Bestandsaufnahme der Koalition: Streit in der Groko über eine CO2-Steuer
Zerbricht die Koalition zur Halbzeit? Ohne Klimaschutzgesetz will Juso-Chef Kühnert nicht weiterregieren, CDU-Vize Laschet erteilt der CO2-Steuer eine Absage.
Juso-Chef Kevin Kühnert sieht ohne Zustandekommen eines Klimaschutzgesetzes nur geringe Chancen für den Fortbestand der Koalition über deren Halbzeit hinaus. Längerfristig tritt er für eine Machtperspektive der SPD ohne CDU/CSU ein. „Ich hielte es für schwer vermittelbar, am Ende des Jahres weiterzumachen, wenn die Union ein gutes Klimaschutzgesetz verhindern sollte“, sagte Kühnert.
Die Union könne auf die Vorschläge von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zur Besteuerung von CO2 nicht bockig „Geht nicht!“ sagen. „Wir haben nicht ohne Grund konkrete Zieldaten im Koalitionsvertrag genannt“, sagte Kühnert. „Das betrifft 2019 mindestens drei große Projekte: unsere Respektrente, das Klimaschutzgesetz und ein zeitgemäßes Berufsbildungsgesetz.“ Alle drei hätten in der Öffentlichkeit eine große Strahlkraft – entsprechend ernst müsse das in der Koalition bearbeitet werden.
Laschet glaubt nicht an CO2-Steuer bis 2021
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erteilte einer CO2-Steuer zum Klimaschutz noch in dieser Legislaturperiode am Montag eine Absage. Dies sagte der stellvertretende CDU-Parteivorsitzende vor Sitzungen der Parteispitze in Berlin.
Zwar brauche es marktwirtschaftliche Lösungen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Wer mehr CO2 ausstoße, müsse dafür auch bezahlen. Bisher gebe es aber kein ausgewogenes Modell. „Ob das in dieser Wahlperiode möglich sein wird, glaube ich nicht“, da es an anderer Seite Steuerentlastungen geben müsse, sagte er. Die Einführung einer CO2-Steuer müsse aufkommensneutral sein. Die CDU-Spitze beriet unter anderem über die Themen Klimawandel, Mobilität und die Zukunft der Autoindustrie. Konkrete Beschlüsse wurden nicht erwartet.
Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bestandsaufnahme zur Mitte der Wahlperiode biete der SPD nun – und wohl letztmals in dieser Koalition – eine starke Möglichkeit für Druck auf CDU/CSU, das Vereinbarte umzusetzen. „Wir müssen uns im Sommer auf einen konkreten Ablauf verständigen, wie wir die Revisionsklausel umsetzen wollen“, forderte Kühnert. „Ob es am Ende eine Abstimmung der Mitglieder über die Bilanz der Koalition gibt oder ein Votum des Parteitags, ist zweitrangig.“ Erwartet wird, dass der SPD-Parteitag im Dezember über den Verbleib in dem Regierungsbündnis entscheidet.
Kühnert für "Update der Koalitionsvereinbarungen"
Der Juso-Chef hatte vor einem Mitgliedervotum über die Groko im Februar und März 2018 für ein Nein geworben. Die Revisionsklausel gilt auch als Zugeständnis an die Groko-Kritiker. Wichtig ist bei der Umsetzung dieser Klausel für Kühnert Vertragstreue: „Ist der Koalitionsvertrag wie vereinbart abgearbeitet?“ Dazu komme die Frage: „Haben wir noch genügend Möglichkeiten, in dem Bündnis in den kommenden zwei Jahren etwas auf die Beine zu stellen?“
In der Vergangenheit hätten große Koalitionen in der zweiten Hälfte hauptsächlich Konflikte vor sich hergeschoben. „Man kann den Wählern vor einer Wahl aber nicht nur erklären, warum Dinge nicht beschlossen werden und warum man sich nicht einig wird.“ Kühnert sprach sich daher für „ein Update der Koalitionsvereinbarungen“ aus. Angesichts des rasanten Wandelns bei digitaler Wirtschaft oder Klima könne nicht alles für vier Jahre festgeschrieben werden.
„Bei der Umsetzung der Revisionsklausel müssen wir auch den Frieden in der SPD-Mitgliedschaft im Auge behalten“, so Kühnert. „130 000 SPD-Mitglieder haben damals gegen die große Koalition gestimmt.“ Die Groko-Gegner hätten das Ergebnis 2018 damals anerkannt - nun müsse die Revisionsklausel aber auch ernst genommen werden.
„Im Rahmen des Möglichen als kleiner Koalitionspartner hat die SPD in den vergangenen Monaten nahezu das Beste herausgeholt“, sagte Kühnert. Aber etwa bei Klima, Grundrente oder beim Soli sehe man deutliche Unterschiede zur Union.
„Rund um das Sozialstaatskonzept der SPD und die Rentendebatte spürt man Stolz bei den SPD-Mitgliedern“, sagte Kühnert. „Aber alle wissen auch: Das ist nicht Arbeitsauftrag für die Koalition, sondern ein Ideenvorrat, den wir uns in der SPD erarbeiten.“ Im nächsten Wahlkampf könne man dies öffentlich zur Abstimmung stellen. „Es muss dann endlich eine Machtperspektive geben, die ohne Beteiligung von CDU und CSU auskommt, damit unsere guten Ideen nicht in Aktenschränken verstauben“, sagte Kühnert. „Der Wille und die Bereitschaft an der Basis, SPD-Politik zu verteidigen, hängt auch von so einer Perspektive ab.“ (dpa)