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Eine Drohne des Typs Heron TP.
© dpa

Debatte über Aufrüstung: Die Bundeswehr will die Drohne

Soll die Bundeswehr ihre neue Aufklärungsdrohne ab 2021 mit Raketen bestücken? Die Koalition robbt sich an eine schwierige Entscheidung heran.

Der Generalinspekteur lässt keine Zweifel. „Wir in der Bundeswehr wollen bewaffnete Drohnen“, sagt Eberhard Zorn, „zu unserer eigenen Verteidigung und zu unserem Schutz.“ Unter Militärs brauchte er dazu weiter nichts zu sagen. Aber der General muss im Verteidigungsministerium nicht die eigenen Truppen überzeugen. Im Stauffenbergsaal sitzen nicht nur Befürworter, sondern auch Skeptiker der Drohnen-Bewaffnung.

Die Veranstaltung am Montag geht auf den Koalitionsvertrag zurück. Denn dort ist festgelegt, dass sich der Bundestag überhaupt erst mit einer Bewaffnung für die neue große Aufklärungsdrohne Heron-TP befassen darf, wenn vorher ausführlich über die rechtlichen und ethischen Fragen diskutiert wurde.

Matthias Ehbrecht kann jedenfalls schon einmal plausibel schildern, wofür er eine bewaffnete Drohne braucht. Der Oberst war Kommandeur in Kundus, als Taliban-Kämpfer im vorigen Jahr das kleine deutsche Lager mit Raketen beschossen. Eine Aufklärungsdrohne hatte die Angreifer gesichtet. „Wir haben gesehen, wie die Rakete abgeschossen wurde“, sagt Ehbrecht. Dann blieben zehn Sekunden, um sich „klein zu machen“. Die Behelfsbunker auf dem Gelände reichen nicht für alle.

Der Oberst warf sich in den nächsten Abflussgraben. Mit einer bewaffneten Drohne, sagt Ehbrecht, wäre es bei der einen Rakete geblieben. So konnte er nur zuschauen, wie die Taliban weiter Geschoss um Geschoss abfeuerten. US-Bomber anzufordern hätte zu lange gedauert, Artillerie ist nicht vor Ort. „Sie haben nichts in der Hand“, sagt der Oberst. „Das ist nicht gut.“

Strenge Regeln für den Drohnen-Einsatz

Säße das Podium nicht auf Corona-Abstand weit auseinander, könnte man vermutlich jetzt im Livestream ein leicht abgestuftes Nicken sehen. An diesem praktischen Beispiel wollen weder die Rotkreuz-Vertreterin Heike Spiecker noch der evangelische Militärbischof Sigurd Rink oder der Ethiker Bernhard Koch grundsätzliche Einwände festmachen. Der Eigenschutz der Truppe, sagt Koch, sei ja auch ein „sehr enges Szenario“, zumal wenn man die deutschen Vorgaben in Rechnung stelle – vom Mandat des Parlaments bis zu den üblicherweise strengen Grenzen, die die nationalen Einsatzregeln setzen.

Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr.
Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr.
© dpa

Für einige der gängigen Gründe gegen die Waffen-Drohne taugt dieser begrenzte Einsatzfall ebenfalls nur schwer. Dass für die Drohnenschützen der Live-Blick auf den Einschlag seiner Rakete eine enorme Last bedeute, sieht etwa der Oberst Ehbrecht nicht zwingend als Gegenargument: „Wenn Sie in 24 Stunden eine hohe Zahl von Raketen aufs Dach kriegen, verändert das auch die Soldaten.“

Etliche seiner Leute hätten danach den Heimweg angetreten. Den Einwand, die Drohne schaffe mehr Distanz zwischen dem Kämpfer und seinem Gegner, wollen die Militärs ebenfalls nicht gelten lassen. Ein Kampfpilot oder der Schütze einer Panzerhaubitze schaue auch aus mehreren Kilometern Abstand nur auf einen Bildschirm oder eine Zielangabe, gibt General Zorn zu bedenken. Und dass ein Drohnenpilot auf einem anderen Kontinent den Finger am Drücker habe, sagt der bisherige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD), gelte so nur für das „amerikanische Szenario“. Für die aktive Jagd auf angebliche oder wirkliche Terroristen sei die Bundeswehr-Drohne überhaupt nicht gedacht.

Die Drohne als „Einstiegsdroge“

Bartels wirbt generell dafür, die Frage nicht zu überfrachten: Es gehe jetzt nicht um die Drohne an und für sich. Doch da genau setzen die Skeptiker an. Bischof Rink warnt ebenso wie der Ethiker Koch vor einer drohenden Entgrenzung in der Waffenentwicklung. „Was ist die inhärente Dynamik in dieser Technologie?“ fragt Koch. Die Drohne, sagt Rink, sei nur Teil eines „großen Bilds“. Am Ende stehe dann womöglich, dass Maschinen untereinander den Krieg aushandelten. Es reiche nicht zu sagen: „Das ist jetzt alles noch Teil der alten Kriegführung.“ Die Gefahren der Zukunft dürfe man nicht „weichzeichnen“.

Hans-Peter Bartels, der scheidende Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.
Hans-Peter Bartels, der scheidende Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.
© picture alliance/dpa

Beim nächsten Podium, das diesmal Verteidigungspolitiker aller Fraktionen besetzen, kommt die Frage noch einmal auf: Ob nicht die Drohne nur die „Einstiegsdroge“ in automatisierte Kriegführung sei, zitiert die Moderatorin einen Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der frühere Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt von der CSU widerspricht: Deutsche Soldaten seien keine „Junkies, die Einstiegsdrogen brauchten“, sondern könnten ihre Einsatzregeln „vor und zurück und rauf und runter“ aufsagen.

Die Vertreter von Linken und Grünen bleiben skeptisch. Der Linke Tobias Pflüger warnt, besser wäre es, sich diesem Waffensystem zu verweigern und die „Büchse der Pandora“ gar nicht erst zu öffnen. Die Grüne Katja Keul sagt, natürlich könne man eine Drohne völkerrechtstreu einsetzen. Aber gedacht und besonders geeignet sei sie als Jagdinstrument.

Den Missbrauchsverdacht wollen aber die Koalitionsvertreter ebenso wie FDP und AfD nicht stehen lassen. „Das ist nicht unsere Politik“, sagt der CDU-Mann Henning Otte. Und auch der Sozialdemokrat Fritz Felgentreu betont, er sehe weder jetzt noch irgendwann die Bundeswehr in schrankenlosen Kampfeinsätzen. Da sei schon der Bundestag davor: „Wir definieren ja das Mandat.“

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