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Erst war die SPD-Fraktion für ihre Anschaffung, nun will sie lieber wieder diskutieren: Israelische Kampfdrohne vom Typ Heron TP.
© picture alliance/dpa

Streit um Bundeswehr-Ausrüstung: SPD will nun doch keine bewaffneten Drohnen

Im Sommer war die SPD noch für Kampfdrohnen der Bundeswehr. Nun will sie wieder debattieren. Der Krieg um Berg-Karabach sei Schuld, sagt Fraktionsvize Heinrich.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat ihre Zustimmung zum Einsatz bewaffneter Drohnen durch die Bundeswehr zurückgezogen und verlangt eine völlig neue Debatte über dieses Waffensystem. „Es gibt momentan in der SPD-Bundestagsfraktion und vermutlich auch in der Partei keine Mehrheit für eine Bewaffnung von Drohnen“, sagte Vizefraktionschefin Gabriela Heinrich dem Tagesspiegel.

Zuvor hatte schon Parteichef Norbert Walter-Borjans eine längere Debatte verlangt. Fraktionschef Rolf Mützenich plädierte in der Fraktionssitzung am Dienstag dafür, in dieser Legislaturperiode nicht mehr über die  Beschaffung des Systems zu entscheiden, mit dem die Bundeswehr ab 2025 Soldaten bei Einsätzen schützen will. Seine Stellvertreterin Heinrich verwies auf den Drohnenkrieg zwischen Aserbeidschan und Armenien. Er mache bisherige Annahmen „obsolet“.

Der verteidigungspolitische Sprecher Fritz Felgentreu (SPD) legte nach der Entscheidung sein Amt nieder. Das Vorgehen seiner Partei stelle ihn als Befürworter bewaffneter Drohnen vor ein Dilemma, teilte er auf Twitter mit. „Entweder ich stehe gegenüber der Öffentlichkeit und der Bundeswehr dazu, obwohl eigentlich alle wissen, dass ich anderer Auffassung bin [...] Oder ich distanziere mich öffentlich und gegenüber der Bundeswehr von meiner Fraktion und Partei. Als Mitglied von beiden erwarte ich aber von einem Sprecher mehr Loyalität und mehr Solidarität mit der Führung und der Mehrheit.“

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Viele Jahre lang hatte sich die Regierungspartei SPD gegen die Beschaffung bewaffneter Drohnen gesträubt, doch im Sommer 2020 rangen sich die Experten der Fraktion zu einem Ja zu dem neuen Waffensystem durch. Unter strikten Bedingungen, so verkündete damals Vizefraktionschefin Gabriela Heinrich, seien die Sozialdemokraten zur Zustimmung bereit.

Die Bundeswehr sowie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und die Union drängen schon lange auf die Anschaffung bewaffneter Flugkörper vom Typ Heron TP, um Soldaten bei Auslandseinsätzen zu schützen.

„Der Krieg um Berg-Karabach macht Annahmen obsolet“

Fast acht Jahre hatte das Ringen gedauert, und es schien nun abgeschlossen. Doch vergangene Woche erklärte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans plötzlich, dass er die Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen „nicht für ausreichend“ halte - er sei sich da einig mit großen Teilen der SPD-Mitgliedschaft und vielen „anderen friedenspolitisch engagierten Gruppen“. Die Debatte müsse weitergeführt werden.

„Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn“, sagte er zur Begründung. Die Union warf den Sozialdemokraten daraufhin Verrat an der Bundeswehr vor, viele Soldaten fühlten sich durch die SPD im Stich gelassen.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist am Dienstag ihrem Parteichef gefolgt. Fraktionsvize Heinrich, die im Sommer für den Einsatz der Drohnen vom Typ Heron TP plädiert hatte, sagt nun: „Die Debatte über die Bewaffnung von Drohnen haben wir unter der Prämisse des Schutzes geführt.“

Eine Grundannahme habe gelautet, dass Drohnen nur in asymmetrischen Konflikten eingesetzt werden könnten. „Diese Annahmen sind seit dem jüngsten Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach jedoch obsolet.“ Dort sei, so zitiert sie die Verteidigungsministerin, „der erste echte Drohnenkrieg der Geschichte ausgetragen worden, mit schwerwiegenden Konsequenzen für die unterlegene Seite“.

Der Krieg, so die SPD-Politikerin, habe deutlich gemacht, dass Drohnen als Angriffswaffe eingesetzt werden können. Durch ihn habe sich „das gesamte Koordinatensystem verschoben“, er mache „eine Debatte dringend nötig, die dieser neuen Philosophie der praktischen Kriegsführung Rechnung trägt“.

Fraktionschef Rolf Mützenich plädierte in der Sitzung am Dienstag laut Teilnehmerangaben dafür, in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr über die Beschaffung bewaffneter Drohnen zu entscheiden. Ein Hintergrund dürfte sein, dass die SPD umso weniger bereit ist, sicherheitspolitische Entscheidungen gegen kritische Stimmen aus den eigenen Reihen durchzusetzen, je näher die Bundestagswahl rückt.

Die Union dürfte die jüngste Entwicklung nun erst recht zum Anlass nehmen, dem Regierungspartner Unzuverlässigkeit in Bezug auf die Bundeswehr vorzuwerfen. Die Verteidigungsministerin hatte schon vergangene Woche nach Walter-Borjans Warnung erklärt, das Fortbestehen dieser Ausrüstungslücke gefährde Soldaten. „Damit setzen wir fahrlässig Leben von Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel und ich möchte das ändern“, sagte sie im Bundestag. Es gebe viele Argumente, mit denen man sich ernsthaft auseinandersetzen müsse: „Aber ein Argument zählt nicht und das ist das Argument, wir hätten hier nicht ausreichend darüber debattiert.“ Seit acht Jahren werde debattiert.

Die sozialdemokratische Wehrbeauftragte Eva Högl befürwortet die Anschaffung bewaffneter Drohnen ebenfalls: „Die Diskussion hat stattgefunden. Die Rahmenbedingungen sind klar. Ich halte das für entscheidungsreif“, sagte sie im Oktober.

Auf den Vorwurf, die SPD gefährde mit ihrer Entscheidung Soldaten, ist Vizefraktionschefin Heinrich vorbereitet. „Wir stehen für den bestmöglichen Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten, die wir in oftmals gefährliche Auslandseinsätze schicken“, beteuert sie. Aber die SPD verstehe sich „auch als Friedenspartei, die die Folgen dieser neuen Dimension des Einsatzes bewaffneter Drohnen als Angriffswaffe erst diskutiert wissen will.“

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