Wahlprogramm von CDU und CSU: Die alten Beruhigungsformeln sollen es wieder einmal richten
Die Christdemokraten wollen in ihrem Wahlprogramm die Wirtschaftsnation Deutschland stärken, entwerfen aber unbezifferte Aussichten. Ein Kommentar.
Vertrauen ist bekanntlich gut, Kontrolle aber meistens besser. Das Wahlprogramm, mit dem CDU und CSU ihren Anspruch aufs Weiterregieren begründen, verlangt vom Wähler ziemlich viel Vertrauen. Um die Kontrollierbarkeit hingegen ist es weniger gut bestellt.
Auf 138 Seiten finden sich gute Ideen und viel guter Wille und irgendwo sogar der gute Vorsatz, dass die nächste Bundesregierung sich stärker an Zahlen zur Erfolgskontrolle orientieren solle. Nur an sich selbst mag die Union die Messlatte nicht allzu konkret anlegen lassen. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Programmwerk zahlenfrei.
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Nun muss ein Wahlprogramm sich nicht lesen wie ein Haushaltsentwurf. Den für die nächsten vier Jahre aufstellen zu wollen, wäre ja auch vermessen. Corona hat tiefe Spuren in der Staatskasse und in Teilen der Wirtschaft hinterlassen und zugleich massiven Nachholbedarf aufgedeckt. Deutschlands Infrastruktur etwa in der Digitalisierung auch nur auf gehobenen Weltstandard zu bringen, wird schwer und teuer genug.
Wer da zu viel verspricht, setzt sich schnell dem Vorwurf aus, nicht vorhandenes Geld zweimal ausgeben zu wollen. Aus Sorge, sonst unseriös zu erscheinen, verschiebt die Union sogar ihr magisches Markenzeichen „schwarze Null“ ins unbestimmte Irgendwann: „So schnell wie möglich“ soll der Bund wieder ohne neue Schulden auskommen.
Was genau bitte wann und wie?
Das ist ehrlich, aber auch ehrgeizlos. Es nährt obendrein den Verdacht, dass die Union zwar „Sicherheit im Wandel“ verspricht, aber vor allem meint, dass sie selbst auf Nummer sicher gehen will. Wer gar nicht erst konkret wird, entzieht sich der Nachprüf- und Nachrechenbarkeit. Soli schrittweise abbauen – wann, wie? Kleine und mittlere Einkommen entlasten – wann, wie stark?
In ersten Entwürfen war ein neuer „Generationenfonds“ für die Rente noch beziffert: 100 Euro pro Monat vom Staat für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr. Auch davon blieb nur ein vager Prüfauftrag. Selbst der Plan, die Unternehmensteuern bei ungefähr 25 Prozent zu deckeln, wird als „perspektivisch“ relativiert. Und im Klima-Kapitel steht natürlich erst recht nicht, was Klimaneutralität à la Union bis 2045 so in etwa kosten könnte.
Diese Zurückhaltung fällt umso mehr auf, als das Programm an anderen Stellen durchaus konkret wird. Das Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato etwa kommt ohne ein „möglichst“ aus. Das ist außen- und sicherheitspolitisch ein völlig richtiges Signal. Teuer wird es in jedem Fall. Da scheint also eine Priorität auf, die noch betont wird durch den Umstand, dass die Union in ihrem Programm die Außen-, Sicherheits- und Europapolitik ganz nach vorne schiebt.
Erst danach folgt das Kapitel über das „klimaneutrale Industrieland“, den zweiten Slogan neben dem „Modernisierungsjahrzehnt“, unter den Armin Laschet seine Kanzlerkandidatur stellt.
Der Aufschwung muss rasch kommen
In Wahrheit hängen die Dinge natürlich eng zusammen. Deutschland kann in und mit Europa nur eine Rolle in der Welt spielen, wenn es seine ökonomische Position als viertgrößte Wirtschaftsnation hält. Das wiederum funktioniert nur, wenn der Aufschwung rasch kommt, auf den die Union ihre ganze Hoffnung setzt. Denn nur dann werden aus den vielen „möglichst“ reale Möglichkeiten.
Und nur dann lässt sich auch das zentrale Versprechen erfüllen, das über dem ganzen Programm schwebt: „so schnell wie möglich wieder zurück zu einer Normalität zu gelangen, die uns Liebgewordenes und Vermisstes zurückgibt und in der wir klug das Morgen gestalten.“ Keine Experimente, Maß und Mitte, nicht „blind nach vorne“ stürmen – die alten Beruhigungsformeln sollen es wieder einmal richten.
Daran kann man glauben wollen. Es setzt aber viel Vertrauen voraus. „Wir können nicht zaubern“, schreiben die Verfasser. Das zeugt von Humor, nur, Zauberei verlangt auch keiner. Es würde schon reichen, sie könnten rechnen. Und wir könnten nachrechnen.
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