar ist: Weil früher Schluss ist, brauchen deutsche Kohlekonzerne nicht so viele Verschmutzungsrechte aus dem Europäischen Emissionshandel. Damit diese nicht an Kohlekraftwerke im europäischen Ausland gehen, hat die Kohlekommission der Bundesregierung dringend empfohlen, freiwerdende Verschmutzungsrechte zu löschen.

Einwand 3: Die Verkehrswende zerstört die Automobilwirtschaft in Deutschland.

Der Verkehrssektor hat einen deutlichen Anteil daran, dass Deutschland 2020 seine Klimaziele verfehlen wird. Dennoch gibt es Vorbehalte, der Autoindustrie zu viele Vorgaben zu machen. Die Gegner einer Verkehrswende führen dabei das Arbeitsplatz-Argument an: Mit mehr als 830.000 Beschäftigten ist die Automobilwirtschaft einer der zentralen Wirtschaftszweige in Deutschland. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert bis 2035 den Wegfall von rund 114.000 Arbeitsplätzen, während nur 16.000 neue Stellen durch Elektrifizierung entstehen.

Doch durch den Verzicht auf eine Verkehrswende würden die Herausforderungen nicht kleiner, argumentiert der Klimaforscher Arens. Er verweist unter anderem darauf, dass die chinesische Regierung Zulassungsquoten für E-Fahrzeuge erlassen habe. Für deutsche Hersteller sei China ein wichtiger Markt, auf den derzeit jedes dritte Auto exportiert werde. „Ein Verzicht auf den Umstieg auf E-Mobilität würde maximal kurzfristig Arbeitsplätze sichern, langfristig aber die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie gefährden.“

Cordula Eubel, Nora Marie Zaremba

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