Nach Missbrauchsfall in Münster: Streit um härtere Strafen bei Kindesmissbrauch spaltet große Koalition
Aus der Union gibt es Forderungen nach schärferen Gesetzen. Justizministerin Lambrecht hält das aktuelle Strafmaß für ausreichend. Stimmt das?
Münster, Lüdge und auch erst kürzlich der wieder aufgekommene Fall der verschwundene Maddie: Kindesmissbrauch ist ein polarisierendes Thema. Nun ist innerhalb der Großen Koalition ein Streit um die Strafbarkeit von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie entbrannt. Sowohl Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) als auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak haben sich für härtere Strafen ausgesprochen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ist allerdings dagegen.
Lambrecht betonte, die aktuelle Regelung zum Thema Kindesmissbrauch biete eine der härtesten Strafen, die die Rechtsordnung kenne. So können Täter mit einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverfahrung verurteilt werden. Eine Verschärfung hält Lambrecht laut dpa für unbegründet. „Beispielsweise wurde im Fall Lügde dieser Strafrahmen fast ausgeschöpft“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Doch wie sieht die aktuelle Rechtslage eigentlich aus? Eine Übersicht:
Die Rechtslage ist unter §176 StGB festgelegt. Sexuelle Handlungen an Minderjährigen können nach Absatz 1 mit Freiheitsentzug zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft werden.
In §176a StGB wird der sogenannte schwere sexuelle Missbrauch von Kindern festgelegt, der unter anderem greift, wenn das Kind durch die Misshandlung in Todesgefahr geschwebt hat. Solches Verhalten wird mit einer Freiheitsstrafe von „nicht unter fünf Jahren“ geahndet.
Die in §38 StGB festlegte Dauer für den zeitigen – also nicht lebenslangen – Freiheitsentzug, wird in Absatz 2 mit einem Höchstmaß von 15 Jahren und einem Mindestmaß von einem Monat festgeschrieben.
Die Frage nach der Bestrafung von kinderpornographischem Inhalt sei allerdings komplizierter, so Lambrecht. Unter den Straftatbestand Kinderpornografie falle auch schon das einmalige Posten eines kinderpornografischen Comics. „Wenn wir dieses einmalige Verhalten als Verbrechen einstufen - das bedeutet eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr -, gäbe es keine Möglichkeit, hierauf angemessen zu reagieren“, sagte sie.
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Das Strafmaß wird in §184b StGB für die Verbreitung und Veröffentlichung von kinderpornografischen Material zwischen drei Monaten und fünf Jahren festgeschrieben. Handelt der Beschuldigte nach Absatz 4.2. bandenmäßig, kann sich das Strafmaß ebenfalls auf bis zu zehn Jahren erhöhen.
Wie ein Rechtsanwalt dem Tagesspiegel auf Nachfrage bestätigte, sei die Rechtslage bei kinderpornographischem Inhalten tatsächlich sehr streng. So komme es wohl immer wieder vor, dass bereits unbedachter Umgang mit pornographischen Websiten zu Anklagen geführt habe.
Den jüngsten Missbrauchsfall in Münster bezeichnete Lambrecht als „widerlich und abstoßend, es macht mich fassungslos“. Als Konsequenz forderte sie die schnellstmögliche Verabschiedung einer Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. „Dem Parlament liegt der Entwurf vor, der sich auch gegen Missbrauchsabbildungen im Internet wendet. Damit werden soziale Netzwerke verpflichtet, nach Hinweisen auf verdächtige Bilder und Filme diese nicht nur wie bisher zu löschen, sondern sie zusätzlich an eine neue Zentralstelle beim Bundeskriminalamt zu melden“, sagte sie.
Ziemiak und Giffey für härtere Strafen
Die CDU setzt dabei auf die Forderung nach schärferen Strafen. Unter anderem sprach sich ihr Generalsekretär Paul Ziemiak in der „Bild“-Zeitung dafür aus, die Strafen für den Besitz von kinderpornographischem Material von drei auf fünf Jahre Freiheitsentzug zu erhöhen. Betroffenheit alleine reiche nicht aus, sagte er. „Wir werden als CDU alles dafür tun, dass Kinderschänder endlich die Strafe bekommen, die sie verdienen, und dass Kinder in unserem Land geschützt werden“, zitierte ihn die Zeitung. Auch CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich in der Vergangenheit ähnlich.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey forderte hohe Strafen bei Kindesmissbrauch, sprach sich aber auch dafür aus, die bestehenden Gesetze zu nutzen. Zwar könnten für diese „furchtbare Tat“ bereits jetzt hohe Strafen verhängt werden, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Wichtig sei aber, „dass der Strafrahmen auch entsprechend am oberen Ende ausgeschöpft wird“. Auch die Kapazitäten von Ermittlern müssten ausgebaut werden. (mit dpa, epd)