Kritik am Klimakonzept der Union: Statt sich zu erklären, greift die CDU lieber die Grünen an
CDU und CSU versprechen die „größte Stromverbilligung seit Erfindung der Steckdose“. Was gut klingt, hat in der Praxis seine Tücken – und Lücken.
Und 2045 ist Deutschland dann plötzlich klimaneutral. Diese Zahl hat die Union als Zielmarke in ihrem Wahlprogramm festgezurrt. Unterm Strich soll das Land dann kein weiteres CO2 ausstoßen. So wurde es für den 139-Seiten-Wälzer mit dem Titel „Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ beschlossen.
Aber wie genau soll das gehen? Welcher Weg führt zu diesem Ziel? Schließlich ist die Einigung auf ein Ziel noch lange nicht gleichbedeutend mit dem tatsächlichen Erreichen dieses Ziels. Um es mit einem anderen Beispiel zu sagen: Sonst müssten Fußballfans ja auch nicht bangen, ob das Ziel der Europameisterschaft von der deutschen Nationalelf erreicht wird.
Doch es ist vor allem die Planlosigkeit beim Erreichen der Klimaziele, die der CDU/CSU nach der Vorstellung ihres Wahlprogramms vorgeworfen wird. Von der Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future sowieso. „Dieses Parteiprogramm ist eine 139-seitenlange Weigerung, uns vor der Klimakrise zu schützen und das 1,5 Grad Ziel einzuhalten“, sagt die Aktivistin Luisa Neubauer der „Rheinischen Post“. Denn konkrete Festlegungen etwa zur CO2-Bepreisung, einem Vorziehen des Kohleausstiegs oder zum Abschied vom Verbrennungsmotor werden vermieden.
Das sind die Hauptkritikpunkte am Klimakonzept der Union:
- Es wird viel über Ziele gesprochen, aber zu wenig über die Umsetzung.
- Es fehlt ein konkreter CO2-Preis.
- Es ist unklar, wie sich die Klimapolitik auf die soziale Spaltung auswirkt.
Inzwischen legen daher auch alte Verbündete der Union wie die deutsche Industrie den Finger in die Wunde. „Es reicht nicht, Klimaneutralität per Gesetz vorzuschreiben“, sagt der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. Dringend notwendige Richtungsentscheidungen seien bisher ausgeblieben.
Wie diese aussehen könnten, zeigt sich eher zwischen den Zeilen des Wahlprogramms. „Wir wollen den Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung straffen“, heißt es da verklausuliert. Übersetzt bedeutet das: Energie und Tanken werden durch die Ausweitung des Emissionshandels und höhere Preise für CO2 teurer.
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Gleichzeitig will die Union einen Ausgleich schaffen. „Die Einnahmen aus dem Emissionshandel werden wir in vollem Umfang an die Bürgerinnen und Bürger und an die Betriebe durch Stromverbilligung zurückgeben. Als erstes schaffen wir im Gegenzug die EEG-Umlage ab“, heißt es im Wahlprogramm.
Allerdings: Wer viel Auto fährt, aber gar nicht so viel Strom verbraucht, könnte am Ende draufzahlen. Und auch andere Schieflagen sind denkbar. Beispielsweise dürften diejenigen, die es sich aktuell leisten können, viel Strom zu verbrauchen, bei einer reinen Abschaffung der EEG-Umlage besonders viel sparen. Die Verbraucherschützer monieren daher schon jetzt, dass es nicht nur bei einer steuerlichen Senkung des Strompreises bleiben könne. Sie wollen einen Klimascheck als sozialen Ausgleich.
Wie verteidigt die CDU/CDU ihr Konzept gegen eine solche Kritik? „Jeder Bürger ist Stromkunde. Und damit geben wir jedem Bürger durch die Stromverbilligung dieses Geld zurück“, sagt Unionsfraktionsvize Andreas Jung am Tag nach der Vorstellung des Wahlprogramms im Deutschlandfunk. „Es wäre die größte Stromverbilligung seit Erfindung der Steckdose.“ Neu ist diese Einschätzung indes nicht: Wortgleich hatte er das auch schon im Mai behauptet.
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Ansonsten ist der Gegenangriff fester Bestandteil der CDU/CSU-Verteidigungsstrategie. Das „Energiegeld“ der Grünen? Da müssten ja zunächst Millionen neuer Kontoverbindungen aufgebaut werden, meint Jung. „Das wäre ein großer bürokratischer Aufwand.“ Und überhaupt, die Grünen würden nicht marktwirtschaftlich genug denken, etwa mit Blick auf mittelständische Unternehmen. „Die Bäckerei, die eben auch CO2-Preise zahlt, die fällt in dem Grünen-Konzept durchs Rost“, kritisiert Jung.
So verteidigt die Union ihr Klimakonzept:
- Der Strom soll für alle Bürger billiger werden.
- Die Grünen denken nicht genug an die Wirtschaft.
- Die Grünen wollen Verbote.
Auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner nimmt – wenngleich indirekt – die Grünen ins Visier. „Wir wollen das Land nicht, wie andere, auf den Kopf stellen. Wir wollen keinen radikalen Wandel - sondern das Gute besser machen“, sagt sie der „Rheinischen Post“. Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, wird in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ deutlich: Das eigene Wahlprogramm sei ein „Gegenentwurf zur Verbotspolitik der Grünen“.
Und der CDU-Kanzlerkandidat höchstselbst? Armin Laschet hält es schlicht für ausreichend, wenn er im Wahlkampf nur grob beschreibt, in welche Richtung es denn beim Klimaschutz gehen soll. Ergo braucht es keine Festlegung beim CO2-Preis. Ein Wahlprogramm ist kein Gesetzentwurf lautet das Mantra in der Union. Wichtiger ist auch dem CDU-Chef der Gegenangriff auf die Grünen. Sein Vorwurf: Man könne „nicht selbst Luftballons in die Luft steigen lassen und den anderen das dann vorwerfen.“