Hauptverdächtiger hatte Zugriff auf Kleingartenvereins-WLAN: Was über den Missbrauchsfall in Münster bekannt ist
Der Hauptbeschuldigte hatte Zugriff auf das Computernetzwerk am Tatort. Es gibt möglicherweise zwei weitere Opfer. Ein Überblick über das, was bekannt ist.
Das ist bisher über den Fall in Münster bekannt
Die Polizei in Münster ist auf ein professionell verschleiertes Kindesmissbrauchsnetz gestoßen und hat am Samstag in mehreren Bundesländern elf Verdächtige festgenommen. Sieben Beschuldigte befinden sich in Untersuchungshaft, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstag in Nordrhein-Westfalen mitteilten. Drei Kinder seien als Opfer identifiziert worden. Sie seien 5, 10 und 12 Jahre alt und zum Teil mit den Tatverdächtigen verwandt.
Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen sind vier der beschuldigten Männer dringend verdächtig, zwei minderjährige Kinder im Alter von fünf und zehn Jahren schwer sexuell missbraucht zu haben. Zwei weitere Beschuldigte stehen im Verdacht, zumindest an einem der beiden Kinder schwere sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Die Taten wurden zum Teil gefilmt und digital gespeichert.
Am Montag gab es bislang keinen neuen Ermittlungsstand. Mit Hochdruck arbeiten allein in Münster rund 50 Ermittler bei der Polizei, um weitere Opfer zu identifizieren. Landesweit werden zusätzliche Kräfte und Experten des Landeskriminalamtes bei der Auswertung der sichergestellten Bilder und Videos hinzugezogen.
Die Ermittlungen
Ausgangspunkt der Ermittlungen sei ein Verfahren aus dem Jahr 2018 gewesen; damals habe eine unbekannte Person Daten mit Kinderpornografie über das Internet angeboten. Dabei ist es zu einem Fehler gekommen und über eine ermittelte IP-Adresse habe die Spur zu einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) geführt.
Das bisherige Ermittlungsergebnis nach rund dreieinhalb Wochen sei wohl nur die Spitze des Eisbergs, sagten übereinstimmend der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll und Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Münsters Polizeipräsident Rainer Furth sagte: „Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen und weit darüber hinaus.“
Bislang sind Bilder und Videos die einzigen Beweismittel, da sich sämtliche Beschuldigte – mit Ausnahme eines Mannes aus Köln – nicht zu den Vorwürfen äußern.
Der Hauptverdächtige
Der Hauptbeschuldigte ist ein 27-jähriger IT-Techniker aus Münster. In einer Gartenlaube und in einem Keller in der westfälischen Stadt fanden die Ermittler hochprofessionelle technische Ausstattung zur Videoaufzeichnung und riesige Mengen versiert verschlüsselter Daten. Die Tatverdächtigen nutzten zudem Handys, auf denen ein Großteil der Spuren gelöscht war. Bislang haben die Ermittler mehr als 500 Terabyte sichergestellt. Viele der Daten müssen noch entschlüsselt werden.
Nach den bisherigen Ermittlungen werden dem Hauptverdächtigen 15 Taten im Zeitraum zwischen November 2018 und Mai 2020 vorgeworfen. Er soll die gefilmten Taten auch über Plattformen für Pädophile im Darknet verbreitet haben.
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Am 7. Mai 2019 durchsuchten Polizeibeamte die Wohnung des 27-Jährigen in Münster und stellten umfangreiche Mengen an Datenträgern sicher, die ebenfalls mit hochprofessioneller Verschlüsselungstechnik gesichert waren und zum Teil noch sind.
Nach komplizierten Entschlüsselungsversuchen gelang es am 12. Mai 2020, einen der sichergestellten Laptops zu dechiffrieren. Auf der Festplatte fanden sich zahlreiche Dateien mit Missbrauchshandlungen. Beamte nahmen den Beschuldigten in den frühen Morgenstunden des 14. Mai in der Innenstadt von Münster fest.
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Der 27-Jährige ist in den Jahren 2016 und 2017 zweimal wegen der Verbreitung und des Besitzes von Kinderpornografie zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Hier spielt eine Rolle, dass einmal nach Jugend- und einmal nach Erwachsenenstrafrecht geurteilt wurden. Kompliziert wird die Beurteilung der verhängten Strafen, weil die Taten zum zweiten Urteil am 8. Juni 2017 nicht während der Bewährungszeit nach dem ersten Urteil am 13. Januar 2016 passiert sind, sondern davor.
Der sich zu seiner pädophilen Neigung bekennende Mann hatte somit nicht gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Außerdem hatte er seine Therapie wie auferlegt begonnen. Sein Therapeut äußerte sich vor Gericht positiv über ihn.
Aktuellen Medienberichten zufolge hatte das Jugendamt Münster in den Jahren 2015 und 2016 sogar Kontakt zu der Familie des 27-jährigen Hauptbeschuldigten, der den damals fünfjährigen Sohn seiner Lebensgefährtin missbraucht und anderen Männern zum Missbrauch angeboten haben soll. Allerdings lebte der Tatverdächtige damals nicht mit der Frau zusammen. Die Stadt blieb aber in Kontakt mit der Kindsmutter, die allerdings Hilfe durch das Jugendamt ablehnte. Auch nach 2016 gab es aus Sicht der Stadt keinen Grund, einzugreifen. Aus dem sozialen Umfeld habe es bis heute keinen Hinweis auf eine mögliche Gefährdung oder Auffälligkeiten des Kindes gegeben.
Die weiteren Tatverdächtigen
Bei den sechs weiteren Beschuldigten, gegen die Haftbefehl erlassen wurde, handelt es sich den Angaben zufolge um die 45 Jahre alte Mutter des Hauptverdächtigen aus Münster sowie um Männer aus Staufenberg bei Gießen (30 Jahre alt), Hannover (35), Finowfurt in Brandenburg (42), Kassel (43) und Köln (41).
Der tatverdächtige Mann aus Finowfurt sitzt derzeit ebenfalls in U-Haft. Er habe eine Frau und zwei Söhne, von denen einer schon erwachsen ist, hieß es am Samstag auf der Pressekonferenz in Münster. Die Polizei in Frankfurt (Oder) bestätigte, dass sie im Zuge der Ermittlungen ihrer Münsteraner Kollegen Amtshilfe geleistet und den Mann in der vergangenen Woche in seinem Wohnort festgenommen hatte.
Dabei waren das Haus sowie ein Kleingarten durchsucht worden. Zu den Ergebnissen der Durchsuchungen wollte die Polizei im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen keine Angaben machen.
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Die im Fall als als Tatverdächtige 45-jährige inhaftierte Frau ist die Mutter des Hauptverdächtigen. Sie hat bis zu ihrer Festnahme als Erzieherin in einem Kindergarten gearbeitet. „Die Leitung der Kita wurde von uns informiert“, sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit gebe es aber keine Hinweise auf Taten der 45-Jährigen im Kindergarten. Ermittelt werde nur im familiären Umfeld der Frau. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte zuvor über den Arbeitsplatz der Frau berichtet.
Die Mutter eines zehnjährigen Opfers ist weiterhin Teil der Ermittlungen. Gegen sie bestehe aber kein dringender Tatverdacht und die Frau sitze demnach nicht in Untersuchungshaft, sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Der Lebensgefährte der Münsteranerin ist der Hauptbeschuldigte.
Die Opfer
Bekannt waren bislang drei Opfer – Kinder im Alter von 5, 10 und 12 Jahren. Am Dienstag wurden zwei weitere mögliche Opfer bekannt. Zwei Väter hätten Anzeigen erstattet, dass ihre Söhne von in dem Fall bereits Beschuldigten unsittlich berührt worden seien, berichtete ein Sprecher der Polizei Münster am Dienstagmorgen. Die Anzeigen richteten sich nicht gegen den 27 Jahre alten Hauptverdächtigen aus Münster.
Die Kinder seien im gleichen Altersrahmen wie die bisher bekannten drei Opfer - also zwischen fünf und zwölf Jahren. Weitere Einzelheiten nannte der Sprecher zunächst nicht.
Bei den drei bis dahin bekannten Opfern handelt es sich zum einen um den zehnjährigen Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraners und um den fünfjährigen Sohn des Beschuldigten aus Staufenberg. Es besteht der Verdacht, dass der 27-Jährige aus Münster den zehnjährigen Jungen zumindest vier der Mitbeschuldigten für die vorgeworfenen schweren Missbrauchshandlungen überlassen und dadurch die Taten der anderen Beschuldigten ermöglicht hat.
Mindestens vier der Männer sollen wechselweise den 5- und einen 10-jährigen Jungen in einer Gartenlaube in Münsters Norden über Stunden schwer sexuell missbraucht und die Taten teils gefilmt haben. Die Mutter des Hauptbeschuldigten sei Nutzerin der Hütte im Stadtteil Kinderhaus; sie soll ihrem Sohn die Schlüssel überlassen und den sexuellen Missbrauch der Kinder in Kauf genommen haben. In einer Zwischendecke der Laube wurde eine mittlerweile gelöschte Festplatte versteckt, die bei den Ermittlungen jedoch gefunden und später rekonstruierend ausgewertet werden konnte.
Bei dem dritten Opfer handelt es sich den Ermittlern zufolge um den 12-jährigen Neffen des Beschuldigten aus Kassel. Dieser soll den Jungen missbraucht haben, wie aus sichergestellten Daten des 27-jährigen Münsteraners hervorgehe.
Alle Opfer, die aus Münster, sowie Staufenberg und Kassel in Hessen kommen, werden derzeit von den zuständigen Jugendämtern betreut. Die Kinder sollen vor den Taten betäubt worden sein. Körperliche Verletzungen haben sie nicht davon getragen, sagte Kriminalhauptkommissar Poll bei der Pressekonferenz in Münster am Samstag. Die Kinder seien dazu von Rechtsmedizinern untersucht worden.
Die Ermittler befürchten, dass es noch weitere Opfer identifiziert werden könnten, sobald die Speichermedien ausgewertet werden können.
Der Tatort
Der Haupttatort ist offenbar eine Gartenlaube in Münster, die der 45-jährigen Mutter des mutmaßlichen Haupttäters gehörte.
Sie soll ihrem Sohn den Schlüssel überlassen haben, in dem Wissen, was er dort vorhatte. Die Ermittler gehen davon aus, dass der fünf- und der zehnjährige Junge beispielsweise in der Nacht vom 25. auf den 26. April 2020 in der Laube vom Hauptverdächtigen und drei weiteren Männern über Stunden hinweg schwer missbraucht wurden.
Am Dienstag wurde bekannt, dass der 27-Jährige als IT-Experte auch das Computernetzwerk mit Funktechnik (WLAN) für den Kleingartenverein eingerichtet. In der Vereinsanlage liegt einer der beiden bislang bekannten Tatorte. Inwieweit der Mann mit Administratorrechten damit auch Zugriff auf die Video-Überwachung des Kleingartenvereins gehabt habe, sei jetzt Teil der Ermittlungen, sagte eine Polizeisprecherin.
Neben der Gartenlaube in Münster haben die Ermittler ein Auto in Köln aus Tatort erkannt. Auf sichergestellten Fotos weiterer Taten ist das Umfeld noch nicht identifiziert. Die Täter haben sich bei den Aufnahmen große Mühe gegeben, keine Hinweise auf Orte preiszugeben. Hier ist das Umfeld für die Ermittler somit noch ein Rätsel.
Außerdem haben die Ermittler in einem Keller in Münster einen komplett eingerichteten, klimatisierten Serverraum gefunden. Er sei dem 27-jährigen Tatverdächtigen zuzurechnen, sagte Ermittlungsleiter Poll am Samstag. Er sprach von mehreren Hundert Asservaten an gefundener IT-Technik. Die Datenträger seien hochprofessionell verschlüsselt worden. Ebenfalls nutzten die Tatverdächtigen speziell gesicherte Handys.
Die Ermittler wollen sich bisher nicht bei der Menge der gefundenen Daten festlegen. Etwa 500 Terabyte wurden entdeckt (1 Terabyte sind 1000 Gigabyte). Nach Schätzungen bräuchte eine einzelne Person rund 30 Jahre, um das gesamte Material zu sichten. Handelsübliche Computer für den Heimgebrauch haben Speicherplatten mit einer Größe von 1 bis 3 Terabyte.
Im Fokus - Missbrauchsfälle in Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen war seit Anfang 2019 wegen mehrerer Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in die Schlagzeilen geraten. Auf einem Campingplatz in Lügde im Kreis Lippe hatten mehrere Männer Kinder hundertfach über Jahre schwer sexuell missbraucht. Ermittlungen zu einem bundesweiten Kinderpornografie-Tauschring hatten im Oktober 2019 in Bergisch Gladbach bei Köln begonnen und erstrecken sich mittlerweile auf sämtliche Bundesländer.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte nach dem Fall Lügde das Thema Kindesmissbrauch zur Chefsache erklärt und die Arbeit der Ermittlungsbehörden in diesem Bereich verstärkt.
Die Reaktionen auf den Missbrauchsfall in Münster
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte am Samstagabend in der ARD- Tagesschau, er fürchte, das sei „noch nicht das Ende“. Am Montag im „Bild“-Live-Interview sagte er mit Blick auf die Täter, die das Material bezogen haben: „Wir werden garantiert nie alle erwischen.“
„Im Moment ist auch die Priorität darauf gerichtet, erstens die, die wir jetzt erwischt haben, die es ja selber betrieben haben, zur Verurteilung zu bringen. Und zweitens, noch mögliche weitere Täter und - das ist das Allerwichtigste - mögliche weitere Kinder zu finden“, sagte Reul. „Und am Schluss werden wir uns wahrscheinlich um die Frage kümmern: Wer hat denn das alles noch konsumiert?“ Die Datenmengen seien so groß, dass die Ermittler nicht alles auf einmal machen könnten.
In einer Pressekonferenz am Montag betonte Reul zudem, wie wichtig es sei, dass die Ermittler mit entsprechender Technik und „rechtlichem Instrumentarium“ ausgestattet seien. Aktuell sei es sehr aufwendig, IP-Adressen konkreten Personen zuzuordnen. „Wir brauchen ein Instrument, um an die wirklichen Adressen zu kommen. Wir wissen viel zu spät, wer wirklich dahinter steckt."
Der Münsteraner Polizeipräsident Rainer Furth erklärte erschüttert: Die Polizeisprache über Festnahmen und Haftbefehle gebe „völlig unzureichend die Dimension wieder, was wirklich geschehen ist - mitten unter uns, in unserer Gesellschaft“, erklärte auch . Der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll, erklärte, die Ermittler hätten „unfassbare“ Bilder sehen müssen: „Sie können es sich nicht vorstellen.“ Diese Kinder hätten viel Leid ertragen müssen. Innenminister Reul ergänzte: „Das ist ein Sumpf.“
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat sich ebenfalls entsetzt über den Missbrauchsfall Münster geäußert und zur Wachsamkeit gegen Kindesmissbrauch aufgerufen. „Das sind abscheuliche Taten, bei denen niemand ermessen kann, welch furchtbares Leid diese Kinder erfahren haben“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. „Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft noch wachsamer sind, um frühzeitig Missbrauch erkennen und wirksam dagegen vorgehen zu können.“
Die Ungewissheit – Gibt es noch weitere Opfer? Gab es Zeugen?
Der Fall könnte noch weitaus größere Dimensionen haben als bisher bekannt. Das sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Münster, Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am Sonntag dem Tagesspiegel: „Wir können das auf keinen Fall ausschließen, zumal ein Großteil der beschlagnahmten Daten noch gar nicht ausgewertet sind.“
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtetet, dass in den kommenden Monaten weitere Fälle folgen. Dass in Nordrhein-Westfalen „immer mehr Missbrauchsfälle bekannt werden“, habe viel damit zu tun, dass die Ermittlungskapazitäten in dem Bereich erhöht worden seien, sagte der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Michael Maatz. „Deshalb müssen wir damit rechnen, dass in den nächsten Monaten weitere Gruppen von Kinderschändern auffliegen werden, zum Teil in Dimensionen, die sich bislang niemand vorstellen kann.“
Welche politischen Lösungen sind im Gespräch?
SPD-Bundesfamilienministerin Giffey sagte am Sonntag, zum Schutz von Kindern brauche es „ein aufmerksames Umfeld, das hinschaut und Hilfe organisiert“. „Wir müssen davon ausgehen, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder betroffen sind. Das können wir nicht akzeptieren.“
Die SPD-Politikerin erklärte, auf Bundesebene sei die Arbeit gegen sexuellen Missbrauch weiter gestärkt worden - beipielsweise durch die Gründung eine Nationalen Rates gegen sexuellen Kindesmissbrauch und Reformen im Kinder- und Jugendhilferecht.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Mathias Middelberg (CDU), sagte laut einem „Bild“-Bericht, die Vorratsdatenspeicherung könne die Verfolgung von Spuren deutlich erleichtern. „Wir brauchen jetzt wirklich die Vorratsdatenspeicherung. (...) Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden!“ Auch andere Innenpolitiker der großen Koalition forderten „Bild“ zufolge Verschärfungen bei Verfolgung und Prävention.
GdP-Landesvize Maatz kritisierte, dass die Ermittlungsarbeit durch Datenschutz-Regeln behindert werde. Es könne Jahre dauern, bis das Beweismaterial gesammelt sei. Dann seien aber die Verbindungsdaten längst gelöscht und die Computer-Adressen ließen sich kaum noch den weltweit agierenden Tätern zuordnen. „Wenn wir verhindern wollen, dass die Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet straffrei bleibt, müssen wir die Telekommunikationsunternehmen verpflichten, die Verbindungsdaten ihrer Kunden wieder zu speichern und den Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen.“
Das sagen Experten
Nach Ansicht der Kinderschutzorganisation „Innocence in Danger“ haben digitale Medien und Internet die Dimension von Missbrauch „gigantisch verschlimmert“. „Es macht es einfacher für die Täter sich zu organisieren und Missbrauchsdarstellungen auszutauschen“, sagte Julia von Weiler, die Geschäftsführerin der Bewegung gegen Kindesmissbrauch, der Deutschen Presse-Agentur.
Der Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs dringt auf eine konkrete Aufklärung im Missbrauchsfall Münster. Die Frage sei, „ob wichtige Hinweise möglicherweise übersehen wurden und zum Beispiel deshalb der sexuelle Missbrauch nicht früher aufgedeckt wurde“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Der Beauftragte der Bundesregierung schränkt aber ein, dass es für die zumeist sehr engagierten Beschäftigen der Jugendämter generell sehr viel schwerer sei, sexuellen Missbrauch von Kindern zu erkennen als zum Beispiel körperliche Misshandlungen oder Vernachlässigung.
„Oft fehlen für sexuelle Gewalt erkennbare Indizien. Kinder und auch Mitwissende aus dem sozialen Umfeld stehen oft unter einem enormen Schweigedruck. Missbrauchstäter sind Meister der Täuschung. Ihre perfiden Strategien sind voll darauf ausgerichtet, ihr Umfeld zu verwirren, um unentdeckt zu bleiben“, sagte Rörig.
Der Fall in Münster zeichnet sich nach Auskunft der Ermittler auch durch seine hochprofessionelle technische Ausstattung zur Videoaufzeichnung und Datenverschlüsselung aus. Rörig geht aber dennoch nicht von einem Einzelfall dieser Art aus. „Allein 2019 gab es mehr als 12.000 Ermittlungs- und Strafverfahren in Deutschland wegen sogenannter Kinderpornografie.“
Missbrauchstäter im Netz seien den Ermittlungsbehörden technisch sehr oft voraus. Sie passten sich den Möglichkeiten, aber auch Aufdeckungsgefahren an und professionalisierten sich im Netz, sagte Rörig. „Sie setzen modernste IT-Technik ein, weshalb es ungemein wichtig ist, eine personell gut ausgestattete Polizei ihrerseits mit modernster Ermittlungstechnik auszurüsten und die Ermittlungsinstrumente der Strafverfolgung weiter zu schärfen.“ (dpa/ Tsp)
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